Nach der zunächst gescheiterten Wahl der Richter für das Bundesverfassungsgericht am Freitag herrscht Streit in der Regierungskoalition. Am Dienstagabend macht Grünen-Chefin Franziska Brantner der Union bei Sandra Maischberger im Ersten deswegen schwere Vorwürfe.
„Das ist das Unding, um das es geht“Grünen-Chefin macht Union nach gescheiterter Richterwahl schwere Vorwürfe

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Grünen-Chefin Franziska Brantner machte Dorothee Bär von der CSU bei „Maischberger“ schwere Vorwürfe. (Bild: WDR/Oliver Ziebe)
Es ist der vergangene Freitag. Im Bundestag steht die Wahl von drei Bundesverfassungsrichtern an. Eigentlich kein Ding. Doch dann wird die Wahl vertagt.
Grund ist ein Richterinnen-Vorschlag der SPD: Frauke Brosius-Gersdorf. Sie habe die Beseitigung von AfD-Wählern gefordert, sich während Corona für eine Impfpflicht ausgesprochen und wolle Abtreibungen legalisieren, heißt es.
„Kann ich überhaupt nicht nachvollziehen“: CSU-Politikerin spricht nach gescheiterter Richterwahl Klartext
Später entkräftet die Juristin alle gegen sie erhobenen Vorwürfe. Einen österreichischen Plagiatjäger hat sie angezeigt. Der hatte ihr unsaubere Zitate in einem Beitrag vorgeworfen, später aber behauptet, von Plagiaten habe er nie gesprochen.
Dennoch: Eine große Zahl CDU-Hinterbänkler lehnt die SPD-Kandidatin ab, die nicht die notwendige Zweidrittel-Mehrheit der Bundestagsabgeordneten zu bekommen droht. Die SPD ist stinksauer, Grüne und Linke noch mehr. Die AfD lacht sich wieder mal ins Fäustchen.
Also: Gibt es eine Staatskrise? Das will Sandra Maischberger am Dienstagabend von Bundesforschungsministerin Dorothee Bär von der CSU und der Grünen-Chefin Franziska Brantner wissen.
Zunächst geht es in der Diskussion ein wenig um Umwelt- und Klimapolitik. Man plänkelt ein wenig herum. Doch dann geht es auch um die Richterwahl.
Dort hatte Unions-Fraktionschef Jens Spahn offenbar die Zeichen nicht erkannt, die Wahl von Frauke Brosius-Gersdorf versprochen. Dann waren ihm mehrere CDU-Abgeordnete in den Rücken gefallen. „Ist Jens Spahn als Fraktionsvorsitzender der falsche Mann am falschen Ort?“, fragt Moderatorin Sandra Maischberger die Forschungsministerin von der CSU.

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Sandra Maischberger (rechts) hat in ihrer Talkshow über die gescheiterte Richterwahl gesprochen. (Bild: WDR/Oliver Ziebe)
„Nein, überhaupt nicht“, antwortet die. Und fügt hinzu: „Jens Spahn ist ein sehr, sehr guter Fraktionsvorsitzender. War die letzte Woche eine Sternstunde im Parlament? Sicherlich nicht. Hätte man vielleicht im Vorfeld an der einen oder anderen Stelle eine Bremse reinhauen müssen? Definitiv. Aber da jetzt eine Riesenstaatskrise daraus zu machen, erschließt sich mir nicht.“ Gleichzeitig kritisiert Bär den Umgang mit der Affäre um Brosius-Gersdorf - und auch, wie diese damit klarkommt.
Bär: „Ich finde jetzt diese Mär, die darum gesponnen wird, ein bisschen putzig: Dass keine Kritik geübt werden darf an einer Richterin, einer Wissenschaftlerin, einer Frau, das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen, denn ich glaube, wir tun Frauen auch keinen Gefallen, wenn wir uns nicht mit ihren Inhalten auseinandersetzen dürfen. Und ein bisschen Resilienz und ein bisschen Kritikfähigkeit erwarte ich auch von jemandem, der sich in das höchste deutsche Gericht wählen lassen möchte.“
Grünen-Chefin Brantner sieht das anders. Die Stabilität demokratischer Institutionen wie dem Bundesverfassungsgericht müsse über allem stehen. Darauf habe man sich in Deutschland geeinigt. „Diesen Konsens hat die CDU/CSU jetzt aufgebrochen. Und das ist, was so gefährlich ist.“
Es sei völlig normal, dass man in einem Bewerbungsverfahren Kandidaten für das Verfassungsgericht ablehne, sagt Brantner, „aber wenn man sich dann geeinigt hat, und vor allen Dingen im Richterwahlausschuss mit Zweidrittelmehrheit dafür gestimmt hat, in dem alle Fraktionen sitzen, um dann diese Frau tagelang durch die Manege zu ziehen, um sie am Freitag nicht zu wählen - das ist das Unding, um das es geht.“
Nach dem Scheitern von Friedrich Merz als Bundeskanzler im ersten Wahlgang habe man sich das zweite Mal nicht auf die CDU verlassen können. Jetzt gehe es um das höchste Richteramt. „Das hat mit mehr zu tun als nur mit Parteipolitik“, so Brantner.
Dorothee Bär erwartet von Frauke Brosius-Gersdorf, „dass sie für sich selbst überlegt, ob sie die Richtige ist“
Dorothee Bär hat für das Argument der Grünen-Chefin kein Verständnis. Es gebe ein mehrstufiges Wahlverfahren für das Amt der Richterin. Gegen Brosius-Gersdorf seien nach der Entscheidung des Richterwahlausschusses Zweifel laut geworden. „Was ich viel feiger gefunden hätte wäre, wenn man gesagt hätte: Richterwahlausschuss ja, und keiner hätte den Mund aufgemacht, und am Freitag wäre sie durchgefallen, was im Bereich des absolut wahrscheinlichen gewesen wäre. So hat man sie nicht ins offene Messer laufen lassen, so wurde sie erst gar nicht gewählt.“
Zudem beklagt Bär, man verlange von den Abgeordneten, dass sie nur ihrem Gewissen verantwortlich sein sollten. „Auf der anderen Seite sagt man aber, jetzt erwartet man, weil der Richterwahlausschuss getagt hat, dass alle Stimmvieh sein und einfach die Entscheidung abnicken sollen. Das passt nicht zusammen. Wir haben lauter mündige Abgeordnete, und wenn die sagen, ich kann mit meinem Gewissen Frau Brosius-Gersdorf nicht wählen, dann akzeptiere und respektiere ich das und erwarte von der Kandidatin, dass sie für sich selbst überlegt, ob sie die Richtige ist.“
Jeder Abgeordnete habe die Möglichkeit, vor der Entscheidung für die Wahl Bedenken einzubringen, kontert Brantner. „Bei uns läuft das so.“ Bei den Grünen würden solche Entscheidungen ausdiskutiert und nicht von oben herab getroffen werden. „Das ist offenbar bei Euch auch so, und das ist gut“, lobt Brantner die Union. Doch dann fügt sie hinzu: „Es ist aber die Frage, wie man das als Fraktionsvorsitzender so managt und so im Griff hat, dass es nicht die Demokratie beschädigt.“
Was man am Ende feststellen kann: Die beiden Politikerinnen sind ruhig, offenbar schon auf die Sommerferien eingestimmt. Wirklicher Streit kommt nicht auf, man tauscht ruhig die Meinungen aus. Und man duzt sich. Es waltet der Burgfrieden. Zumindest bei Schwarz und Grün. Da kann Sandra Maischberger beruhigt in ihre Sommerpause gehen. (tsch)