Mit dem Ende der Ampel-Koalition zog sich Ricarda Lang als Grünen-Chefin zurück. Doch um klare Worte ist sie weiterhin nicht verlegen: Bei „Markus Lanz“ äußerte sie sich zum Richterwahl-Debakel um Frauke Brosius-Gersdorf - geriet aber unter anderem beim Thema Gendern in Bedrängnis.
Markus LanzGender-Aussage von Ricarda Lang „grotesk“
Aktualisiert
Das Richterwahl-Debakel um Frauke Brosius-Gersdorf bescherte der Regierung im August einen ersten Imageschaden. Unter anderem, weil sich die Juristin sich in der Vergangenheit kontrovers zum Thema Schwangerschaftsabbruch geäußert hatte, sah sie sich heftigen Beleidigungen ausgesetzt und wurde als linksradikal bezeichnet.
In der Folge zog Brosius-Gersdorf ihre Kandidatur zurück. Bei „Markus Lanz“ verteidigte sie ihre Entscheidung nun und verdeutlichte: „Wenn Sie keine Wahlchance mehr sehen, dann müssen Sie sich auch nicht noch wochenlang durch den Kakao ziehen lassen.“
Symptomatisch für die heutige Debattenkultur in Deutschland
Journalistin Hannah Bethke stimmte zu und erklärte, dass die Debatte um Frauke Brosius-Gersdorf symptomatisch für die heutige Debattenkultur in Deutschland sei. „Ich finde, dass der Fall (...) einen Tiefpunkt darstellt in den vergangenen Monaten im politischen Berlin - und das liegt (...) auch am Verschulden der Union.“
Die Journalistin prangerte an, dass „sehr schnell kenntnislos einfach drauf losgeredet und polarisiert“ werde. Mit Blick auf die Juristin ergänzte sie: „In diesem Fall ist es mit einem richtigen Verschulden verbunden, (...) weil eine Person beschädigt worden ist.“

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Journalistin Hannah Bethke (rechts) sagte, dass der Fall von Frauke Brosius-Gersdorf „einen Tiefpunkt darstellt in den vergangenen Monaten im politischen Berlin“. (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)
Ex-Grünen-Chefin Ricarda Lang nickte und sah die Schuld für die Polarisierung auch bei CDU-Politikern wie Jens Spahn. Dennoch räumte sie selbstkritisch ein: „Wir springen natürlich auch über viele Stöckchen. (...) Alle werfen sich gegenseitig Empörung vor. Alle werfen sich gegenseitig Spaltung vor, während diejenigen, die von Spaltung profitieren, sich dabei ins Fäustchen lachen.“
„Hat viel Schaden angerichtet“: Journalistin stellt Politik der Grünen schlechtes Zeugnis aus
In dem Zusammenhang warnte Frauke Brosius-Gersdorf eindringlich vor den Folgen, die das Richterwahl-Debakel haben könnte. Künftige Richteranwärter könnten demnach schneller politisch in den Fokus geraten und öffentlich zerrissen werden: „Das beschädigt die Wissenschaft. Das beschädigt das Bundesverfassungsgericht und, ich glaube, das beschädigt im Ansehen der Öffentlichkeit (...) auch die Politik.“
Ricarda Lang fügte derweil hinzu, dass bei all den hitzigen Debatten der Blick auf die wichtigen Themen, die die Wähler wirklich beschäftigen, häufig verloren gehe: „Eine Bundesregierung, die aus eigenen Streitgründen nicht mehr in der Lage ist, mit ihren Bürgern zu reden, (...) die wird diese Bürger verlieren.“

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Ex-Grünen-Chefin Ricarda Lang stellte bei „Markus Lanz“ klar: „Ich habe meinen Rücktritt nie bereut.“ (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)
Lanz sprach die ehemalige Grünen-Chefin daraufhin auf ihren eigenen Rücktritt an.
Ricarda Lang gab offen zu, dass sie sich manchmal wünsche, früher Klartext geredet zu haben. Dennoch stellte sie klar: „Ich habe meinen Rücktritt nie bereut. Nicht einen Tag lang.“
Mit Blick auf die Polarisierung im Land merkte Journalistin Hannah Bethke derweil an, dass die Grünen einen großen Anteil daran haben, denn: „Es ist über einen langen Zeitraum von linker Seite mit einer Vehemenz und Aggressivität die linke Identitätspolitik vorangetrieben worden - dazu gehört das Gendern, (...) dazu gehört dieses Bild vom alten weißen Mann.“ Bethke zeigte sich überzeugt: „Das hat ganz viel Schaden angerichtet!“
Ricarda Lang über das Gendern: „Es gibt keinen grundsätzlichen Zwang“
Journalistin Julia Löhr stimmte zu und erklärte mit ernster Miene: „Das ging ja viel weiter. (...) Es ging nicht nur um den alten weißen Mann, sondern den, der das Nackensteak auf den Grill legt, der den Diesel in der Garage hat und eine Ölheizung im Keller hat.“
Löhr ergänzte: „Die Grünen treten wie keine andere Partei für Veränderungen ein. Sie wollen die Gesellschaft ändern und das trifft in einer alternden, sehr auf Sicherheit bedachten (...) Gesellschaft (...) auf sehr viel Widerstand.“

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Am Donnerstagabend beschäftigte die Runde bei „Markus Lanz“ unter anderem der Stand der Debattenkultur in Deutschland. (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)
Diesen Vorwurf wollte Ricarda Lang nicht unkommentiert gefallen lassen. Sie konterte, dass sie in ihrer Zeit als Grünen-Chefin nie den Fokus auf das Gendern legen wollte, sondern die Debatte häufig künstlich in den Fokus gestellt wurde. „An vielen Stellen wurde da einfach mit kompletten Zerrbildern gearbeitet“, beklagte Lang.
Laut der Politikerin habe es von Seite der Grünen nie „einen Genderzwang gegeben“. Hannah Bethke reagierte irritiert und tat die Aussage als „grotesk“ ab: „Das ist doch jetzt nicht alles ausgedacht!“ Ricarda Lang ließ sich davon jedoch nicht beirren und wiederholte: „Es gibt keinen grundsätzlichen Zwang.“
Stattdessen stichelte sie gegen den bayerischen Ministerpräsidenten, der laut Lang ein Gender-Verbot durchsetzen wolle: „Wenn jemand Verbote beim Thema Sprache macht, dann ist das alleine Markus Söder.“ (tsch)