Kritik statt LobNeuendorf scheut nach WM-Desaster einen echten Neuanfang beim DFB

Bernd Neuendorf sitzt beim DFB auf dem Podium.

DFB-Präsident spürte schon bei der Pressekonferenz am Dienstag (13. Dezember 2022), dass seine Entscheidungen kritisch begleitet werden.

DFB-Präsident Bernd Neuendorf präsentiert seinen Krisenplan nach dem WM-K.o. Die Besetzung eines Beraterkreises mit Fußball-Alphatieren ruft gleich Kritik hervor. Ein Kommentar zur Situation.

von Marcel Schwamborn (msw)

Eins muss man Bernd Neuendorf (61) wirklich lassen. Der DFB-Präsident, der nicht einmal ein Jahr im Amt ist, drückt aufs Tempo. Nach dem dritten Turnier-Scheitern der Nationalmannschaft in Folge will der Verbands-Chef nicht tatenlos zuschauen.

Joachim Löw (62) nahm sich 2018 die Frechheit heraus, 63 Tage mit seiner Analyse des WM-Scheiterns von Russland zu warten. Seit dem Abflug aus Katar vor elf Tagen ist im Vergleich dazu jede Menge passiert.

Bernd Neuendorf spürt: Bei den Fans herrscht weiter viel Misstrauen

Die Installierung eines prominent besetzten Beraterkreises sollte nun Neuendorfs wichtigster Wurf bei der WM-Aufarbeitung sein. Mit gewissem Stolz präsentierte er am Dienstag (13. Dezember 2022) in Frankfurt seine Pläne und war einigermaßen frustriert, warum gleich so viel Kritik aufkam.

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Spätestens da dürfte dem Ex-Politiker klargeworden sein, dass er an der DFB-Spitze keinen Applaus erwarten kann. Zu viel Vertrauen wurde in der Vergangenheit zerstört, zu viel Misstrauen herrscht bei den Fans. Auch seine Behauptung, die Begeisterung für die Nationalmannschaft sei weiterhin ungebrochen, ist doch ein klarer Fall von Selbsttäuschung.

Die Art und Weise, wie Neuendorf in einem Verband, der vor seiner Zeit vor allem durch Intrigen, Steuerhinterziehungen und Skandale aufgefallen war, die Ärmel hochkrempelt, ist ein gutes Zeichen. Allerdings traut sich der neue Fußball-Chef des Landes auch nicht, komplett mit dem Kopf durch die Wand zu gehen und alternative Sichtweisen einzubeziehen.

Die von ihm zur Hilfe gerufenen Experten gehören seit Jahrzehnten zur engeren Fußball-Blase. Mit Bayern, Dortmund und Leverkusen stellen die langjährigen Liga-Platzhirsche die Vertreter des Gremiums. Hinzu kommt ausgerechnet ein Fachmann vom Marketing-Konstrukt Red Bull.

Dabei haben die vergangenen Monate gezeigt, dass frische, innovative Ideen Vereinen wie Freiburg, Frankfurt und – trotz einiger diskussionswürdiger Verhaltensweisen – auch Union Berlin geholfen haben, das Establishment aufzumischen. Die Frauen-Nationalmannschaft sammelte im Sommer ebenfalls viele Sympathiepunkte. Auf Impulse aus diesen Bereichen wird verzichtet. Man kennt sich, man hilft sich, man bleibt unter sich, heißt eher die Devise.

Neuendorfs Tatendrang sorgte zudem bei einer weiteren Personalie für eine vielleicht voreilige Entscheidung. Dass der Präsident und dessen Vize Hans-Joachim Watzke (63) Hansi Flick (57) sehr rasch und ohne tiefgehende Analyse das Vertrauen aussprachen, kann der Beraterkreis nun nicht mehr abändern.

Der Bundestrainer bleibt, die Präsidiums-Berater sind selbst seit Jahren Teil des Systems. Vieles erinnert an das Jahr 2000, als auch unter Karl-Heinz Rummenigge (67) als Vorsitzender der Taskforce der deutsche Fußball gerettet werden sollte. Wie aus dieser Konstellation ein echter Neuanfang und eine Aufbruchstimmung Richtung Heim-EM 2024 entstehen soll, bleibt abzuwarten.