ARD-DokuDragqueen macht sich Vorwürfe wegen Küblböck

Kurz vor ihrem Tod teilte Daniel Küblböck alias Lana Kaiser ein Selfie auf Instagram. (Bild: Beetz Brothers Film Production/Daniel Küblböck)

Kurz vor ihrem Tod teilte Daniel Küblböck alias Lana Kaiser ein Selfie auf Instagram. (Bild: Beetz Brothers Film Production/Daniel Küblböck)

Eine „queere Ikone“ und ein „Meilenstein“ sei Daniel Küblböck gewesen, sein Leben eine „Empowerment-Geschichte“: Die neue ARD-Doku über den verstorbenen DSDS-Star ist tieftraurig - und steckt voller Bewunderung für Daniel Küblböck alias Lana Kaiser.

Sollte es in Deutschland jemals eine queere Ikone gegeben haben - „dann war es Daniel“. So zumindest lautet die Einschätzung von Olivia Jones, die in der dreiteiligen ARD-Doku „Die Küblböck-Story - Eure Lana Kaiser“ als enge Freundin des verstorbenen Sängers vorgestellt wird.

„Unzertrennlich“ seien sie und Daniel Küblböck gewesen; bis heute mache sich die Dragqueen Vorwürfe wegen des frühen Todes der TV-Bekanntheit, die sich in den Wochen vor ihrem Tod „Lana Kaiser“ nannte und bei Freunden, Familie und Fans als transgeschlechtlich outete.

„Diese Serie handelt von einer Person, die sich kurz vor ihrem Ableben als trans sichtbar machte. Da viele Gesprächspartnerinnen und -partner sie nur aus der Zeit davor kennen, werden in dieser Serie unterschiedliche Namen und Pronomen verwendet“, heißt es zu Beginn der Dokumentation.

Und tatsächlich: Während unter anderem Küblböcks Ex-Freund, sein Vater sowie Olivia Jones im Film ausschließlich von „Daniel“ sprechen, ist bei anderen Wegbegleitern, Freunden und Bewunderern stets von „Lana“ die Rede.

Daniel Küblböck wurde einst durch die RTL-Castingshow „Deutschland sucht den Superstar“ berühmt. (Bild: 2015 Getty Images/Sascha Steinbach)

Daniel Küblböck (hier 2015) wurde einst durch die RTL-Castingshow „Deutschland sucht den Superstar“ berühmt.

Am 9. September 2018 ging Küblböck beziehungsweise Kaiser, damals 33, während einer Kreuzfahrt vor der Küste Neufundlands über Bord. Am 22. Februar 2021 wurde der ehemalige Castingshow-Star offiziell für tot erklärt. „Er war schon sehr, sehr alleine ganz zum Schluss“, sagt Olivia Jones heute. „Ich hätte das vielleicht eher mitkriegen müssen, nachhaken müssen, sensibler sein.“

„Wilde Spekulationen“ auf Kreuzfahrtschiff

Was genau sich vor fast sieben Jahren auf dem Schiff zutrug, bleibt bis heute ungewiss. Küblböcks Entscheidung, eine Kreuzfahrt zu machen, sei Freunden zufolge spontan gewesen. An Bord habe der Bühnenstar „partyfreudig, aber auch ein bisschen angespannt“ gewirkt, berichtet die Passagierin Ulrike Genglawski im Film. „Ich sah Lana in der Diskothek, da gab es irgendeinen Streit oder irgendetwas passte ihr nicht. Sie zischte durch die Menge ab und rempelte einen Typen an, der dann leider auch gleich einen homophoben Kommentar dazu abgab.“

Zudem sei „sensationslüstern“ von allen Passagieren „getuschelt“ worden, dass sich Daniel Küblböck an Bord befinde. Auch, als es hieß, eine Person sei über Bord gegangen, habe es „wilde Spekulationen“ gegeben: „Es gab Mitreisende, die sagten, dass sie sich nur versteckt hat im Kabinenraum.“

Olivia Jones war jahrelang eng mit Daniel Küblböck befreundet. (Bild: BR/Gebrüder Beetz Filmproduktion/Alexander Vexler)

Olivia Jones war jahrelang eng mit Daniel Küblböck befreundet.

Wie aus einer in der Doku veröffentlichten Sprachnachricht hervorgeht, schien sich Küblböck selbst auf der Kreuzfahrt nicht wohlgefühlt zu haben. „Ich möchte nur sagen, ich möchte gern von dem Schiff hier runter und nach New York fliegen. Hier auf dem Schiff klappt irgendwie nichts, wie ich das will“, ist in der letzten Tonaufnahme zu hören, die der Star an einen Ex-Freund verschickte.

Ex-DSDS-Juror: „Menschen liebe es, zu hassen“

So traurig wie die Sprachnachricht klingt vieles, was man Küblböck selbst im Film sagen hört. „Ich würde niemals sagen, dass ich eine schöne Kindheit gehabt habe, wenn ich sie nicht hatte. Ich möchte, dass die Leute einfach verstehen, wieso ich ab und zu mal schräg drauf bin“, sagte er etwa zu Beginn seiner Karriere in einem TV-Interview. Seine jungen Jahre seien von Gewalt und Einsamkeit geprägt gewesen; nach „Deutschland sucht den Superstar“ war er auch in der Öffentlichkeit stets mit Hass und Hetze konfrontiert.

„Diese Gewalt, die damals auf Daniel Küblböck zugerollt ist - die ist schon vehement gewesen“, erinnert sich der damalige DSDS-Juror Thomas Stein. „Menschen lieben es, zu hassen“, weiß der queere Influencer Riccardo Simonetti. Anfang der 2000er-Jahre sei niemand um Lana Kaiser herumgekommen: „Jeder musste sich mit ihr beschäftigen. Auf einmal wurde auch ganz viel versteckte Homophobie in den Menschen geweckt.“

In Medienberichten wurde Küblböck in den ersten Jahren seiner Prominenz immer wieder eine Persönlichkeitsstörung unterstellt, er wurde als „ziemlich sonderbar“ betitelt, auf der Bühne ausgebuht, war wegen Morddrohungen auf Polizeischutz angewiesen. Positiv sei über den gebürtigen Niederbayern erst berichtet worden, als er nach einer Zeit des Rückzugs betont maskuliner in die Öffentlichkeit zurückgekehrt war.

Influencer und Moderator Riccardo Simonetti (Bild) hält Lana Kaisers Lebensweg für „eine Empowerment-Geschichte“. (Bild: BR/Gebrüder Beetz Filmproduktion/Alexander Vexler)

Influencer und Moderator Riccardo Simonetti hält Lana Kaisers Lebensweg für „eine Empowerment-Geschichte“.

„Schrecklich“, nannte der nun kurzhaarige Küblböck plötzlich seine alten Outfits. „Ich habe Röcke getragen, was für Männer ja gar nicht geht“, erklärte er mit Anfang 20 gar in einem Interview. Zudem zeigte er sich mit einer weiblichen Partnerin. „Ich habe es als gut empfunden. Er hat ja fast eine 180-Grad-Wende gemacht, dann hat er sich ganz anders gekleidet, viel seriöser“, sagt sein Vater Günther Küblböck.

Daniel Küblböck alias Lana Kaiser - ein „queerer Meilenstein“

Olivia Jones hingegen vermutet hinter dem plötzlichen Imagewechsel den Versuch, dem ständigen Hass zu entkommen: „Dieser Wechsel von dem schrillen, bunten Huhn aus dem Fernsehen hin zu jemandem, der einfach ernst genommen werden wollten, der einfach nicht nur wie so eine Art Clown behandelt werden will - ich glaube einfach, dass ihm das einfach auch irgendwann zu viel geworden ist, dieses extreme Polarisieren.“ Küblböck habe sich zeitlebens sehnlichst gewünscht, „anders wahrgenommen“ zu werden, erklärt Jones: „Dass die Leute nicht über ihn lachen oder mit dem Finger auf ihn zeigen.“

Heute, glaubt No-Angels-Sängerin Lucy Diakovska, müsste sich Lana Kaiser kein anderes Image mehr zulegen. „Jemand wie Lana würde heute eine ganz andere Bühne und Akzeptanz bekommen. Ich glaube, dass jemand wie Lana heute viel für Aufklärung sorgen könnte, für die queere Community“, sagt die einstige RTL-Dschungelkönigin.

Auch Ricardo Simonetti hält Lana Kaiser für „einen queeren Meilenstein, der es verdient hat, nicht ausradiert zu werden“. Für den 32-Jährigen ist das Leben des DSDS-Stars „eine Empowerment-Geschichte - auch, wenn es vielleicht anders geendet ist, als wir es uns wünschen würden“.

Zu sehen gibt es alle drei Folgen von „Die Küblböck-Story - Eure Lana Kaiser“ ab 26. August in der ARD Mediathek. (tsch)