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RTL-DokuSchauspieler Henning Baum macht harten Bundeswehr-Test: „Fehler, nicht mit Soldaten zu reden“

Mit der Waffe in der Hand: Henning Baum (rechts) absolviert Teile der Grundausbildung.

Für Henning Baum wurde es mächtig ernst. Der Schauspieler musste sich in der RTL-Doku „Einsatz für Henning Baum – Was es jetzt heißt, Bundeswehrsoldat zu sein“ beweisen.

Henning Baum mit vollem Körpereinsatz: Vier Monate verbrachte der Schauspieler für eine RTL-Doku bei der Bundeswehr.

Mangelhafte Ausrüstung, rechtsextremistische Verdachtsfälle und weitere Skandale: Seit Jahren dominiert in der Berichterstattung über die Bundeswehr ein eher negatives Bild.

Ob der Perspektivwechsel aufgrund des Krieges in der Ukraine und die von der Bundesregierung zugesicherten 100 Milliarden das Image aufbessern können, bleibt abzuwarten.

Henning Baum für RTL vier Monate bei der Bundeswehr

Doch wie sieht die Realität in der Truppe wirklich aus? Was sind das für Menschen, die dienen und bei Auslandseinsätzen ihr Leben aufs Spiel setzen?

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Henning Baum wollte es genau wissen und verbrachte für eine RTL-Reportage vier Monate bei der Bundeswehr. Und das, wie es sich für einen athletischen und durchtrainierten Schauspieler gehört, mit vollem Körpereinsatz: Der blonde Hüne, der im vergangenen Jahr bereits bei der sächsischen Polizei sekundierte, absolvierte beim „Einsatz für Henning Baum“ (Donnerstag, 21. Juli, 20.15 Uhr, RTL) Teile der Grundausbildung, den Kampfpiloten-Test und einen Flug im Eurofighter.

Ob der „König von Palma“-Darsteller wenige Monate vor seinem 50. Geburtstag an seine körperlichen Grenzen geriet und was ihm die Veteranen von ihren Kriegstraumata berichteten, verrät er im Interview.

Als junger Mann hatten Sie zunächst vor, Wehrdienst zu leisten, entschieden sich dann aber doch für den Zivildienst. Hatte Ihr filmischer Einsatz für Sie auch sozusagen nachholenden Charakter?

Henning Baum: Eigentlich nicht. Das hat für mich nichts damit zu tun. Die Eindrücke, die ich bei den Recherchen gewinnen konnte, sind ja ganz anderer Art, als man das beim Wehrdienst bekommen hätte. Ich habe in den vier Monaten ein sehr breites Spektrum abgedeckt. Dabei machte ich auch Teile der Grundausbildung mit.

Im Februar, da waren die Dreharbeiten zur Doku in vollem Gange, griff Russland die Ukraine an. Hat sich der Blick auf die Bundeswehr seit dem Kriegsbeginn gewandelt?

Henning Baum: Das nehme ich an. Es liegt ja auf der Hand, dass eine Institution wieder einen Sinn bekommt, wenn man sich dieses Sinns gewahr wird. Und wenn dieser Sinn die Landes- und Bündnisverteidigung ist und es einen konkreten Anlass gibt, dann beginnt man, das Ganze wieder zu begreifen. Wenn das verstanden wird, dann sieht der Bürger die Bundeswehr auch wieder anders.

Lange Zeit dominierte ein negatives Bild der Bundeswehr, sie wurde belächelt oder ignoriert, bisweilen kursierten sogar rechtsradikale Skandale. Wie blicken denn die Soldatinnen und Soldaten, die Sie während Ihrer Recherchen trafen, auf diese Wahrnehmung der Truppe?

Henning Baum: Die Diskussion, die hierzulande in den letzten Jahren die Bundeswehr in ein schlechtes Licht gerückt hat, fokussierte vor allem auf Dinge, die nicht funktionierten. Aber ob sie wirklich ein vollständiges Bild der Bundeswehr wiedergegeben hat, vermag ich nicht zu beurteilen. Mein Ansatz war es daher, wirklich mit den Soldatinnen und Soldaten zu sprechen. Ich wollte die Bundeswehr kennenlernen, jenseits der Eindrücke, die ja auch ich in den letzten Jahren aus den Medien hatte. Ich wollte mir selbst ein Bild machen. Spricht man mit jenen, die in den letzten Jahren gedient haben, ist das differenzierter. Die haben ganz andere Probleme – wenn die in Afghanistan unter Feuer standen, ganz auf sich gestellt.

Welchen Eindruck hatten Sie denn vor Ort von den Soldatinnen und Soldaten?

Henning Baum: In meinen Begegnungen erlebte ich sie als sehr aufgeräumte, überlegte und reflektierte Menschen. Bei den Trainings und Lehrveranstaltungen, die ich besuchte, wirkten sie sehr kompetent und trugen ihre Anweisungen deutlich vor. Die Art, wie das Wissen weitergegeben wird, ist sehr motivierend – und würde auch an jeder anderen Stelle unserer Wirtschaft sehr gut funktionieren. Die Art und Weise der Führung war viel weniger rigide und steif, als man das vielleicht annehmen würde. Die Bundeswehr ist kein unbelebter Haufen. Im Gegenteil machten die Menschen, mit denen ich sprach, einen sehr wachen und lebendigen Eindruck.

Berichteten Ihnen die Soldatinnen und Soldaten auch, warum sie sich für den Dienst entschieden?

Henning Baum: Ja, aber mit Verallgemeinerungen kommt man da nicht weiter. Einige stellten während des Wehrdienstes fest, dass ihnen diese Arbeit gefällt und schlugen die Offizierslaufbahn ein. Andere hatte schon abgeschlossene Studien und Berufsausbildungen vorzuweisen und fingen erst mit Ende 20 an. Und dann gibt es noch die sehr jungen Leute, die wissen wollen, aus welchem Holz sie geschnitzt sind.

Sie deuteten es eben schon an: Manche der Menschen, denen Sie begegneten, haben Auslandseinsätze hinter sich. Bekamen Sie auch deren Traumata zu hören?

Henning Baum: Ich habe die Traumata zu hören bekommen. Die Veteranen standen unter extrem hohem Stress. Die hatten tagelang auf einsamsten Außenposten im Feindesland ausgeharrt, mussten sich aus den Notrationen selbst versorgen. Sie standen zu fünft in Unterständen, wie man sie aus dem Ersten Weltkrieg kennt, und hausten in Erdhöhlen. Sie standen teilweise tagelang unter Beschuss und mussten sich mit Maschinengewehr und Langwaffe verteidigen. Das muss man sich mal vorstellen: Vier Tage lang versuchten sich Angreifer ihnen zu nähern und die mussten die abwehren. Die Kugeln flogen ihnen um die Ohren. Das geht nicht an jedem spurlos vorbei. Es sind sehr tapfere Soldaten. Aber dennoch sind das ungeheuerliche Erlebnisse, die die Seelen dieser Menschen nicht unberührt ließen. Ein Arzt würde den Begriff des „Traumas“ verwenden.

Gab es Dienende, die nach derlei Erlebnissen ihrer Entscheidung zum Dienst in der Bundeswehr zweifelten?

Henning Baum: Es gab niemanden, der mir von Zweifeln berichtete. Aber sie sprachen über die psychischen Belastungen. Man kennt ja den Begriff des Posttraumatischen Belastungssyndroms – das hat sich bei einigen auch manifestiert.

Sie verbrachten mit ihnen auch Zeit auf der Stube. Wurden Sie – auch als prominentes Gesicht – gleich gut aufgenommen?

Henning Baum: Genau, ich wohnte mit ihnen auf der Stube. Dort waren die Soldaten mit Anfang 20 noch einmal sehr viel jünger als ich – die könnten ja meine Kinder sein. Aber man geht sehr unbefangen miteinander um. Dass man jemanden schon mal im Fernsehen gesehen hat – das legt sich schnell. Muss man gemeinsam die gleichen Übungen bestehen, kommt man sich rasch näher. Ich hatte keine Sonderstellung; mir wurde nichts erspart.

Sie werden bald 50 – haben Sie Ihre körperlichen Grenzen bei der Bundeswehr zu spüren bekommen?

Henning Baum: Nein. Ich merkte, dass Dinge anstrengend sind. Aber an meine körperlichen Grenzen bin ich nicht gekommen. Mit einer Ausnahme: Der Mitflug im Jet bringt jeden an die Grenzen. Diese Belastung bekam ich zu spüren. Das kann man nicht trainieren. Um das auszuhalten, muss man sich über viele Flugstunden annähern.

Sie absolvierten für Ihre Doku auch die flugmedizinische Untersuchung – etwa in der Zentrifuge. Wie war das?

Henning Baum: Die Zentrifuge ist eine Rotationsmaschine, und man sitzt in einer Kapsel am Ende eines langen Arms. Dabei wird man durch Zentrifugalkräfte zusammengepresst. Das Blut geht aus dem Kopf und irgendwann verliert man das Bewusstsein. Das ist sehr unangenehm. Es gibt Aufnahmen von mir, auf denen man die Veränderung meines Gesichtes sieht: Plötzlich sah ich wie ein 90-Jähriger aus.

Später stiegen Sie dann in einen echten Eurofighter ...

Henning Baum: Ich saß hinter dem Piloten. Wir flogen ein sogenanntes QRA-Manöver – das steht für Quick Reaction Alert. Die Luftwaffe überwacht den Luftraum ja täglich, das wissen viele Bürger gar nicht. Und auch solche Alarme gibt es öfter, wenn Objekte sich in den Luftraum verirren und sich nicht identifizieren. Dann fliegen zwei Jäger raus – und das mit höchster Schubleistung beim Start. Eine ungeheure Beschleunigung; die Jets heben dabei fast senkrecht wie eine Rakete ab. Der Kommodore flog einige Manöver mit mir. Die ungeheure Belastung im Jet kann man sich nicht vorstellen. Wir kennen nichts Vergleichbares. Selbst eine Achterbahn ist Kindergarten dagegen.

Wie wurden Sie im Rahmen des Films dafür vorbereitet?

Henning Baum: Ich musste die mehrtägige Untersuchung mitmachen, einen Test bestehen, lernen, ein Höhentraining und über drei Tage ein Manöver zum Überleben auf See absolvieren. Falls man sich mit dem Schleudersitz über dem Meer herausschießt, muss man wissen, was man macht, wenn man mit dem Fallschirm im Wasser landet. Man lernt dann, wie man sich vom Fallschirm befreit, wie man das kleine Rettungsboot aufbläst, wie man den Funk bedient und wie man sich im Boot verhält, um eine gute Überlebenschance zu haben. Das ist alles relativ komplex. Man kann nicht sagen: Oh, der hat jetzt das Privileg, da mitzufliegen. Denn wenn man mitfliegt, ist man Teil des Systems. Man muss funktionieren und wissen, was zu tun ist. Es könnte ja auch sein, dass der Pilot bewusstlos wird und ich die entsprechenden Maßnahmen einleiten muss.

Hat sich Ihr Blick auf die Bundeswehr nach diesen Erfahrungen in vier Monaten grundlegend geändert?

Henning Baum: Ich hatte zuvor versucht, mir keine vorgefasste Meinung über die Bundeswehr zu bilden. Aber das hat man natürlich zwangsläufig. In den vier Monaten habe ich auch nur einen kleinen, wenn auch größtmöglich erlebbaren Einblick bekommen. Am Ende waren es aber die Begegnungen mit den Menschen, die mich wohl gestimmt haben.

Werden die Soldatinnen und Soldaten zu wenig selbst gefragt - gerade von den Medien?

Henning Baum: Es ist ein Fehler, nicht mit den Soldaten zu reden. Die können konkret etwas dazu sagen. Man sollte sich als Gesellschaft bemühen, das Gespräch zu suchen – gerade auch vonseiten der Politik. Es ist wichtig, sich selbst ein Bild zu machen. Der unmittelbare Kontakt zu den Mitmenschen gibt uns einen anderen Einblick, als wenn wir durchgekaute Drittmeinungen lesen.

Immerhin sprach man einst vom „Bürger in Uniform“ ...

Henning Baum: Dieser Begriff entstand mit Einführung der Bundeswehr, weil man aus der Erfahrung mit der Wehrmacht gelernt hatte. Die Wehrmacht war in der NS-Zeit gewissermaßen ein Staat im Staat – und das in einem Unrechtsstaat. „Bürger in Uniform“ sollte verdeutlichen, dass die Bundeswehr genau das nicht ist. Während etwa der preußische Militarismus eine eigene Kaste hervorbrachte, die gesellschaftlich wenig kontrolliert wurde, ist die Bundeswehr Teil der Zivilgesellschaft und speist sich daraus. Auch deshalb sollte die Zivilgesellschaft im Gespräch mit der Bundeswehr bleiben und sie nicht an den Rand drängen, bis sie bei einer Flutkatastrophe wieder herausgeholt wird.

Hoffen Sie, dass die Dokumentation einen Beitrag leisten kann, diesen Dialog wieder zu fördern?

Henning Baum: Das ist ganz klar meine Absicht. Der Zweck ist im Grunde, die Zivilgesellschaft zu stärken. Das geht über Verständigung. So eine Dokumentation kann einen Austausch bewirken und in Gang setzen. Die Bürger bekommen Einblicke und können angeregt werden, nachzudenken. (tsch)