Krasser Trend in Corona-ZeitenFrauen wollen wieder zurück an den Herd

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Ich will wieder zurück ins alte Rollenklischee? Viele Frauen nehmen die Doppelbelastung in Corona-Zeiten gezwungenermaßen in Kauf, andere kapitulieren und wieder andere schließen sich sogar freudestrahlend der neuen Hausfrauenbewegung an. Das hat aber Folgen im Alter für sie.

Köln – „Mein Mann ist besser im Geldverdienen, dafür kann ich besser kochen, auf dem Spielplatz smalltalken und ich liebe es tatsächlich zu bügeln – es ist also eine Win-Win-Situation“, schwärmt die Britin Alena Kate Pettitt.

Die Ex-Marketingmanagerin ist eine der Vorreiterinnen der „Tradwives“, der Rolle rückwärts zur Hausfrau. Ein Trend, für den in Großbritannien und den USA schon Tausende von Frauen ihre Karriereträume im Kräuterbeet begraben – und der in Corona-Zeiten auch in Deutschland erste Anhängerinnen findet. Was ist da los?

Traditionelle Geschlechterrollen wieder auf dem Vormarsch

Laut Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung verbringen Frauen in Corona-Zeiten 36 Prozent mehr Zeit mit den Kindern als sonst. Bei Vätern sind es nur neun Prozent. Er ackert im Büro oder Homeoffice, sie schmiert Kindern die Brote, aber sich selbst Aufstiegschancen von der Backe. Das mag auf einen Großteil der Frauen zutreffen – andere sind die Doppelbelastung satt.

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Corona zeigt, dass plötzlich wieder tradierte Geschlechterrollen – ganz im Sinne der AfD – an Einfluss gewinnen können, wenn der Staat nicht gegensteuert. Laut aktueller „Playboy-Umfrage“ sehnen sich 80 Prozent (!) heutzutage nach einem „Versorger, der Verantwortung übernimmt“. Für knapp 70 Prozent der Frauen ist sein berufliches Einkommen wichtig bis sehr wichtig.

Mann verdient das Geld, Frau kümmert sich um die Kids

Der Soziologe Martin Schröder erklärt im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“: „Offenbar finden die meisten am anderen geschlechterstereotypes Verhalten irgendwie hot. Dazu gehört, dass der Mann das Geld nach Hause bringt und sich eher die Frau um die Kinder kümmert.“

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Die „glücklichen Hausfrauen“ zelebrieren ihre „freiwillige“ Rolle rückwärts begeistert im Netz. Bloggerinnen wie Pettitt präsentieren – in frisch gestärkter Schürze – Kuchenrezepte, geben unter dem Hashtag #lifehacks Omas Putztipp einen modernen Anstrich, hippe Mama-Bloggerinnen zerren ihre Kids vor die Kamera.

Drohende Altersarmut: Die fiese Rentenlücke

Natürlich gibt’s auch diejenigen, die sich jetzt in Corona-Zeiten nicht freiwillig alleine um die Kinder kümmern und die volle Last des Homeschoolings tragen müssen. Aber sie tun es dennoch – und nehmen den Karriereknick in Kauf. Ist deren Ding, könnte man meinen. Aber wenn mit Renteneintritt die Altersarmut droht und Unterstützung benötigt wird, ist es eben keine individuelle Sache mehr.

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Um drei Jahrzehnte sei der erreichte Fortschritt in puncto Gleichberechtigung zurückgeworfen, befürchtet Prof. Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung. Wenn es nach ihr ginge, müsste man das Ehegattensplitting sofort abschaffen, um Frauen aus der Hausfrauenrolle auf den Wirtschaftsmarkt zu drängen.

Das Alter macht einen Wiedereinstieg schwer

Doch auch die Soziologin gab diese Woche im Interview mit dem „Morgenmagazin“ zu bedenken, dass gerade viele 55- bis 60-Jährige absichtlich nicht in den Jobmarkt zurückkehren, weil es zu schwierig ist, in Vollzeit reinzukommen und mit den Männern Schritt zu halten.

So wie die Kölnerin Maria S. (57, Name geändert). Sie sagt: „Erst bist du lange raus, dann bekommst du vom Arbeitsamt eine Weiterbildung bezahlt, bist auf dem Gebiet superfit. Derzeit ist es aber schwer, in den Markt zu kommen. Den Anschluss, um das alles digital zu wuppen, habe ich leider verpasst.“

Jetzt ist ihr Ziel, mit ihrem Lebenspartner zum Altar zu schreiten: „Damit ich rententechnisch abgesichert bin, falls ihm was passiert.“ Hat schon für so viele Frauen nicht geklappt. Rententechnisch auf den Mann verlassen – mehr Rolle rückwärts geht nicht.

Einen Gegentrend gibt es aber auch: Jetzt viel Geld machen

Corona fördert aber auch eine Gegenbewegung zutage: Frauen wollen sich – und ihre Familie – jetzt vermehrt absichern. „Wer weiß, ob mein Mann noch meine Rente mitfinanzieren kann?“

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Solche Sätze hat Jobprofilerin Katrin Wilkens vor drei Jahren noch nicht gehört. In einem „Spiegel“-Gastbeitrag hofft sie jetzt auf einen „visionären Schub“. Denn in Sachen Job ist „Ich möchte etwas haben, für das ich brenne“ tatsächlich out.

Jetzt wollen viele Frauen einen Job, der „Geld bringt“, in einer „virensicheren Branche“, statt ein veganes Café eröffnen oder einer Yoga-Lehrerausbildung machen.

Anouk Susan sagt: „Denkt an eure Absicherung im Alter!“

Ich werde mich mit aller Kraft dafür einsetzen, dass wir keine Retraditionalisierung haben“, sagte Kanzlerin Angela Merkel kürzlich im Bundestag. Aus gutem Grund, wie Anouk Ellen Susan weiß. Die Kölner Coachin und Autorin („Upgrade Yourself“) schreibt derzeit einen Ratgeber über Frauen und Finanzen: „Frauen beschäftigen sich damit zu wenig, auch, was die Altersvorsorge betrifft. Während knapp ein Drittel aller Männer monatlich 200 Euro zur Seite legt, sind das nur ein Fünftel bei den Frauen.“

Laut Statistischem Bundesamt wandele sich traditionelle Rollenmuster hierzulande nur langsam: „Auch von den jüngeren Frauen in Paargemeinschaften lebte 2014 rund ein Viertel überwiegend von den Einkünften Angehöriger“. Susan legt Frauen deshalb dringend ans Herz, eine finanzielle Aufstellung vorzunehmen, einen Termin bei der Rentenkasse zu machen und sich ausrechnen zu lassen, wie viel sie für ein Auskommen im Alter ansparen müssen. Je früher man damit anfange, desto besser. Denn: „2018 betrug die Durchschnittsrente bei Frauen gerade mal 711 Euro.“