„Das Gefühl, bleiben zu müssen“FC-Europameister Özcan: So hat mich Baumgart überzeugt

Salih Özcan im  Trainingslager des 1. FC Köln in Donaueschingen

Salih Özcan im Vorbereitungscamp des 1. FC Köln in Donaueschingen (am 22. Juli 2021)

Kommt nach dem EM-Titel der Bundesliga-Stammplatz beim 1. FC Köln? Salih Özcan will unter Steffen Baumgart zum Leistungsträger reifen. EXPRESS traf das FC-Eigengewächs zum Interview.

von Martin Zenge (mze)

Köln. Eigentlich galt Salih Özcans Zeit beim 1. FC Köln als beendet. Der Vertrag des U21-Europameisters, der schon als Neunjähriger ans Geißbockheim gewechselt war, lief aus und die Verhandlungen waren gescheitert – doch dann kam Trainer Steffen Baumgart (49). Im EXPRESS-Interview erzählt Özcan, warum er sich noch einmal für seinen Heimatklub entschieden und bis 2023 verlängert hat.

Salih Özcan im EXPRESS-Interview

Salih Özcan, alle haben damit gerechnet, dass Sie den 1. FC Köln im Sommer verlassen würden. Hatten Sie das Kapitel FC auch schon abgehakt?

Özcan: Nach der Relegation in Kiel hatte ich keinen Vertrag mehr, so gesehen war ich kein Spieler des 1. FC Köln mehr. Ich wusste noch nicht, wie es weitergeht und wollte einfach erst mal die U21-EM spielen. Das war mit meinem Berater Dirk Hebel so abgesprochen.

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Aber dann kam Steffen Baumgart dazwischen…

Özcan: Ja, wir hatten schon während der EM ein Gespräch, er wollte nicht so lange abwarten (lacht). Das ist einfach seine Art. Mich hat das überhaupt nicht gestört, ich habe das eher als Wertschätzung empfunden. Nach der EM bin ich die verschiedenen Angebote durchgegangen – und habe mich für den FC entschieden. Der Trainer hat da eine entscheidende Rolle gespielt.

Steffen Baumgart und Salih Özcan im Trainingslager des 1. FC Köln in Donaueschingen

Steffen Baumgart (r.) hat schon einen guten Draht zu Salih Özcan (hier im 19. Juli 2021 im Trainingslager)

Wie hat er Sie überzeugt?

Özcan: Mit seiner direkten Art. Seine Offenheit und Ehrlichkeit haben mir am meisten gefallen. Wir haben über seine Pläne mit dem FC geredet und danach hatte ich direkt ein gutes Gefühl. Er hat mir gesagt, dass ich in sein System passe. Die Gespräche mit den Verantwortlichen waren auch gut – aber entscheidend war das Gefühl, bleiben zu müssen, das mir der Trainer vermittelt hat.

Bereits während der vergangenen Saison gab es Verhandlungen um eine Vertragsverlängerung. Warum hat es zunächst nicht geklappt?

Özcan: Ich denke, zu diesem Zeitpunkt war die Ausgangslage für beide Seiten nicht zufriedenstellend. Also haben wir die Gespräche erst mal ruhen lassen.

Salih Özcan: Angebote aus der Bundesliga und dem Ausland

Hatten Sie schon einen anderen Klub im Auge?

Özcan: Nicht konkret. Aber ich war ablösefrei, und die EM lief ja auch nicht so schlecht für mich. Es gab verschiedene Angebote, international und aus der Bundesliga.

Sie sind als U21-Europameister zum FC zurückgekommen, das muss Sie ungemein pushen.

Özcan: Es ist ein absolut geiles Gefühl. Wir haben eine souveräne EM gespielt, sind als Team aufgetreten, jeder für jeden – das hat uns ausgezeichnet. Der Stefan-Kuntz-Effekt (lacht).

Salih Özcan und Stefan Kuntz jubeln bei der U21-Europameisterschaft.

Salih Özcan (r.) und U21-Bundestrainer Stefan Kuntz jubelten am 6. Juni 2021 über den EM-Titel.

Sind er und Steffen Baumgart vergleichbar?

Özcan: Unser Trainer ist noch einen Tick offener. Er sagt einem während der Einheiten immer sofort, was er gerade davon hält – was wir besser machen können, aber auch mal „geil gemacht“. Dieses direkte Feedback hilft uns. Was die Beziehung Spieler-Trainer angeht, da sind sich die beiden schon sehr ähnlich.

Fiel es Ihnen nach dem EM-Titel besonders schwer, Olympia abzusagen?

Özcan: Das war echt keine einfache Entscheidung. Ich glaube, Olympia würde nicht jeder absagen – aber ich wollte das so. Wir haben viel über das Thema geredet, und dann habe ich mich dafür entschieden, beim FC zu bleiben. Wenn ein Trainer dich will und du dann erst mal einen Monat weg bist – das passt nicht. Wobei mir der Trainer keine Steine in den Weg gelegt hätte. Er selbst wäre gefahren.

Salih Özcan: „Jetzt müssen wir angreifen“

Stattdessen machen Sie beim FC eine Vorbereitung mit, die härter als in den vergangenen Jahren wirkt.

Özcan: Die ist nicht ohne. Aber so, wie der Trainer spielen will, müssen wir fit sein. Wir wollen von hinten heraus Fußball spielen, die Bälle nicht lang nach vorne kloppen. Wir wollen mutiger spielen, den Gegner vorne frühzeitig pressen und zu Fehlern zwingen. Für mich bedeutet das im Mittelfeld viel Laufarbeit und Wille.

Sie tragen ab dieser Saison die Sechs auf dem Rücken. Haben Sie Marco Höger um Erlaubnis gefragt?

Özcan: (lacht) Nein, das nicht. Högi und ich hatten immer ein gutes Verhältnis und haben das immer noch. Ich glaube, er hat damit kein Problem.

Ist die Sechs auch Ihre beste Position?

Özcan: In den Testspielen habe ich da gespielt. Das ist die Verbindung zwischen Offensive und Defensive. Ich kann mit der Aufgabe gut umgehen, auch als alleiniger Sechser Verantwortung zu übernehmen.

Mit Dejan Ljubicic wurde noch ein neuer Sechser verpflichtet. Auch Ellyes Skhiri, um den es Wechselgerüchte gibt, ist noch da. Macht Ihnen die Konkurrenz Sorgen?

Özcan: Überhaupt nicht. Die Konkurrenz ist groß, aber ich nehme das an. Wir wollen die Spiele als Mannschaft gewinnen – und das werden wir auch in dieser Saison, davon bin ich fest überzeugt.

Obwohl mit Sebastiaan Bornauw und Ismail Jakobs zwei Leistungsträger gegangen sind?

Özcan: Auf jeden Fall. Wir haben einen guten Kader. Für mich ist das Niveau nicht gesunken, auch die Jungs aus dem Nachwuchs machen das richtig gut, sind selbstbewusst. Jetzt müssen wir angreifen.