Alle reden nur von Krise. Wieso nicht mal von Chancen? Dirk Steffens erklärt, warum Optimistinnen und Optimisten die Nase vorn haben.
Kein Scherz!Warum Reagan, Thatcher & Wal-Kacke uns optimistisch machen

Copyright: imago/ZUMA Press
Der „Cowboy“ und die „Eiserne Lady“: Zwei, die sich bei den meisten von uns wohl nicht als Öko-Vorreiter einen Namen gemacht haben – und doch mit all ihrer politischen Macht dafür sorgten, dass das Montreal-Protokoll von 1987 das bis dato erfolgreichste Umweltabkommen der Welt wurde: die frühere britische Premierministerin Margaret Thatcher (1925-2013) und EX-US-Präsident Ronald Reagan (1911-2004).
Aktualisiert
Wir haben es nicht leicht in diesen Tagen: Alles bröckelt (Brücken, Solidarität), hakt (Friedensgespräche, Klimaziel-Erreichung) oder kommt nicht (Bahn, Aufschwung). Dabei soll man Optimist bleiben oder gar werden? Klar, sagt einer, der dem Optimismus hoffnungslos verfallen ist. Dirk Steffens hat durch die wissenschaftliche Brille in die Zukunft und kurz in die Vergangenheit geschaut. Er sagt, warum sich Optimismus lohnt.
Leider gibt's keinen Optimismus ohne seinen Gegenspieler, den Pessimismus. Dazu gehört auch die berühmte „gefühlte Wirklichkeit“, die dem Optimismus zu gern in die Parade fährt. Hören Menschen beispielsweise immer und immer wieder von anderen, wie grauenhaft die Bahn, wie dämlich die Politiker, wie schrecklich „die Jugend von heute“ ist, neigen sie dazu, das zu glauben. Auch wenn wir nie Bahn fahren, uns Politik egal und die Jugend nicht näher bekannt ist.
Optimisten sind Realisten – und keine Gute-Laune-Bären
„Negativity Bias“ nennen es Fachleute, wenn wir negative Emotionen, Erlebnisse und Nachrichten intensiver wahrnehmen als positive – und uns runterziehen lassen. „Wir fürchten uns vor den falschen Dingen“, schreibt Dirk Steffens in seinem neuen Buch „Hoffnungslos optimistisch“ (Penguin; 20 Euro). Wie jetzt? „In deutschen Duschen sterben jährlich bis zu 100 Personen, durch Blitzschlag nur eine Handvoll. Autoerotische Abenteuer mit unglücklichem Ausgang kosten Dutzende das Leben, durch Wölfe ist in den letzten Jahrhunderten kein Einziger umgekommen.“ Trotzdem fürchten wir uns weniger vorm Duschen, denn vorm Wolf.
„Windräder, Wölfe und Gendern sind drei Dauerbrenner auf der Hitliste rechter Angstmacher und -haber“, so der mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnete Wissenschaftsjournalist.
Aber wie wird man denn nun zum Optimisten? Indem man alles riesig toll findet und Negatives komplett ausblendet? „Ein Optimist ist kein Gute-Laune-Bär, das eine hat mit dem anderen nur wenig zu tun. Ein Optimist ist vor allem ein Realist: Probleme erkennen, analysieren und dann überlegen: Wie geht es besser? Und vor allem: Was kann ich beitragen, um das Problem zu lösen?“, erklärt Dirk Steffens gegenüber EXPRESS.
Pessimisten seien eher keine Problemlöser, sie interessierten sich zwar brennend für die eigene Befindlichkeit, aber nur wenig für den Zustand der Welt: „Das ist irgendwie auch folgerichtig: Wenn ich davon überzeugt bin, das alles immer schlechter wird und sich daran nichts ändern lässt, macht es keinen Sinn, sich anzustrengen. Nur wer meint, die Zukunft gestalten zu können, wird aktiv.“
Lässt sich Optimismus vielleicht trainieren wie der Bizeps? „Durchaus vorstellbar. Aber genau wie im Fitnessstudio sollte man sich nicht überfordern. Der Versuch, sich selbst mit psychischer Gewalt schlagartig vom Pessimisten zum Optimisten umzubiegen, hat wenig Aussicht auf Erfolg. Kleine Schritte sind vielversprechender“, sagt Dirk Steffens. Er rät: „Angesichts der vielen schlechten Nachrichten, die jeden Tag auf uns einprasseln, könnte es helfen, auch mal gezielt nach Berichten über positive Entwicklungen zu suchen. Neben Klima-Katastrophenmeldungen etwa: Deutschland hat 2024 erstmals alle Luftreinhaltungsziele erreicht. Weit über die Hälfte unseres Stroms kommt inzwischen aus erneuerbaren Quellen. Es gibt sehr, sehr viele Nachrichten, die Mut machen!“ Wie diese hier, die Steffens herausgesucht hat:
- Deutschland hielt im Februar 2025 erstmals (!) alle Luftgrenzwerte ein.
- Unsere Wälder sind gesünder als vor 40 Jahren.
- Londons Luft ist so sauber wie seit ca. 200 Jahren nicht mehr.
- Mehr als 60 Milliarden Bäume wurden in die chinesische „Great Green Wall“ gepflanzt, das verdoppelte Chinas Waldflächenanteil.
- Von elf Millionen Autos, die 2024 allein in China zugelassen wurden, sind mehr als 60 Prozent E-Autos.
- In Helsinki gab es binnen Jahresfrist keinen Verkehrstoten wegen Tempo 30.
Falls Sie beim Lesen dieser Zeilen beschlossen haben, jetzt, sofort und gleich auch optimistisch(er) zu werden – Dirk Steffens hat folgenden Tipp: „Eine kleine, gute Sache tun, die ganz leicht ist. Ich sammle seit ein paar Monaten jeden Tag ein Stück Müll auf. Damit kann ich natürlich nicht die Welt retten. Aber stellen Sie sich vor, jeder würde das machen. Das würde die Welt verändern. Wir können uns schon mit kleinen Taten ermächtigen und das Gefühl loswerden, auf dieser Welt nichts bewirken zu können. Das ist ein Perspektivwechsel: Statt zu sagen, ich bin ja nur einer von acht Milliarden Menschen und sich deshalb ganz klein fühlen, feststellen: Zusammen sind wir acht Milliarden und können alles ändern. Dann wird man Teil eines Großen – das fühlt sich gut an!“
Optimismus pur! Wie Ronald Reagan & Maggie Thatcher die Welt retteten
Der konservative Ex-US-Präsident Ronald Reagan (†93) und die politisch ähnlich gepolte, frühere britische Premierministerin Margaret Thatcher (†87) waren maßgeblich am Montreal-Protokoll 1987 beteiligt, das den Schutz der Ozonschicht als Ziel hatte und auf das sich 24 Staaten sowie die EU einigten. Es ist das bis dato erfolgreichste Umweltabkommen der Welt (und laut Steffens Blaupause zur Lösung unserer aktuellen Klimaproblematik).
Damals zerfraßen Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) aus z. B. Kühlschränken oder Haarspray die Schutzhülle der Erde, mehr UV-Strahlen drangen durch, verursachten bei Millionen Menschen Hautkrebs. Auch auf der Nase von Ronald Reagan, der sich umgehend für Verhandlungen zum FCKW-Verbot einsetzte. „Maggie“ Thatcher, von Haus aus Chemikerin, begriff sofort, welche Folgen der Ozonabbau in der Stratosphäre hatte, und appellierte an die Regierungschefs: „Es wird jedes Land treffen, keiner kann sich dem entziehen. Jedes Land muss seinen Beitrag leisten. Die Länder, die industrialisiert sind, müssen die Länder unterstützen, die es nicht sind. Es ist das unvergleichlich kostbare Leben, das uns von anderen Planeten unterscheidet. Wir müssen dafür kämpfen, dieses Leben zu erhalten.“ Was für ein Plädoyer!
Der Klima-Trick mit der Wal-Kacke
Es sind mitunter die „kleinen“ bzw. zunächst absurd klingenden Dinge, die uns optimistisch stimmen sollten. Dirk Steffens nennt uns ein Beispiel: „Wir haben einen Meeresforscher getroffen, der vorgerechnet hat, dass kackende Wale mehr für das Klima tun können als der gesamte Amazonas-Wald. In der Wissenschaft nennt man das die Walpumpe. Große Bartenwale fressen in der Tiefe, erleichtern sich aber an der Oberfläche. Sie bringen Nährstoffe von unten nach oben. Da ist die Kacke Dünger für unendlich viele Algen. Die betreiben genau wie Bäume Photosynthese, entziehen der Atmosphäre Treibhausgase, produzieren Sauerstoff. Das kann beim Klimaschutz sehr helfen. Deshalb gilt: mehr Wale, gesunde Ozeane, glückliche Menschen. Und das ist nur eine Kettenreaktion von sehr vielen. Wir entdecken jeden Tag neue Möglichkeiten, die uns helfen können, die große Umweltkrise unserer Zeit zu bewältigen.“
Und zudem verfügen wir Menschen über ein einzigartiges Werkzeug: Fantasie! Die ist, wusste schon der große Physiker und Nobelpreisträger Albert Einstein (76), „wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt“. Wer hier noch nicht genug Impulse für mehr Zuversicht bekommen hat, dem sei noch ein fantastisch optimistisches Bonmot von Dirk Steffens mit auf den Weg gegeben: „Homo sapiens ist eine enorm resiliente Spezies. Wir haben die Eiszeit überstanden, die Pest, zwei Weltkriege und die Musik von Modern Talking.“


