Millionen fahren ab heute mit 9-Euro-TicketAchtung, hier wird es ab Mittwoch so richtig rappelvoll

Reisende gehen durch den Hauptbahnhof von Frankfurt: Wer ab Mittwoch das 9-Euro-Ticket nutzt, muss vielerorts mit vollen Bussen und Bahnen rechnen.

Reisende gehen durch den Hauptbahnhof von Frankfurt: Wer ab Mittwoch das 9-Euro-Ticket nutzt, muss vielerorts mit vollen Bussen und Bahnen rechnen.

Ab Mittwoch können die Deutschen für 9 Euro durchs Land tingeln, das 9-Euro-Ticket wurde bereits millionenfach verkauft. Doch wer das Ticket nutzt, muss vielerorts mit vollen Bahnen und Bussen rechnen. Das sind die Hotspots.

Keine Frage: Wenn es um das 9-Euro-Ticket geht, dann mischen sich Freude und bange Erwartung – sowohl bei der Bahn als auch bei vielen Kundinnen und Kunden. Ab Mittwoch, den 1. Juli, können die Menschen in Deutschland drei Monate lang Busse und Bahnen im Nahverkehr nutzen. Die riesige Nachfrage nach dem Ticket lässt erahnen: Es wird auf einigen Strecken rappelvoll werden. Branchenkenner fürchten „drei sehr heiße Monate“.

Zwar setzt die Bahn vorrangig an Tourismus-Hotspots zusätzliche Züge ein – doch ob die reichen werden, bleibt fraglich. Hohe Spritpreise machen das Reisen per Schiene zusätzlich attraktiv. Der Fahrgastverband Pro Bahn befürchtet „Chaos“, der Vize-Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats DB Regio Schiene/Bus hat Sorgen vor einem überlasteten System. Worauf müssen sich die Fahrgäste einstellen?

Rügen, Königssee, Koblenz, Dresden – das 9-Euro-Ticket verspricht, günstig Deutschland zu entdecken. Doch so verlockend das Angebot ist: Vielerorts ist das Bahnnetz bereits jetzt mehr als ausgelastet, weiß Ralf Damde, Vize-Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats DB Regio Schiene/Bus, im Gespräch mit dem ZDF.

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Damde: „Nach 30 Jahren der Einsparungen beim Personal und beim Material fehlen der Bahn die Reserven, um den prognostizierten Ansturm wegen des Neun-Euro-Tickets reibungslos bewältigen zu können. Da ist jetzt extrem viel Druck auf dem Kessel.“

9-Euro-Ticket: „Wenn die Züge dann überfüllt sind, tobt der Bär“

Damde weiß, dass die Frustrationsschwelle bei vielen seit längerem tief liege. „Wenn die Züge dann überfüllt sind, tobt der Bär“, sagt Damde und wagt einen Blick in die Zukunft: „Das werden für die Kolleginnen und Kollegen auf jeden Fall drei sehr heiße Monate.“ Die Bahn selbst begegnet dem Problem mit mehr als 50 zusätzlichen Zügen von DB Regio, mehr als 700 zusätzlichen Service- und Sicherheitskräften.

Ob die Pläne dem Ansturm standhalten, wird sich spätestens am Pfingstwochenende zeigen – ein erster Stresstest für das 9-Euro-Ticket. Der „Spiegel“ hat einige Hotspots aufgelistet, in denen es besonders eng werden könnte:

  • Mainz-Koblenz-Köln: Auf der linken Rheinschiene werden Bahnsteige und Gleise erneuert. Laut Bahn komme es „größtenteils“ am Wochenende zu Sperrungen und Umleitungen über die rechte Rheinschiene, die Bahn spricht von Verspätungen „bis zu 20 Minuten“. Bis 6. Juni will die Bahn zwischen Mainz und Koblenz fertig sein, auf der Strecke Koblenz-Bonn-Köln bis 10. Juni. Zwischen Roisdorf und Remagen können von 3. Juni, 21 Uhr, bis 7. Juni, 5 Uhr, keine Züge fahren, es gibt Schienenersatzverkehr.
  • Rhein-Ruhr-Express: Die übervolle Pendlerroute RE1 ist Dauerbaustelle, hier wird ein viertes Gleis gebaut, ab 17. Juni fällt zwischen Düsseldorf und Köln streckenweise die S6 aus. RE1 und RE5 könnten voller werden. In Dortmund und Duisburg herrschen Baustellen auf den Hauptbahnhöfen.
  • Münchner Zentrum: Die U-Bahn-Haltestelle Karlsplatz/Stachus, ein Knotenpunkt, ist ab 8. Juni für etwa zwei Monate gesperrt. An anderen Knotenpunkten werden sich mehr Menschen als sonst ballen. Tunnelbauarbeiten durch die City könnten für zusätzliche Probleme sorgen.
  • Ulm/Bodensee: Hier setzt die Bahn auf mehreren Strecken Busse statt Züge ein, Fahrräder sind nicht mitzunehmen. Auch der RE5 Stuttgart-Lindau Richtung Bodensee ist betroffen.
  • Stuttgart-Konstanz: Vom 10. bis 17. Juni wird die Strecke zwischen Immendingen und Singen gesperrt, der RE2 und RE4 auf Busse umgeleitet. Zusätzlich sorgt „Stuttgart 21“ für Baustellen-Stress.
  • Nürnberg-Bamberg: Die ICE-Strecke Berlin-München wird ausgebaut, die S-Bahn-Linie S1 ebenso, bis 2. Juni fallen etliche Züge aus.
  • Dresden-Bad Schandau: Am Hauptbahnhof Dresden, ebenfalls zentraler Knotenpunkt, wird ab Mai das Dach erneuert, einzelne Bahnsteige sind immer wieder gesperrt. Vor allem am Wochenende sind die Züge nach Bad Schandau auch ohne 9-Euro-Ticket überfüllt.
  • Frankfurter Hbf/Friedberg: Der zweitgrößte Knoten im Bahnnetz ist eine Großbaustelle, auch auf der S-Bahn-Linie S6 zwischen Frankfurt und Friedberg wird gebaut, es gibt immer wieder Ausfälle. Ab 9. Juli acht Wochen Vollsperrung zwischen Frankfurt und Bad Vilbel.
  • Magdeburg-Berlin-Cottbus: Der RE1 ist hier seit langer Zeit überlastet, die Lage könnte sich erst ab Dezember entspannen.
  • Hamburg-Uelzen: Wer in die Lüneburger Heide oder an Nord- und Ostsee will, fährt auch über diese Strecke. Doch bei Metronom wird es von 11. Juni bis 23. September Verspätungen und Ausfälle wegen Baustellen geben. Die Verbindungen werden gekürzt, von vier auf eine pro Stunde. Züge der RB31 entfallen nahezu komplett.
  • Hamburg-Lübeck: Von Neustadt (Holstein) bis Fehmarn fallen die Züge ab 1. September aus, zwischen Hamburg und Lübeck gibt es Bauarbeiten entlang der Strecke.

Vor allen in Zügen und Bussen zu Ausflugszielen in Bayern sowie an der Nord- und Ostsee dürfte es in den kommenden Monaten voll werden. Seit längerem schon sorgt sich Sylt über den Ansturm auf die Nordseeinsel. „Wir rechnen während des Aktionszeitraums mit erhöhtem Fahrgastaufkommen – sowohl in den Zügen der Marschbahnstrecke von Hamburg nach Sylt als auch in den Bussen auf der Insel“, sagte der Geschäftsführer der Sylt Marketing, Moritz Luft, der Deutschen Presse-Agentur.

Da diese in den Sommermonaten zeitweise ohnehin schon an der Kapazitätsgrenze seien, „sehen wir die Insel nicht optimal (aus-)gerüstet für das 9-Euro-Ticket und den damit verbundenen zu erwartenden Ansturm“, so Luft.

In Bayern warnen die Bayerische Oberlandbahn und Bayerische Regionalbahn laut RND davor, morgens und vormittags könnten Züge von München und Augsburg Richtung Chiemsee, Alpen, Ammersee und Altmühltal voll werden. Auf beliebten Ausflugsstrecken wie zum Tegernsee seien die Züge auch unter der Woche jetzt schon gut besetzt. (mg)