MaiThink X – Die ShowModeratorin will sich „politisch einmischen, um Neutralität zu wahren“

Mai Thi Nguyen-Kim lächelt in die Kamera.

Wissenschafts-Journalistin Mai Thi Nguyen-Kim, hier im August 2021, geht mit ihrer ZDFneo-Show in die zweite Runde.

Mit pointierten Beiträgen wurde sie bekannt. Nun geht Mai Thi Nguyen-Kim mit ihrer eigenen ZDFneo-Show in die zweite Runde. Im Interview spricht sie über den Reiz des Fernsehens, Humor und Politik in der Wissenschaft.

Als Aufklärerin im Namen der Wissenschaft steht Mai Thi Nguyen-Kim (34) schon seit einiger Zeit im Rampenlicht. Vielfach wurde die promovierte Chemikerin ausgezeichnet, unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz.

Bekannt geworden durch ihren YouTube-Kanal, auf dem sie sich etwa pointiert und polarisierend zur Corona-Impfung äußerte, mischt die 34-Jährige seit Herbst vergangenen Jahres auch im ZDF gewaltig mit: Und das nicht nur als neue Moderatorin des Wissenschafts-TV-Urgesteins „Terra X“, sondern bei ZDFneo gleich mit ihrer eigenen Sendung „MaiThink X – Die Show“.

Nach den ersten sechs Episoden geht die zwischen Forschung, Unterhaltung und gesellschaftlich relevanten Fragen oszillierende Show nun in die zweite Runde (ab 6. März, immer sonntags, 22.15 Uhr). Zeit für ein Zwischenfazit – über das Potenzial ihres Formats, den Reiz des linearen Fernsehens und die Frage, wie viel Humor und Politik die Wissenschaft verträgt.

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„MaiThink X“: Mai Thi Nguyen-Kim im Interview

Die ersten Folgen „MaiThink X – Die Show“ sind gelaufen. Wie zufrieden sind Sie?

Mai Thi Nguyen-Kim: Dafür, dass es die erste Staffel war, bin ich super zufrieden. Für die Show an sich hab ich noch viele Ideen, um sie zu verbessern – aber das war ja abzusehen. Insgesamt ist es eine tolle Arbeit, vor allem in der Redaktion.

Inwiefern?

Nguyen-Kim: Allein die Redaktionssitzungen sind oft megawitzig. Ich sitze da mit meiner Wissenschaftsredaktion – bestehend aus einem Neurologen, einem Biologen und mir. Und dann sind da die Leute, die für Jan Böhmermann die Witze geschrieben haben. Es ist urkomisch, wenn die mit uns Hardcore-Nerds darüber diskutieren, ob ein Witz noch ausreichend korrekt ist – oder falls er korrekt ist, ob er dann noch witzig ist.

Was ist für Sie der wesentliche Unterschied zu Ihren YouTube-Formaten?

Nguyen-Kim: MaiLab mache ich nach wie vor – gerade wenn es um hohe Informationsdichte und Aktualität geht, etwa beim Thema Corona. Da geht es nicht so sehr darum, wie es vor der Kamera aussieht. Bei der TV-Show hingegen habe ich die Hoffnung, auch ein breiteres Publikum anzusprechen.

Ich will Leute erreichen, die nicht wissen, dass sie Nerds sind. Menschen sollen ihren inneren Nerd entdecken (lacht). Bei MaiLab kann ich richtig „abnerden“ – wer das Video geklickt hat, wollte es ja nicht anders. Das ist bei einer linear laufenden Sendung ganz anders. Man hofft auch Leute abzuholen, die die Sendung vorher geschaut haben – also in unserem Fall die Wiederholung der „heute-show“ – und dann hängen bleiben.

Nguyen-Kim: „Fernsehen ist für mich die spannendere Welt“

Ist das Fernsehen für Sie noch eine „neue Welt“?

Nguyen-Kim: Das Fernsehen ist für mich die spannendere Welt. Es gibt in der heutigen Medienwelt die ganzen Online-Formate – und da finde ich es interessant, welche Rolle das Fernsehen dabei einnimmt. Es hat immer noch die größte Reichweite. Die öffentlich-rechtlichen Polittalkshows erreichen nicht nur die meisten Leute, sondern prägen den gesamten öffentlichen Diskurs. Am nächsten Tag schreiben sämtliche Zeitungen darüber. Deshalb ist es nicht damit getan, zu sagen: Fernsehen stirbt aus. Das stimmt ja nicht. Es ändert sich vielmehr.

Nguyen-Kim: „Wissenschaft wurde im Fernsehen bisher zu vorsichtig und seicht gezeigt“

Ändert sich auch die Darstellung von Wissenschaft im Fernsehen?

Nguyen-Kim: Wissenschaft wurde im Fernsehen bisher zu vorsichtig und seicht gezeigt. Weil man den Leuten nichts zutraut. Dahingehend sehe ich im TV Luft nach oben. Das kann man ändern. Die Show fühlt sich deshalb an wie ein kleines Forschungsprojekt.

Haben Sie früher selbst Wissenschaftsfernsehen geschaut – und gibt es Vorbilder?

Nguyen-Kim: Ich fand Wissenschaftsshows auch immer toll. Aber ich denke nicht, dass ich deswegen Chemie studiert hätte. Auch für die Schule haben mich diese Sendungen eher nicht motiviert. Ich hatte viele Dinosaurier- und Weltallbücher, aber eine Sendung, die ich Hammer fand, war „Es war einmal das Leben“.

Die hat mich als Kind sehr begeistert – und eigentlich bis heute (lacht). Das lag vielleicht auch daran, dass eine der Hauptfiguren eine Frau war, die schwarze Haare und eine etwas dunklere Haut hatte. Die fand ich immer so cool und stark und hübsch! Weil sie mir ein bisschen ähnlich sah, wollte ich so sein wie sie.

Sehen Sie sich heute selbst als eine Art Role Model für junge Frauen?

Nguyen-Kim: Ich werde immer gefragt, wie wichtig es mir ist, Frauen und Mädchen anzusprechen. Das mache ich gar nicht so schrecklich bewusst. Schließlich bearbeite ich eher die Themen, die mich selbst interessieren. Dabei gehe ich eher von mir aus. Aber es ist ein wichtiger und schöner Nebeneffekt meiner Fernsehpräsenz, dass ich dabei auch Menschen abhole, die sich vielleicht sonst auf den ersten Blick ausgeschlossen fühlen.

Hoffen Sie, im ZDF auch verschiedene Generationen ansprechen zu können?

Nguyen-Kim: Es gab schon zu meiner Zeit beim WDR zwei klare Zielgruppen: einmal junge Menschen um die 20, Studierende oder Azubis. Die zweite Gruppe aber waren typische WDR-Zuschauer, etwa im Alter meiner Eltern oder älter, die mich dann im Café ansprachen, dass sie meine Sendung gesehen hätten. Das fand ich immer cool. Ich würde es super finden, Rentnerinnen und Rentner begeistern zu können. Der ZDF-Zuschauer ist ja grundsätzlich ein wenig älter als das Publikum bei YouTube. Vielleicht bekomme ich mit meiner Show eine viel buntere Mischung – so wie ich sie ein wenig schon von meinen Lesungen kenne.

Müssen Sie nicht dennoch aufpassen, im Duktus der Sendung nicht nur auf ein junges Publikum zu zielen?

Nguyen-Kim: Heute ist medial alles so fragmentiert und nischig, schon ich verstehe die popkulturellen Referenzen der 20-Jährigen nicht mehr. Und sicherlich spreche ich mit manchen meiner Witze vielleicht eher Menschen in meinem Alter an. Aber das überaus Dankbare an der Wissenschaft – sie ist grundsätzlich nicht altersbegrenzt. Ich wüsste nicht, mit welchen Inhalten man das sonst schaffen würde.

Nguyen-Kim: „Ich bin überzeugt, dass Wissenschaft zur Versachlichung beiträgt“

Welche Rolle spielt dabei das konkrete Thema einer Sendung? Neben eher klassischen Wissenschaftsthemen geht es in Ihrer Show ja auch polarisierend zu – etwa beim Thema „Meinungsfreiheit“.

Nguyen-Kim: Ja, wir haben auch schon negative Zuschriften erhalten. Aber das sind für mich die wirklich spannenden Themen. Was die großen Wissenschaftsfragen angeht – Woher kommt das Leben? Oder: Wie alt ist das Weltall? - lebe ich mich bei „Terra X“ aus. Bei „MaiThink X“ ist das anders. Ich möchte auf kontroverse Themen setzen und Dinge besprechen, die viel diskutiert werden. Ich bin überzeugt, dass Wissenschaft zur Versachlichung beiträgt.

Können Sie das ausführen?

Nguyen-Kim: Ich meine damit nicht, dass die Wissenschaft einem sagt, was richtig oder falsch ist. Wissenschaft muss nicht sagen, auf welcher Seite man zu stehen hat. Aber: Je mehr man über ein Thema weiß, desto differenzierter wird die eigene Meinung zwangsläufig. Je mehr man sich mit einer Sache beschäftigt, desto mehr Nuancen findet man. Diese Komplexität, diese Details sind für mich die Essenz von Wissenschaft. Wenn man sich auf einer Meta-Ebene mit den wissenschaftlichen Basics zu einem kontroversen Thema beschäftigt, bricht allein schon deswegen das Schwarz-Weiß-Denken auf. Oft merkt man dann: Das ist viel komplizierter als ich dachte, und einfache Antworten gibt es nicht.

Haben wissenschaftliche Themen in diesem Sinne immer auch eine politisch-gesellschaftliche Ebene?

Nguyen-Kim: Natürlich hat Wissenschaft den Anspruch, sachlich und frei von Politik zu sein. Das ist aber ein theoretischer Anspruch, der in der Praxis jedoch eine Utopie ist. Wissenschaft findet nicht in einem Vakuum statt, sondern wird von Menschen gemacht. Sie wird in einem gesellschaftlichen Kontext angewendet – und natürlich auch in einem politischen. Wie politisch Wissenschaft ist, muss man seit Corona nicht mehr erklären.

Bedeutet das auch, sich als Wissenschaftlerin politisch zu engagieren?

Nguyen-Kim: Meine Überzeugung ist: Man muss sich manchmal politisch einmischen, um Neutralität zu wahren. Wenn man sich raushält und vermeintlich neutral bleibt, wird das Narrativ von anderen gekapert. Ich finde, man muss gerade deshalb mitreden und sich in die politische Diskussion einbringen.

Spiegelt sich das in der Redaktion?

Nguyen-Kim: Wir diskutieren viel über den Kontext, da geht es viel um Framing und dergleichen. Wir wollen natürlich korrekt sein und keine blinden Flecken haben. Man kann auch nicht pauschal sagen, wie viel Humor Wissenschaft verträgt. Das ist eine Herausforderung und wir lernen mit jeder Sendung dazu. (tsch)