Der irre Schlussspurt gegen den VfL Bochum hat die Fans des 1. FC Köln in einen kollektiven Rausch versetzt. Der Doppelschlag in der Nachspielzeit sorgte für wilde Emotionen – auf Rasen und Tribüne.
„In Köln geht das“Wilde Kabinen-Party – Schultz sieht neues Faustpfand für Saisonendspurt
Der Fußball-Tempel in Müngersdorf hat schon einige denkwürdige Spiele erlebt. Am Samstag (6. April 2024) wurde ein neues Kapitel geschrieben. Der 95-Sekunden-Wahnsinn gegen den VfL Bochum wird den FC-Fans noch lange in Erinnerung bleiben.
Der vierte Offizielle Alexander Sather bereitete gerade die Tafel vor, um die fünfminütige Nachspielzeit anzuzeigen, da nahm das Unfassbare seinen Lauf. 90.+1: Eckball Kainz, Kopfball Tigges, 1:1. 90.+2: Flanke Schmitz, Kopfball Waldschmidt, 2:1.
Christian Keller: „Krass, phänomenal und irgendwie kaum zu glauben“
In 95 Sekunden hatte der 1. FC Köln das Spiel gedreht, einen extrem wichtigen Dreier eingefahren und für pure Ekstase gesorgt. Auf dem Platz und auf den Rängen brachen alle Dämme. „Ich war nicht auf dem Feld, da war eine Brüstung im Weg, sonst wäre ich wohl auch auf das Feld gelaufen. Das war hinten raus krass, phänomenal und irgendwie kaum zu glauben“, sagte Geschäftsführer Christian Keller.
„Wie laut das Stadion war – das war extrem“, beschrieb Matchwinner Waldschmidt einen der wohl mächtigsten Jubelschreie in der Geschichte Müngersdorfs und ergänzte: „Dafür spielen wir Fußball.“ In den Katakomben musste der Joker immer wieder seine Gefühle in diversen Interviews beschreiben. Kollege Mark Uth wollte ihn lieber in die Kabine entführen: „Der muss erst mal ein Kölsch trinken“.
In der FC-Umkleide ging nach dem vierten Saisonsieg derweil die wilde Party ab. „Halleluja“ von Brings wurde lautstark geschmettert. Auf den Tribünen flossen erste Freudentränen. Ein Fan aus der Nordkurve wurde zum viralen Gesicht des FC-Wunders. Sein Jubellauf an der Brüstung war in jedem TV-Bericht zu sehen.
Das Erlebte konnten die Beteiligten kaum in Worte fassen. „Das Spiel so zu drehen – das sind einfach unglaubliche Emotionen. Wir sind wild herumgelaufen, haben wild herumgeschrien“, beschrieb Kapitän Florian Kainz. „Es war echt ein Spiel, das in Erinnerung bleibt.“
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Bei einer 0:1-Niederlage wären die Weichen wohl vorzeitig Richtung siebtem Abstieg gestellt gewesen. Doch so konnte das Team mit viel Moral und Willen das Ding noch drehen. „In vielen Stadien wäre so ein Finish nicht möglich gewesen. In Köln, mit den Fans, da geht das“, freute sich Trainer Timo Schultz.
Während die Südkurve schon die ersten „Zieht den Bayern die Lederhosen aus“-Gesänge startete, suchte Stadionsprecher Michael Trippel nach den richtigen Worten. Er riet siegestrunken zum „tiefen Griff in die Tablettenschatulle“.
Diese magischen 95 Sekunden von Müngersdorf sollen nun zum entscheidenden Faktor im Saisonendspurt werden. „In den letzten Spielen wird vieles, vieles im Kopf entschieden, nicht unbedingt nur in den Beinen oder mit dem Ball. Für diese Phase sind wir auf jeden Fall bereit“, sagte Schultz. „Dass wir ganz eng zusammen sind, die Jungs Charakter haben, füreinander da sind, das wird unser größtes Faustpfand in den letzten Wochen“.
Noch stehen mindestens sechs Endspiele auf dem Programm. „Es geht jetzt darum zu punkten, zu punkten, zu punkten“, sagte Abwehrchef Timo Hübers. Mit 22 Zählern liegt der FC als 17. immer noch auf einem direkten Abstiegsplatz – weil auch Mainz (23) beim 4:0 gegen überforderte Darmstädter ein stattliches Lebenszeichen sendete.
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Dafür ist nach dem Last-Minute-Wahnsinn nun Bochum wieder voll mit in der Abstiegsverlosung. Nach dem furiosen 3:2 gegen die Bayern Mitte Februar holte der VfL in sechs Spielen nur noch einen Punkt. „Im Moment herrscht große Leere“, sagte Trainer Thomas Letsch, der jetzt selbst stark unter Druck steht und sich bereits Fragen zu einer drohenden Entlassung stellen lassen musste.
Diese Probleme hat sein Kollege Schultz nicht. „Dass wir einen absolut intakten Haufen zusammen haben, sieht jeder. Das sieht man in jedem Spiel, in jedem Training. Die geben Gas, haben Bock. Dass wir nicht immer die richtigen Mittel wählen, darüber brauchen wir nicht zu diskutieren. Darum geht’s jetzt im Saison-Endspurt auch gar nicht mehr“, sagte er nach dem Herzinfarkt-Spiel.