Trumps Kehrtwende in der Ukraine-Politik, der globale Zollstreit und das SPD-Manifest: Sigmar Gabriel kommentierte bei Sandra Maischberger im Ersten außen- wie innenpolitische Herausforderungen. Und nahm Bundeskanzler Friedrich Merz sogar in Schutz.
Sigmar Gabriel verteidigt Kanzler in ARD-Talk„Dass man das Merz jetzt anhängt, finde ich unfair!“

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Im ZDF-Talk mit Sandra Maischberger nahm Sigmar Gabriel Bundeskanzler Friedrich Merz in Schutz. (Bild: WDR/Oliver Ziebe)
Am Montag kündigte US-Präsident Donald Trump gemeinsam mit NAT0-Generalsekretär Mark Rutte eine Kehrtwende seiner bisherigen Ukraine-Politik an. Die USA wollen künftig hochwertige Waffen- und Luftverteidigungssysteme liefern - bezahlen sollen diese aber nicht die amerikanischen Steuerzahler, sondern Mitgliedsstaaten wie Deutschland. „Es ist preiswerter, als die Ukraine untergehen zu lassen“, meinte der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel nüchtern. Angesichts der amerikanischen „Wende zur früheren Position“ zeigte sich der frühere Außenminister bei Sandra Maischberger im Ersten verhalten optimistisch: „Hoffen wir, dass das so bleibt.“
Auf eine Unterstützung durch die USA könne man nämlich im Ukraine-Krieg schwer verzichten. Deshalb müsse die EU auch besonders umsichtig im aktuellen Zollstreit mit Trump umgehen. „Das ist die größte Gefahr, dass er Sicherheits- und Handelspolitik verzahnt“, warnte Gabriel. Europäische Gegenzölle oder stärkere Handelsbeziehungen mit China würden die USA nicht freuen. Dann hätte vor allem das Exportland Deutschland „schlechte Karten“.
Im Moment scheint sich Trumps Zorn, oder vielmehr seine „Enttäuschung“ aber ohnehin gegen den russischen Präsidenten zu richten. „Hoffen wir, dass es von Dauer ist“, wiederholte Gabriel. „Dass Trump eine konsistente Politik betreibt“, wollte er zwar nicht unterstellen - versuchte er es mit einem Scherz. Der US-Präsident könnte es sich jedoch nicht leisten, weiter von „Putin am Nasenring durch die Arena“ geführt zu werden.
Neben den Waffenlieferungen drohte der US-Präsident deshalb auch Russlands Verbündeten mit „sehr heftigen Zöllen“, sollte die Regierung in Moskau nicht innerhalb von 50 Tagen einem Abkommen für eine Waffenruhe in der Ukraine zustimmen. Gegen welche Länder genau die Zölle in Kraft treten, müsse erst definiert werden. Dafür „braucht es Zeit der Vorbereitung“, lautete Gabriels „freundliche Erklärung“ für diese lange Frist. „Und die Unfreundliche?“, hakte Maischberger neugierig nach. „Dass Putin zu den Verhandlungen zurückkehrt“, musste sie nicht lange auf eine Antwort warten.
Sigmar Gabriel kritisiert SPD-Manifest als „unhistorisches Papier“

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Ex-Vizekanzler Sigmar Gabriel war am Montagabend bei „maischberger“ zu Gast. (Bild: WDR/Oliver Ziebe)
Dieser fehlerhaften Annahme seien auch Robert Stegner und die anderen Verfasser des SPD-Manifests zur neuen Sicherheits- und Außenpolitik aufgesessen, ging Sigmar Gabriel zu einem anderen Thema über. Als „naiv“ hatten dieses der Kabarettist Jürgen Becker und Michael Bröcker, Chefredakteur von Table.Briefings, schon zuvor in der Sendung kritisiert. Es wäre vielmehr „naiv, wie lächerlich das Papier gemacht wurde“, widersprach die dritte Kommentatorin, Anna Mayr (Die Zeit).
Sigmar Gabriel war andere Meinung: Das Papier war das „Unhistorischste, was die SPD in der Öffentlichkeit gesagt hat“, ließ er kein gutes Haar an der Position seiner Parteigenossen, die sich unter anderem für Gespräche mit Russland starkmachen: „Jeden Tag gibt es diplomatische Angebote an Putin, und jeden Tag werden diese abgelehnt“, argumentierte er und sah darin eine falsche Bewertung des Gegners. Anders als die frühere Sowjetunion wolle Russland kein Territorium erhalten, sondern Grenzen verschieben.
Der Fehleinschätzung war auch er früher unterlegen, gestand er. Generell hätten „wir Deutschen“ lange eine „ziemlich arrogante Haltung“ eingenommen und gedacht, die Beziehung mit Russland im Griff zu haben. Sie wären bitter des Gegenteils belehrt worden. „Ich will diesen Fehler nicht zweimal machen im Leben“, lautete seine Schlussfolgerung.
Apropos Lernerfahrung: In seinen acht Jahren als Parteivorstand habe er verinnerlicht, immer den Koalitionspartner mitzudenken. Das hätte auch die SPD beim Vorschlag der Kandidaten für die Wahl des Bundesverfassungsgerichts tun sollen, übte er Kritik an den eigenen Reihen. Vor allem aber treffe den Unions-Fraktionsvorsitzenden Jens Spahn die Schuld am aktuellen Richterstreit. „Dass man das dem Merz jetzt anhängt, finde ich unfair“, verteidigte Gabriel hingegen den Bundeskanzler. Ein „Desaster oder Ende der Republik“ sei der Zwist aber nicht, beschwichtigte er. Schließlich gebe es doch für diesen Fall (wie für alles) in der deutschen Bundesverfassung „kluge Regeln“.
Weitere Gäste und Themen
Zu einem Gespräch über die Lage in Kiew war an diesem Abend Vitali Klitschko, der Bürgermeister der ukrainischen Hauptstadt, zugeschaltet.
Über den leichten Wirtschaftsaufschwung in Deutschland diskutierte Sandra Maischberger zudem mit dem Wirtschaftsminister von Schleswig-Holstein, Claus Ruhe Madsen von der CDU. (tsch)