ARD-KrimiIst das Verschwörungs-Szenario aus dem „Tatort“ realistisch?

Corinna Harfouch feiert als Susanne Bonard an der Seite von Kriminalhauptkommissar Robert Karow (Mark Waschke) ihren Einstand in Berlin. (Bild: rbb / Pascal Bünning)

Im „Tatort: Nichts als die Wahrheit“ wurde eine rechte Verschwörung erzählt.

Beim Oster-„Tatort“ ging es in zwei Teilen eine rechte Verschwörung von Staatsorganen. Wie realistisch ist das Szenario wirklich?

Lehrer an der Polizeiakademie, die Schüler mit rechtem Gedankengut indoktrinieren, Akademieleiter, die dies decken, und eine Sicherheitsfirma, die als Auffanglager für Ex-Beamte fungiert, denen ihr alter Job zu „rechtsstaatlich“ ist. Dazu kommen rechte Richter und eine Politikerin. Ist unser System längst „von oben“ ausgehöhlt, wenn es um demokratische Überzeugungen und Grundrechte geht?

Im österlichen Zweiteiler „Nichts als die Wahrheit“ feierte die 68-jährige Corinna Harfouch ihr spätes Debüt als „Tatort“-Kommissarin. Als 62-jährige Ermittlerin Susanne Bonard ist sie die neue Partnerin an der Seite Mark Waschkes (51). Doch welche realen Bezüge gibt es zu etwaigen antidemokratischen Verschwörungen in Deutschland, wie sie der Krimi behauptet?

Worum ging es im Oster-„Tatort“ aus Berlin?

Schutzpolizistin Rebecca Kästner (Kaya Marie Möller), Mutter eines vierjährigen Jungen, hat sich offenbar das Leben genommen. Auch ihr Mann Paul (Bernhard Conrad) ist bestürzt, obwohl sich das Paar vor kurzem getrennt hat.

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Rebecca Kästner hatte kurz vor ihrem Tod versucht, Kontakt mit LKA-Legende Susanne Bonard (Corinna Harfouch) aufzunehmen, die nicht nur renommierte Buchautorin ist, sondern gerade in der Ausbildung junger Polizeikräfte die Demokratie gegen Jobfrust, Willkür und aufkommende rechte Tendenzen wie eine Löwin verteidigt. Doch auch an ihrer Polizeiakademie trifft sie auf rechte Tendenzen.

Um den Fall aufzuklären, kehrt Bonard der Akademie den Rücken und kehrt in den aktiven Dienst zurück. Dort trifft sie auf Robert Karow (Mark Waschke), ihren neuen Partner.

„Tatort: Nichts als die Wahrheit“: Worum ging es wirklich?

„Nichts als die Wahrheit“ ist ein klassischer Polit-Krimi, in dem es darum geht, eine Verschwörung aufzudecken. Autor Stefan Kolditz gehört zu den großen Fernsehautoren des Landes. Er ist für Drehbücher wie das Kriegsdrama „Unsere Mütter, unsere Väter“, aber auch für den wahrscheinlich immer noch besten „Tatort“ mit Wotan Wilke Möhring verantwortlich: „Verbrannt“ von 2015, in dem der Tod des echten Asylbewerbers Oury Jalloh nacherzählt wurde. Jalloh kam 2005 unter mysteriösen Umständen in einer deutschen Gefängniszelle ums Leben.

Schon damals leuchtete Kolditz also Themen wie Polizeigewalt und rechten Korpsgeist aus, allerdings subtiler als in seinem neuen Event-TV-Politthriller, den er mit Katja Wenzel geschrieben hat, und in dem die Verschwörung auch Politik und Justiz umfasst - und der deutlich stärker auf Thrill und Action geschrieben ist als „Verbrannt“.

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Ist das Verschwörungs-Szenario aus dem „Tatort“ realistisch?

Rechtes Gedankengut bei der Polizei –ob nun viele Einzelfälle oder systematisch vorhanden – wird immer wieder mal aufgedeckt. „Wir hätten uns damit begnügen können“, erzählt Drehbuchautorin Katja Wenzel, „zu erzählen, was ja mittlerweile fast täglich in den Medien ist: rechte Chats in der Polizei, Racial Profiling, Code of Silence. Nur das ist immer nur die Exekutive – die Polizei. Und davon kann ‚man‘ sich leicht distanzieren.“

Autorin Wenzel, die mit ihrem Kollegen Stefan Kolditz intensiv für ihr Drebuch recherchierte, nennt im rbb-Interview auch Beispiele dafür, dass sich durchaus ein gefährliches „Netzwerk aus Exekutive, Legislative und Judikative“ inmitten unserer Demokratie bilden könnte: „Eine der führenden Drahtzieherinnen des versuchten Reichsbürger-Staatsstreichs war als Richterin am Berliner Landgericht tätig“, gab sie unter anderem zu Protokoll.

Corinna Harfouch: Wie schlug sich die neue „Tatort“-Ermittlerin?

Corinna Harfouch, im wahren Leben schon 68 Jahre alt, spielt eine Frau, die es mit 62 Jahren im Polizeidienst noch einmal wissen will. Dass sie es kann, die Harfouch, ist klar. Die deutsche Schauspiellegende sieht nicht nur locker zehn Jahre jünger aus, auch ihr Charisma ist durchaus Hauptstadt-groß. Die 1954 in Suhl in Thüringen geborene Diva („Lara“) spielte in ihrer langen DDR- und gesamtdeutschen Karriere in unzähligen Theaterinszenierungen und in über 110 Film- und Fernsehproduktionen mit.

Doch nur einmal verkörperte sie die Ermittlerin eine Krimireihe: Zwischen 2002 und 2006 sorgte Corinna Harfouch als „Blond: Eva Blond!“ bei SAT.1 für positive Kritiken. Sechs Filme umfasste die Reihe. Ob es im „Tatort“ sehr viel mehr werden? Fest steht: Spielen können sowohl Corinna Harfouch als auch Mark Waschke. Das Drehbuch von „Nichts als die Wahrheit“ ist jedoch zu actionlastig, als dass viele schauspielerische Zwischentöne im Auftakt-Zweiteiler möglich gewesen wären. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.

Wie geht es mit dem Berliner „Tatort“ weiter?

Offenbar erst einmal mit einer Pause. Der Zweiteiler „Nichts als die Wahrheit“ ist schon seit Monaten abgedreht, doch man brauchte ein „Spezialwochenende“ wie Ostern, um die beiden Folgen in kurzem Abstand zueinander linear senden zu können.

Momentan prüfen Redaktion und Schauspieler gerade Drehbücher für den nächsten Fall von Bonard und Karow, heißt es. Das klingt nicht danach, als würden die beiden noch im Jahr 2023 zu ihrem nächsten Einsatz aufbrechen. (tsch)