„Arsch hochnehmen“FC in größter Not: Baumgart zwischen Ratlosigkeit und Kampfgeist

Pressekonferenz mit Steffen Baumgart (1. FC Köln).

Die große Leere nach der Niederlage: Steffen Baumgart bei der Pressekonferenz am Samstag (30. September 2023) nach dem Duell gegen Stuttgart.

Ein Punkt aus sechs Spielen – der 1. FC Köln steckt tief in einer Krise. Noch ist die Stimmung nicht gekippt. Ob das so bleibt, entscheidet sich wohl auch in den beiden folgenden Derbys.

von Marcel Schwamborn (msw)

Als Stuttgarts Joker Deniz Undav (27) am Samstag (30. September 2023) zum zweiten Mal den Ball im Kölner Tor versenkt hatte, begann in Müngersdorf die große Massenflucht. Obwohl – inklusive Nachspielzeit – noch knapp zehn Minuten zu spielen waren, verließen viele kopfschüttelnd und abwinkend das Stadion.

Nach dem Abpfiff standen die FC-Profis vor der Südkurve und holten sich dort aufmunternden Applaus ab. Es wurden ein paar Schmähgesänge gegen den nächsten Gegner Bayer Leverkusen angestimmt, Pfiffe gab es keine.

1. FC Köln: Südkurve applaudierte, viele Fans strömten aus Stadion

Die drei anderen Tribünen waren zu dem Zeitpunkt fast schon menschenleer. Nach der 0:2-Niederlage, der fünften im sechsten Liga-Spiel, war die Leere und Ratlosigkeit bei Fans, Spielern und Verantwortlichen deutlich spürbar.

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„Es gab viele Sachen, die die Jungs gut gemacht haben. Aber am Ende stehst du mit leeren Händen da“, sagte ein sichtlich niedergeschlagener und ratloser Steffen Baumgart (51) nach der erneuten Pleite. „Ich will auch nicht jede Woche das Gleiche erzählen. Das ist eine beschissene Situation für uns alle, gerade wenn du diesen Aufwand betreibst und dich nicht mal annähernd belohnst. Es fällt mir im Moment nicht immer leicht, die richtigen Worte zu finden.“

1. FC Köln in der Einzelkritik

Die Noten der FC-Profis beim Bundesliga-Heimspiel gegen den VfB Stuttgart

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Die Statistiken des Spiels sprechen eine deutliche Sprache. Nur 41 Prozent Ballbesitz für das Heimteam, nur 45 Prozent gewonnene Zweikämpfe, lediglich 15 Prozent der geschlagenen Flanken kamen an. Dass der FC nur vier Tore in sechs Spielen erzielt hat, aber in jeder Begegnung mindestens einen Gegentreffer kassiert hat, kommt nicht von ungefähr.

„Dass eine Enttäuschung bei allen Köln-Fans da ist, darüber müssen wir nicht reden“, sagte Baumgart auf EXPRESS.de-Nachfrage. „Es freut mich, dass die Jungs Mut zugesprochen bekommen haben. Sie versuchen alles. Aber wir müssen halt besser werden. Wir können uns jetzt verkriechen und rumjammern. Ich stelle mich jetzt hier nicht hin und haue auf alles drauf. Aber ich rede auch nichts schön.“

Steffen Baumgart (1. FC Köln) nach dem Schlusspfiff.

Vollkommen bedient: Steffen Baumgart geht nach dem Schlusspfiff auf den Platz.

Die Tabelle spreche eine deutliche Sprache. „Da steht nur ein Punkt, das ist Fakt. Es nützt uns nichts, dass wir in allen Spielen dran waren, gut waren, ein bisschen gut waren. Bundesliga ist ein anderer Job. Da musst du die Dinge klar ansprechen und umsetzen. Wir haben wieder die Fehler gemacht, die wir nicht machen dürfen. Aber wir werden uns nicht verstecken“, kündigte Baumgart kämpferisch an. „Wir werden weiter den Arsch hochnehmen und um jeden Zentimeter kämpfen, um die nötigen Punkte zu holen.“

Baumgarts Stuttgarter Kollegen Sebastian Hoeneß (41) versuchte seinen geknickten Nebenmann etwas aufzurichten. „Ich habe im Vorfeld viele Kölner Spiele gesehen“, sagte er: „Alle waren eng. Es gab nur ein Spiel, wo ich gesagt habe, es geht in Ordnung, dass sie keine Punkte holen. Das hat sich wieder bestätigt. Das war heute ein richtig glücklicher Sieg.“

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Trotzdem kann sich niemand beim FC etwas dafür kaufen. Die Realität ist dramatisch. Aufsteiger Heidenheim hat beispielsweise jetzt schon sechs Punkte mehr auf dem Konto. Keine andere Mannschaft in der Liga schießt weniger Tore. Und am kommenden Sonntag wartet Tabellenführer Leverkusen, die nach sechs Spielen schon 15 Punkte mehr haben und bereits 20 Tore bejubeln durften.

Vor dem Hintergrund klangen Baumgarts Worte fast schon wie ein Pfeifen im Walde. „Das ist ein ähnliches Kaliber, mit einer Mannschaft, die einen sehr guten Lauf hat. Trotzdem fahren wir da hin, um erfolgreich zu sein“.

Ähnlich äußerte sich auch Sportchef Christian Keller (44). „Grundsätzlich ist jedes Spiel eine Chance. Und so gehen wir sie auch an. Letztes Jahr haben wir da gewonnen. Und vorletztes Jahr auch.“

1. FC Köln nun gegen Leverkusen, Mönchengladbach und Leipzig

Dennoch wissen alle beim FC, wie sehr der Verein mal wieder am Abgrund balanciert. Nach dem Leverkusen-Duell steht gegen Mönchengladbach das große Derby an, danach folgt die Auswärts-Aufgabe in Leipzig. „Ob der Support weiter gut bleibt, hängt davon ab, wie die Jungs auf dem Platz arbeiten“, sagte Baumgart.

In seinem ersten Jahr kam der als FC-Trainer in 37 Pflichtspielen auf einen Punkteschnitt von 1,57. Im zweiten Jahr waren es bei 43 Pflichtspielen 1,23 Zähler im Schnitt, aktuell nach sieben Begegnungen (inklusive Pokal) 0,57 Punkte. Wie der FC zurück in die Erfolgsspur finden will, das ist für alle die große Frage.