„Politischer Druck zu groß“Anne Spiegel tritt als Familienministerin zurück

Nach ihrem dramatischen Auftritt samt öffentlicher Entschuldigung hat Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne) nun die Konsequenzen aus ihrer „Urlaubs-Affaire“ gezogen.

Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne) ist von ihrem Amt zurückgetreten. Sie habe sich „aufgrund des politischen Drucks entschieden, das Amt der Bundesfamilienministerin zur Verfügung zu stellen“, erklärte Spiegel am Montag in Berlin. Sie tue dies, „um Schaden vom Amt abzuwenden, das vor großen politischen Herausforderungen steht“.

Als die Flutkatastrophe 2021 Rheinland-Pfalz heimsuchte, war die damalige Umweltministerin in den Urlaub gefahren. „Das war ein Fehler, dass wir so lange in Urlaub gefahren sind und ich bitte für diesen Fehler um Entschuldigung“, sagte die heutige Bundesfamilienministerin am Sonntagabend, 10. April 2022, sichtlich angefasst.

Vier Wochen lang war Spiegel mit ihrer Familie in den Urlaub gefahren - und das nur zehn Tage nach der Flutkatastrophe. Mit ihrem Rücktritt steht die Ampel-Regierung nun vor ihrer ersten Kabinettsumbildung.

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Rücktritt von Anne Spiegel: Grüne kündigen zeitnahe Entscheidung an

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte zuvor noch über eine Regierungssprecherin mitteilen lassen, er arbeite „eng und vertrauensvoll“ mit Spiegel zusammen. Zu ihrem Amtsantritt als Familienministerin hatte sie im vergangenen Dezember den Kampf gegen Kinderarmut als vorrangiges politisches Ziel genannt. Spiegel hatte sich auch dafür eingesetzt, dass Väter nach der Geburt ihrer Kinder einen zweiwöchigen bezahlten Urlaub bekommen. Wer ihr Amt übernehmen wird, blieb zunächst offen. Die Grünen kündigten „zeitnah“ eine Entscheidung über eine Nachfolge an.

Unions-Politiker und Vertreter der AfD hatten Spiegels Rücktritt oder ihre Entlassung gefordert. „Für Frau Spiegel waren Urlaub und das eigene Image wichtiger als das Schicksal der Menschen an der Ahr. Der Bundeskanzler muss sie entlassen“, hatte CDU-Chef Friedrich Merz am Sonntag der „Bild“-Zeitung gesagt. CSU-Generalsekretär Stephan Mayer sagte am Montag im Deutschlandfunk: „Ich glaube, auch wenn man Frau Spiegel gestern erlebt hat, ich glaube, sie tut sich selbst auch keinen Gefallen, wenn sie weiterhin darauf beharrt, im Amt zu bleiben.“

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) verwies in Wuppertal auf den Fall von NRW-Umweltministerin Heinen-Esser (CDU), die ihr Amt niedergelegt hatte, nachdem bekanntgeworden war, dass sie wenige Tage nach der Flutkatastrophe im Juli 2021 mit weiteren Regierungsmitgliedern auf Mallorca den Geburtstag ihres Ehemannes gefeiert hatte. „SPD und Grüne haben sich hier in Nordrhein-Westfalen in der letzten Woche moralisch sehr hoch aufgeschwungen und über Ursula Heinen-Esser gerichtet“, sagte Wüst. „Die müssen jetzt klarstellen, ob diese Ansprüche unabhängig vom Parteibuch gelten oder nur dem Wahlkampf geschuldet waren.“

Anne Spiegel: Sorge um politisches Image

Im rheinland-pfälzischen Landtag hatte die Opposition - CDU, Freie Wähler und AfD - Spiegels Rücktritt bereits seit ihrer Aussage im Landtags-Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe am 11. März in Mainz verlangt. Damals ging es noch nicht um den Frankreich-Urlaub. Spiegel war in die Kritik geraten, weil sie sich in einem Kurznachrichten-Wechsel mit ihren Mitarbeitern direkt nach der Hochwassernacht um ihr politisches Image gesorgt hatte.

Dazu hatte die Grünen-Politikerin im Untersuchungsausschuss des Landtags in Mainz gesagt, die Hilfe für die Betroffenen im Ahrtal sei für sie von höchster Bedeutung gewesen. „Es ist absolut falsch und ich weise entschieden zurück, dass ich irgendwann eine andere Priorität hatte.“

Bei der Flutkatastrophe Mitte Juli 2021 waren in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen mehr als 180 Menschen ums Leben gekommen, davon 134 im Ahrtal. Rund 750 Menschen wurden in Rheinland-Pfalz verletzt und große Teile der Infrastruktur sowie Tausende Häuser zerstört. Viele Menschen leben noch immer in Not- oder Ausweichquartieren. (dpa)