Klartext der BosseDie ganze Wahrheit zur Baumgart-Trennung – so fiel die Wahl auf Schultz

FC-Geschäftsführer Christian Keller auf dem FC-Mitglieder-Stammtisch in den MMC-Studios in Köln am 10. Januar 2024.

FC-Geschäftsführer Christian Keller auf dem FC-Mitglieder-Stammtisch in den MMC-Studios in Köln am 10. Januar 2024. 

Angespannte Stimmung beim FC-Stammtisch am Mittwochabend (10. Januar 2024). Die Bosse des 1. FC Köln bezogen Stellung und beantworteten alle Fragen der Mitglieder.

von Uwe Bödeker (ubo)

Knapp 1200 Mitglieder wollten live dabei sein, als der Vorstand um Präsident Werner Wolf (67) und die Geschäftsführer Christian Keller (45) und Philipp Türoff (47) Klartext zur FC-Lage sprachen. Es wurde ein denkwürdiger Abend, denn die Bosse präsentierten sich offen wie nie.

Nach der Trennung von Kult-Trainer Steffen Baumgart (52) und der bestätigten Transfersperre über zwei Wechselperioden hatte es in den sozialen Netzwerken teils heftige Kritik gegen die FC-Bosse gegeben. Vor allem die Pressekonferenz Ende Dezember 2023 wurde scharf kritisiert. Jetzt wollte die Führungsriege einige Dinge geraderücken.

1. FC Köln: rund 1200 Mitglieder in den MMC-Studios

Zunächst sollte der Mitgliederstammtisch im 12. Mann im Rhein-Energie-Stadion stattfinden, doch die Resonanz war so riesig, dass man beschloss in die MMC-Studios in Köln-Ossendorf zu gehen. Moderiert wurde der Abend von Jan Henkel (50, u.a. Sky)

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Emotionalster Punkt für viele Fans: Die Trennung von Baumgart. Etliche Anhängerinnen und Anhänger warfen den FC-Bossen hier Fahrlässigkeit vor – der Kult-Trainer hätte unbedingt gehalten werden müssen. Der Vorstand erklärte nun, warum es zur Trennung von Baumgart kommen musste.

Wolf und Co. kündigten gleich zu Beginn der Veranstaltung um 18.05 Uhr an, alle Fragen zu beantworten. Wolf fand zunächst emotionale Worte vor den Mitgliedern: „Ich stehe in einer extrem herausfordernden Situation. Die Situation belastet mich extrem. Ich teile die Sorgen, die ihr habt, auch.“

Werner Wolf: „Wir werden uns nicht vom Hass treiben lassen“

Die Kritik der letzten Wochen ging ihm nahe: „Wir haben es nicht geschafft, wichtige Dinge so zu kommunizieren, dass Antworten bei euch ankommen. Das tut mir leid und das wollen wir anders machen. Wir sind massiv kritisiert worden nach der Pressekonferenz Ende Dezember. Ich habe viel gelesen und die Botschaft ist angekommen. Aber der Ton hat mich stellenweise massiv gestört. Mit diesem Umgang können wir nicht weiter machen. Wir werden uns nicht vom Hass treiben lassen. Mehr denn je stellen wir uns konstruktiver Kritik.“ Dafür erhielt der FC-Boss Beifall.

Wolf weiter: „Ihr erreicht uns mit eurer Kritik, deshalb stehen wir hier. Wir werden die Kommunikation ändern und verbessern. Ich wünsche mir, dass wir fair miteinander umgehen.“

Was Wolf zudem betonte: „Wichtig ist es, den Blick nach vorne zu richten. Die meisten haben uns schon abgeschrieben, wir sind ja schon abgestiegen. Hier wird nicht resigniert – das ist wichtig. Ich bin zutiefst überzeugt, dass wir es schaffen, wenn wir alle Kräfte mobilisieren und uns hinter die Mannschaft stellen.“

Christian Keller: „Wenn der Frontman nicht mehr überzeugt ist, muss man reagieren“

Dann ging es ins Detail im ersten Themenblock Trainer. Keller dankte erstmal den Coaches Baumgart, Wagner und Gospodarek für die geleistete Arbeit. Dafür bekam auch er großen Beifall. Keller holte dann aus: „Ich werde immer angesprochen: Wie konntet ihr diesen Trainer gehen lassen? Ich habe nicht mehr gesagt, weil wir eine Vereinbarung hatten.“

Basel, St. Pauli und Co.

Neuer FC-Coach: Die Karriere von Timo Schultz

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Dann habe Baumgart in einem Interview mehr gesagt, als vereinbart war. Deshalb wollte auch Keller nun mehr sagen: „Der Grund für die Freistellung war nicht der Tabellenplatz. Der Grund war ein anderer. Ich habe unseren Trainer mehrmals gefragt, weil ich gemerkt habe, dass er hadert. Bist du überzeugt, dass wir es schaffen? Willst du es noch machen? Er hat gesagt, er weiß es nicht. Dann kam der Zeitpunkt, wo er gesagt hat, ich bin nicht überzeugt und ich weiß auch nicht, ob ich es noch machen soll. Und wenn der Frontman nicht mehr überzeugt ist, muss man reagieren.“

Dann kamen weitere Fragen aus dem Publikum: Was bekommt Baumgart noch, was kostet der Trainerwechsel? Keller verriet: „Er hatte einen Vertrag bis 2025, gültig aber nur für die 1. Liga. Durch die Freistellung und den neuen Trainer wird der Haushalt des FC nicht neu belastet.“

Der Geschäftsführer weiter: „Arbeitsrechtlich ist es eine Freistellung. Wir hatten im Vertrag Regelungen getroffen, was passiert im Falle einer Freistellung, dann ist daraus eine Vertragsaufhebung geworden.“ Baumgart könne also beispielsweise in zwei Wochen wieder bei einem neuen Klub anfangen.

1. FC Köln: Baumgart war im Sommer überzeugt vom Kader

Keller erklärte weitere Nachfragen zur Trennung nach dem Union-Spiel: „Man kann die Entscheidung nur treffen, wenn man gut vorbereitet ist. Wir haben mit ihm ganz konkret gesprochen, die Fragen sind deutlich vor dem Berlin-Spiel gestellt worden. Ihm hat niemand nahegelegt: Du musst gehen. Zweimal kam dann auf meine Fragen ein ganz klares Nein von ihm.“ 

Auch die Spieler hätten gespürt, dass Baumgart wankte. Keller: „Eine Mannschaft hat sensible Antennen. Was sagt der Trainer? Wie ist seine Mimik? Es hat die Mannschaft nicht überrascht, dass es zur Freistellung kam. Die wussten, dass es passieren wird, aber dann waren sie enttäuscht. Das spricht für ein gutes Verhältnis zwischen Trainer und der Mannschaft.“

1200 FC-Fans besuchten am Mittwochabend (10. Januar 2023) den Mitglieder-Stammtisch des 1. FC Köln in den MMC-Studios in Köln-Ossendorf.

Knapp 1200 FC-Fans besuchten am Mittwochabend (10. Januar 2023) den Mitglieder-Stammtisch des 1. FC Köln in den MMC-Studios in Köln-Ossendorf.

Ob Keller Baumgart nicht bessere Stürmer zur Verfügung hätte stellen müssen – dann wäre er wohl beim FC geblieben? Keller konterte: „Der Steffen wusste, welchen Kader er zur Verfügung hat.“ Auch Präsident Wolf betonte: „Baumgart war vor der Saison überzeugt: Wir haben einen guten Kader.“ Mit dem wollte er sogar nach Europa.

Dann wurde über den Nachfolger gesprochen, Keller skizzierte das Auswahlverfahren für den neuen Coach detailliert: „Wir haben uns aus voller Überzeugung für Timo Schultz entschieden. Wir wollen jemanden, der komplett unbefleckt ist. Der von außen draufguckt. Es brauchte einen neuen Impuls.“

1. FC Köln: So lief der Auswahl-Prozess für Trainer Timo Schultz

Keller erklärte: „Es war ein intensives Auswahlverfahren. Nach der Freistellung von Steffen haben wir das Anforderungsprofil angepasst: Was ist besonders wichtig für uns? Das haben wir dann über Datenbanken laufen lassen. Wir haben eine interne Datenbank mit Trainern und eine externe Datenbank. Es wurde eine Longlist ausgespuckt. Daraus haben wir eine Shortlist gemacht. Dann wurden mit wenigen Kandidaten Gespräche geführt. Wir haben viele Fragen gestellt wie: Wie geht er mit einer sehr verunsicherten Mannschaft um? Danach hatten wir noch drei Kandidaten, da war auch ein renommierter Trainer dabei. Es gab mit den drei Kandidaten lange persönliche Treffen, bis zu sechs Stunden. Da wurde alles besprochen im Detail. Alle Trainer haben das richtig toll gemacht, einer einen Tick toller. Da ist mir egal, ob er vorher Regionalliga trainiert hat oder sonst wo. Er ist der richtige Mann am richtigen Ort.“ 

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Es kam ein Vorwurf aus dem Publikum an Keller: Er sei zu buchhalterisch an die Sache rangegangen. Warum hat man nicht einen gestandenen Trainer geholt, an dem sich verunsicherte Spieler aufrichten? Ein Trainer ohne Bundesligaerfahrung sei in diesem Fall die falsche Entscheidung. Keller antwortete: „Das ist immer der erste Reflex. Jemand holen, der Erfahrung hat, der Dinge schonmal erlebt hat. Aber ist das der einzige Kompetenzbaustein? Nein!“

Schultz habe die Kompetenz, die angesprochen wurde, in der 2. Liga bei St. Pauli bewiesen. Keller will von seiner systematischen Herangehensweise nicht abrücken: „Wenn sie keinen Plan haben, überlassen sie es dem Zufall. Dann habe ich lieber einen Plan und scheitere damit, als dass ich mich auf den Zufall verlasse.“ Dafür erhielt er viel Beifall.

Im weiteren Verlauf des Abends ging es um die Transfersperre, die sportliche Situation und den Kader. Insgesamt blieb die Diskussion über den gesamten Abend auf einer sachlichen und konstruktiven Ebene. Die Veranstaltung dauerte bis 23.23 Uhr.