„Aktenzeichen XY... Vorsicht, Betrug!“Rudi Cerne: „Ich bin nicht ängstlich, aber umsichtig“

Betrugsversuche nehmen seit Jahren zu. Welche Maschen derzeit besonders weit verbreitet sind und wie sich Verbraucherinnen und Verbraucher schützen können, erläutert Rudi Cerne im Interview zum ZDF-Format „Aktenzeichen XY ... Vorsicht, Betrug!“

„Ich bin schon von Natur aus ein vorsichtiger Mensch“, sagt Rudi Cerne (66). Diese Eigenschaft habe sich durch die Arbeit bei „Aktenzeichen XY ... Ungelöst“ in den vergangenen Jahrzehnten verstärkt.

2002 übernahm der heute 66-jährige Moderator die 1967 von Eduard Zimmermann erfundene True-Crime-Reihe im ZDF. Handelt die Hauptssendung von ungeklärten Kapitalverbrechen, möchte der Ableger „Aktenzeichen XY ... Vorsicht, Betrug!“ (Mittwoch, 28. Mai, 20.15 Uhr, ZDF) verhindern, dass es überhaupt erst zu weiteren Betrugsdelikten kommt.

Welche Maschen stecken hinter dem sogenannten „A.M.I.G.A.“-Syndrom

Welche Maschen bei Betrügern derzeit beliebt sind und was sich hinter dem sogenannten „A.M.I.G.A.“-Syndrom verbirgt, erläutert Cerne im Interview.

Alles zum Thema ZDF

teleschau: „Vorsicht, Betrug!“ heißt es wieder bei „Aktenzeichen XY“. Wurden Sie selbst schon einmal Opfer eines Betrugs?

Rudi Cerne: Ich bin schon einmal auf eine falsche Plattform hereingefallen, auf der Designermöbel verkauft wurden. Das waren vier Stühle und ein Tisch. Die Firma hatte einen sehr ansprechenden Namen. Ich habe die Ware dann für 2.500 Euro bestellt. Das Geld ging sofort runter vom Kreditkartenkonto. Die Möbel wurden aber nie geliefert. Das Geld konnte ich glücklicherweise über die Kreditkartenversicherung zurückholen. Ich habe mir dann aber an den Kopf gefasst, weil ich auf den Rat, den man immer wieder hört, nicht befolgt habe: Ich habe nicht das Impressum gelesen. Da stand, dass diese Firma aus Irland kam. Das hätte mir sehr verdächtig vorkommen müssen.

teleschau: Wurden Sie als „Aktenzeichen XY“-Moderator im Laufe der Jahre misstrauischer?

Cerne: Misstrauisch ist vielleicht der falsche Ausdruck, aber ich bin wesentlich vorsichtiger geworden. Ich bin allerdings schon von Natur aus ein vorsichtiger Mensch und durch die Sendung in meiner Vorsicht bestätigt worden. Ich bin nicht ängstlich, aber umsichtig.

Rudi Cerne moderiert „Aktenzeichen XY... Ungelöst“ seit mehr als 20 Jahren.  (Bild: ZDF/Tobias Schult)

Rudi Cerne moderiert „Aktenzeichen XY... Ungelöst“ seit mehr als 20 Jahren. (Bild: ZDF/Tobias Schult)

teleschau: Wie äußert sich das?

Cerne: Ich bin jemand, der körperlichen Auseinandersetzungen ganz weit aus dem Weg geht. Ich bin im Ruhrgebiet groß geworden, und wenn ich auf dem Heimweg zusammen mit anderen merke, da braut sich was zusammen in der Gruppe, die uns entgegenkommt, dann wechseln wir die Straßenseite. Daran hat sich mein Leben lang nichts geändert, außer dass ich inzwischen abends oder in der Nacht nicht mehr ganz so oft unterwegs bin.

Rudi Cerne: „Die Betrüger sind raffinierter als früher“

teleschau: Betrugsversuche nehmen seit Jahren zu. Glauben Sie, dass wir als Gesellschaft naiver geworden sind - oder sind die Täter einfach raffinierter als früher?

Cerne: Die Betrüger sind raffinierter. Das hat gerade im Internet Hochkonjunktur. Wenn ich da zum Beispiel an Love Scamming denke: Das ist die moderne Form vom Heiratsschwindel, wenn jemandem vorgegaukelt wird: Ich bin dein Traummann! In Wirklichkeit verbirgt sich dahinter eine Organisation, die massenhaft Menschen reinlegt, zum größten Teil Frauen.

teleschau: Würden Sie sagen, dass der Trend allgemein immer mehr in Richtung Online-Betrug geht?

Cerne: Auf jeden Fall! Sie haben es ja sicher auch schon einmal erlebt, dass Sie von einer vermeintlichen Bank eine Mail bekommen mit der Warnung vor gefälschten Mails, die nichts anderes vorhaben, als an Ihre Daten heranzukommen. Die behaupten dann: „Ihr Konto wird in drei Tagen gesperrt, wenn Sie nicht Ihre Daten, also Ihren Namen, Ihre EC-Kartennummer und Ihre Pin eingeben.“ So weit ist es bei mir noch nie gekommen, weil ich solche Mails sofort lösche. Das kann ich auch nur jedem raten. Denn sobald man in der falschen Mail auf irgendeinen Link klickt, sitzt man oftmals schon in der Falle.

teleschau: Was raten Sie den Menschen darüber hinaus, um sich vor Betrügern zu schützen?

Cerne: In letzter Zeit sehe ich oft verlockende Apps mit Fitness-Übungen. Nach einem kostenlosen Testzeitraum kann es passieren, dass man ungewollt in ein kostenpflichtiges Abo reinrutscht, aus dem man nicht mehr leicht rauskommt, weil Mails nicht beantwortet werden. Da empfehle ich, vor dem Download auf die Erfahrungsberichte im Internet zurückzugreifen. Meistens gibt es auf Verbraucherwebsites wie „Trustpilot“ schon entsprechende Bewertungen, anhand derer einem klar wird, dass so eine App mit Vorsicht zu genießen ist.

„Man kann nur immer wieder neu sensibilisieren“

teleschau: Welche Betrugsmasche der vergangenen Jahre hat Sie persönlich am meisten überrascht?

Cerne: Das ist tatsächlich dieses Love Scamming. Dating Plattformen sind grundsätzlich nichts Schlechtes. Aber es kann passieren, dass sich dort Betrüger reinhacken, meistens ist das eine Organisation, die irgendwo im Ausland sitzt. Die verwendet dann gefälschte Bilder. Da taucht plötzlich ein Traummann auf. Das Opfer nimmt mit dem dann Kontakt auf. Man verabredet sich zum FaceTime-Call, doch dann kann der Traummann plötzlich keine Verbindung herstellen, das Opfer hat aber das Gefühl, dem Angebeteten schon ganz nah zu sein. Dann bricht die Leitung ab, und später meldet er sich wieder mit einer Ausrede. Das perfide Spiel wir immer weiter fortgesetzt. Schließlich geht es um Geld, natürlich mit dem Versprechen, alles zurückzuzahlen. Er tischt die Geschichte von einer Tragödie im Ausland auf. Am Anfang bittet er vielleicht um 3.000 Euro, am Ende sind es sechsstellige Beträge. Erst kürzlich las ich in einem Artikel, dass eine Frau bei dieser Masche ihre komplette Altersvorsorge von 350.000 Euro verloren hat. Da denkt man sich natürlich: „Das kann doch gar nicht sein!“ Doch es handelt sich dabei oft um ein sogenanntes „A.M.I.G.A.“-Syndrom. Das steht für „aber meiner ist ganz anders“. Mit diesem Argument wehren Opfer von Love Scamming oft Warnungen von Freunden ab.

Dubiose Online-Coaches locken mit vorgetäuschtem Luxus. Wer darauf hereinfällt, verliert womöglich viel Geld. Das Phänomen ist am Mittwoch, 28. Mai, Thema bei „Aktenzeichen XY... Vorsicht, Betrug!“. (Bild: ZDF/Saskia Pavek)

Dubiose Online-Coaches locken mit vorgetäuschtem Luxus. Wer darauf hereinfällt, verliert womöglich viel Geld. Das Phänomen ist am Mittwoch, 28. Mai, Thema bei „Aktenzeichen XY... Vorsicht, Betrug!“. (Bild: ZDF/Saskia Pavek)

teleschau: Vor gewissen Betrugsmaschen - sei es Love Scamming oder die gefälschte SMS „Hallo Mama, hier ist meine neue Nummer“ - wird seit Jahren nicht nur bei „Aktenzeichen XY“ immer wieder gewarnt. Frustriert es Sie manchmal, dass Ihre Warnungen nicht besser fruchten?

Cerne: Nein. Man kann nur immer wieder neu sensibilisieren. Ein Beispiel sind diese Schockanrufe: Ein Betrüger meldet sich und sagt: „Hier ist die Polizei. Ihr Sohn hat in Frankfurt eine Schweizer Bürgerin totgefahren und sitzt jetzt ein. Er kommt nur raus, wenn Sie 30.000 Euro Kaution hinterlegen.“ Eine absolute Stresssituation, die einen überfordert. Die Opfer sind meist ältere Menschen. Einem Bekannten ist das tatsächlich widerfahren.

teleschau: Das müssen Sie genauer erzählen ...

Cerne: Seine Mutter wurde von einem falschen Polizisten angerufen und dazu gedrängt, Geld zu überweisen. Das hat sich dann durch Zufall ganz schnell aufgeklärt, weil der Sohn seine Mutter kurze Zeit später angerufen hat. Die Mutter fiel aus allen Wolken und sagte: „Ich dachte, du bist in Untersuchungshaft“ - „Nein, nein. Wie kommst du darauf?“ Zum Glück hatte die Mutter zu diesem Zeitpunkt noch kein Geld an die Betrüger überwiesen.

„Anzeige erstatten geht bei uns in der Sendung nicht“

teleschau: Welche Rolle spielt Ihre Sendung bei der Prävention derartiger Fälle?

Cerne: Diese Aufklärungsarbeit ist unerlässlich: Den Menschen zu zeigen, wie die Maschen laufen, und wie das anfängt und am Ende meistens in einer finanziellen Katastrophe endet. Darüber müssen wir berichten. Wir wollen den Menschen auf der einen Seite zeigen, was schon alles passiert ist, und ihnen auf der anderen Seite klarmachen, worauf sie achten sollen.

Seit 1987 ist Rudi Cerne mit Christiane Cerne verheiratet. Die beiden haben eine 1990 geborene Tochter namens Elisabeth.  (Bild: 2024 Getty Images/Alexander Hassenstein)

Seit 1987 ist Rudi Cerne mit Christiane Cerne verheiratet. Die beiden haben eine 1990 geborene Tochter namens Elisabeth. (Bild: 2024 Getty Images/Alexander Hassenstein)

teleschau: Wie kommen Sie auf die Themen, die Sie bei „Aktenzeichen XY ... Vorsicht, Betrug!“ behandeln? Recherchieren Sie die selber oder bittet Sie die Polizei, auf bestimmte Maschen aufmerksam zu machen?

Cerne: Sowohl als auch: Wir bekommen Zuschriften von Zuschauerinnen und Zuschauern. Gerade bei der „Vorsicht. Betrug!“-Reihe ist das ganz eklatant, dass sich Menschen melden und sagen: „Ja, mir ist das auch passiert. Ich habe mich bislang geschämt, damit zur Polizei zu gehen. Aber jetzt möchte ich das tun und bei Ihnen in der Sendung Anzeige erstatten.“ Anzeigen können wir in der Sendung nicht entgegennehmen dazu muss man zu Polizei gehen. Aber man kann den betroffenen Anrufern natürlich Ratschläge geben. Damit sind die Beamten vom LKA in der Sendung immer gut beschäftigt.

teleschau: Werden Sie auch persönlich angesprochen und um Rat gefragt?

Cerne: Natürlich kommt es vor, dass ich persönlich von Menschen angesprochen werden. Im Urlaub auf Fuerteventura gerade wieder war das der Fall. Eine Frau fragte, ob ich helfen könnte. Ich kann dann nur auf die Ermittlungsbehörden verweisen. Meine Antwort: „Ich kann Ihnen nicht helfen, weil ich kein Polizist bin. Ich kann Ihnen nur raten, zur Polizei zu gehen.“ Es gibt übrigens eine gute Einrichtung, um vorzubeugen, wenn es um Einbruchssicherheit geht. Das ist die polizeiliche Kriminalprävention. Ein Polizist kommt zu ihnen, überprüft ihr Eigenheim auf Sicherheitsmängel und gibt wertvolle Ratschläge. In manchen Bundesländern ist das kostenfrei.

„Unsere Aufklärungsquote liegt bei knapp 40 Prozent seit 1967“

teleschau: Neben der Sondersendung „Vorsicht, Betrug!“ berichten Sie bei „Aktenzeichen XY ... Ungelöst“ seit über 20 Jahren über schwere Kapitalverbrechen und erreichen damit gute Quoten. Wie zufrieden sind Sie mit Ihren Erfolgen?

Cerne: Unsere Aufklärungsquote liegt bei knapp 40 Prozent seit 1967. Das ist eine beeindruckende Zahl. Das freut mich gerade bei Cold Cases. Der Kölner Karnevalsmord wurde 36 Jahre nach der Tat aufgeklärt, weil sich ein ehemaliger Bekannter des Mörders bei „Aktenzeichen XY“ gemeldet hatte. Der Täter ist inzwischen rechtskräftig verurteilt worden. Das bestätigt uns in unserer Arbeit.

teleschau: Zum Abschluss ein Blick in Zukunft: Gibt es Pläne, die Marken von „Aktenzeicehn XY“ noch weiter auszubauen?

Cerne: Es gibt schon diverse Spin-offs. Im Vergleich zu den Anfangsjahren hat das ZDF von zehn auf zwölf und inzwischen auf 14 reguläre Sendungen pro Jahr erhöht. Wir haben einen erfolgreichen Podcast, in dem Ermittler, Rechtsanwälte, Staatsanwälte und Betroffene zu Wort kommen. Das ist sehr spannend und für mich ein neuer Erfahrungsbereich. Ich warte einfach, was noch auf mich zukommt. Ich bin ja noch jung. (lacht) (tsch)