Boris Johnson„Seine Zeit ist abgelaufen“ – Droht das Ende des britischen Premiers?

Der Druck auf Boris Johnson nimmt immer weiter zu. Bald könnte dem britischen Premier ein Misstrauensvotum drohen. Schon heute könnte die Entscheidung fallen.

Der britische Premierminister Boris Johnson (57) bekommt zunehmend Gegenwind aus der eigenen Partei. Seine Gegner wittern ihre Chance zur Rebellion. Wie mehrere britische Medien in der Nacht zum Mittwoch (19. Januar 2022) berichteten, wollen zahlreiche Abgeordnete seiner Konservativen Partei dem Regierungschef das Misstrauen aussprechen.

Es sei gut möglich, dass damit jene 54 Stimmen erreicht werden, die für ein Misstrauensvotum gegen Johnson nötig sind. „Seine Zeit ist abgelaufen“, zitierte der „Telegraph“-Reporter Hope einen Parlamentarier. Schon am Mittwoch (19. Januar 2022) drohe Johnson der „D-Day“, der Tag der Entscheidung.

Tag der Entscheidung: Boris Johnson droht Misstrauensvotum

Zu einer Misstrauensabstimmung in der Fraktion würde es kommen, falls sich 15 Prozent der 360 konservativen Abgeordneten gegen Johnson aussprechen - was 54 Stimmen entspricht. In geheimer Wahl in der Fraktion müsste der Premier dann mindestens 50 Prozent der Mitglieder auf seine Seite bekommen, um die Abstimmung zu überstehen.

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Johnson steht seit Wochen erheblich unter Druck wegen Enthüllungen über Partys im Regierungssitz während des Corona-Lockdowns. Sein Ansehen in der britischen Bevölkerung und der Partei gilt bereits als schwer beschädigt.

„Ich glaube, wir haben es geschafft“, zitierte die gut vernetzte BBC-Reporterin Laura Kuenssberg einen gegen Johnson aufbegehrenden Tory. ITV-Moderator Robert Peston twitterte, mehrere konservative Abgeordnete seien sich einig, dass Johnson gehen müsse. Es sei nur noch nicht klar, ob sie schon jetzt vorpreschen oder bis zur Veröffentlichung eines internen Untersuchungsberichts warten.

Bisher haben sieben Tory-Parlamentarier dem Premier ihr Misstrauen ausgedrückt, hinter den Kulissen war aber bereits von mindestens 30 Rebellen die Rede. Nach Zählung der „Times“ haben 58 Abgeordnete Johnson öffentlich kritisiert.

Boris Johnson: Immer mehr Abgeordnete rebellieren gegen den Premier

Für Aufsehen sorgt vor allem, dass es sich bei den neuen Stimmen um Abgeordnete handeln soll, die erst aufgrund von Johnsons fulminantem Wahlsieg 2019 ins Parlament gekommen sind. Sie hatten sich am Dienstag (18. Januar 2022) im Büro von Alicia Kearns (34) getroffen. Weil deren Wahlkreis um den Ort Melton Mowbray bekannt für Schweinefleisch-Pasteten ist, sprechen Medien von einem „Pork Pie Putsch“.

Johnson hatte am Dienstag (18. Januar 2022) Vorwürfen seines Ex-Beraters Dominic Cummings (50) widersprochen, er habe in der „Partygate“-Affäre gelogen. Niemand habe ihn darauf aufmerksam gemacht, dass eine Veranstaltung im Mai 2020 im Garten seines Amtssitzes gegen die damals geltenden Corona-Auflagen verstoßen könnte, beteuerte der Premier.

Die Zeitung „Guardian“ nannte das Interview mit dem Sender Sky News, bei dem Johnson wiederholt ins Stottern geriet und nach Worten rang, „verheerend“. Dem 57-Jährigen schlug auf breiter Basis Spott entgegen. „Niemand hat mich gewarnt, dass die Party gegen Regeln verstößt, sagt der Mann, der die Regeln gemacht hat“, titelte die Zeitung „Independent“.

Johnson kämpft seit Wochen um sein Amt. Um Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen, will er am Mittwoch (19. Januar 2022) – wie von konservativen Hardlinern seit langem gefordert – einige Corona-Regeln aufheben, die er erst kurz vor Weihnachten wegen der Ausbreitung der Omikron-Variante wieder eingeführt hatte.

Johnson will mit gelockerten Corona-Regeln seine Partei besänftigen

Dazu zählen die Vorgabe, möglichst von Zuhause zu arbeiten, sowie Impfnachweise als Bedingung für die Teilnahme an größeren Veranstaltungen. Zudem soll die Maskenpflicht in Geschäften und öffentlichem Nahverkehr wieder aufgehoben werden, wie die BBC berichtete.

Das Ende der Maßnahmen gilt als zentraler Punkt von Johnsons Plan zur Besänftigung seiner Partei, getauft auf den Namen „Operation Red Meat“ - „rohes Fleisch“, das den kritischen Abgeordneten hingeworfen wird. Dazu zählen auch Vorhaben wie ein Ende der Beitragszahlungen für die BBC und der Einsatz des Militärs gegen Migranten im Ärmelkanal.

Boris Johnson schließt Rücktritt nicht aus

Die Tory-Rebellen scheinen sich jedoch nicht mehr von ihrem Vorhaben abbringen zu lassen. Retten könnte den Premier höchstens noch, dass es keinen klaren Herausforderer gibt, hinter dem sich seine Gegner sammeln könnten.

Als mögliche Nachfolger gelten Außenministerin Liz Truss (46), die Johnson öffentlich ihre volle Unterstützung zugesichert hatte, sowie Finanzminister Rishi Sunak (41). Der Schatzkanzler vermied bislang ein Bekenntnis zum Premier und hat sich zuletzt rar gemacht.

Johnson schloss einen Rücktritt auch am Dienstag (18. Januar 2022) nicht explizit aus. Er wolle das Resultat der internen Untersuchung abwarten, sagte er. Der Bericht könnte bereits am Freitag (21. Januar 2022) veröffentlicht werden, doch auch ein späterer Termin sei möglich, hieß es in London. Am Mittwoch (19. Januar 2022) stellt sich der Premier im Unterhaus traditionell den Abgeordneten. (dpa)