Der eigene Garten wird als kleiner Klimaretter immer wichtiger. Biologe Dr. Markus Phlippen sagt, worauf's ankommt - und was richtig teuer werden kann.
„Wir sind viel zu ordentlich“Biologe plädiert für Gelassenheit im Garten – und nennt heimlichen Star
Gerade in einer Zeit, in der unsere Umwelt unter Klimastress steht, in der wichtige Pflanzen- und Tierarten (Insekten!) mangels Lebensgrundlage für immer verschwinden, kann die heimische Scholle einmal mehr ein kleiner „Garten Eden“ werden. In dem es auch unordentlich sein darf, der für Mensch und Natur gleichermaßen wertvoll ist und in dem sich im Sinne der Artenvielfalt keine invasiven Neophyten ansiedeln.
Invasive Neo... was?! Der Biologe und Gartenexperte Dr. Markus Phlippen erklärt euch hier detailliert, worum es sich dabei genau handelt, was man stattdessen besser pflanzt, was Gärtnern eigentlich ausmacht, welche Kardinalfehler im Garten richtig, richtig teuer werden können und warum Löwenzahn ein „Hidden Champion“ ist.
Finger weg! Invasive Neophyten machen heimische Arten „platt“
Invasive Neophyten („Neu-Pflanzen“) sind Gewächse, die bei uns gebietsfremd sind, aber nach ihrer Einfuhr oder Einschleppung hier so gute Bedingungen vorfinden, dass sie sich sprunghaft ausbreiten, heimische Arten verdrängen und riesige Schäden in Ökosystemen anrichten. Als Paradebeispiel bekannt ist der Riesen-Bärenklau (Kontakt kann schwere Verbrennungen hervorrufen). Allerdings listet das Bundesamt für Naturschutz (BfN) neben „anerkannten“ invasiven Neophyten auch solche auf, die als potenziell invasiv gelten, unter Beobachtung stehen. Und die der Hobbygärtner nicht unbedingt auf dem Schirm hat (siehe Bildergalerie oben).
Gärtnern, sagt Markus Phlippen (Gardify.de), gehört zur menschlichen Kultur, ein Garten ist immer die Gestaltung eines künstlichen Raumes: „Er tut so viel für die Natur, mit der Natur, aber auch für den Menschen. Ein schöner Garten mit z. B. alten Rosensorten, dazu insektenfreundliche, am besten heimische Pflanzen – damit ist man im grünen Bereich. Vorsicht allerdings bei superinvasiven Kandidaten, die wird man nicht mehr los!“
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In NRW kämpfen Kommunen und Naturschützer z. B. gegen Japan-Knöterich (Fallopia japonica), der ganze Fluss-Auen überwuchert. Nun sind aber bei weitem nicht alle Neophyten invasiv und „igittigitt“, ohne Neuankömmlinge funktioniert Natur nun mal nicht. Markus Phlippen: „Wir bekommen nie mehr die Botanik zurück, die wir vor 200 oder 500 Jahren hatten. Fragt man drei Menschen, was für sie heimische Flora ist, sagt jeder etwas anderes. Für den einen ist es das Mittelalter, für den nächsten die Zeit der Römer, der dritte denkt an die Steinzeit. Aber in allen Zeitaltern wuchsen hier unterschiedliche Pflanzen.“

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Der wissenschaftliche Leiter der Gartenpflege-App „Gardify“, Dr. Markus Phlippen, ist Gärtner aus Leidenschaft.
Für Markus Phlippen, der bei Gardify als „Pflanzen-Doc“ User-Fragen anschaulich beantwortet, ist die einfachste Gartenregel: „Je vielfältiger, desto besser! Wer in ein Eckchen einen Steinhaufen legt, etwas Holz, das dort verrotten darf und alles in Ruhe lässt, hilft der Natur am meisten!“ Und seinem „grünen Gewissen“ auch. Denn wir haben so schmerzhafte Verluste an Insekten und auch Wildtieren, weil viele von uns einfach „viel zu ordentlich sind im Garten! Immer alles gleich wegmähen, stutzen, wegräumen und so ordentlich sieht leider auch unsere Agrarlandschaft aus“, sagt der Biologe. „Früher gab es Hecken zwischen den Feldern, wertvolle Nahrungsquellen und Unterschlupf für viele Arten vom Insekt bis zum Wildtier. Heute ist gerade in der Intensiv-Landwirtschaft alles streng geordnet, es gibt weder Hecken noch richtige Feldraine.“ Effizient vielleicht, aber auf Kosten der Artenvielfalt.
„Brot- und Butterpflanze“: Loblied auf den Löwenzahn
Es soll ja Menschen geben, die allein vom Anblick einer Löwenzahnblüte schon „Blutdruck“ bekommen und zum Unkrautstecher greifen. Die sollten sich aber verdeutlichen, dass heimischer Löwenzahn nicht nur gut im Salat schmeckt, sondern laut Markus Phlippen auch eine „geniale Pflanze“ ist.

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Löwenzahn ist wichtige Futterpflanze für mehr als 70 Bienenarten. Darunter auch seltene Wildbienen.
Der Biologe erklärt: „Es wurde nachgewiesen, dass sich 70 Schmetterlingsarten und mehr als 70 seltene Bienenarten an der Pflanze laben. Löwenzahn blüht von März bis November, wächst auf fast jedem Boden: Ein echtes Brot- und Buttergewächs, durch das viele Insektenarten hier überleben. So nach dem Motto: ‚Da kann man immer mal schnell hinfliegen und etwas finden‘. Obwohl er häufig vorkommt, ist Löwenzahn nicht invasiv.“
Achtung! Hier wird's richtig teuer
Es versteht sich eigentlich von selbst, aber so mancher hat's noch nicht kapiert: Grün- und Rasenschnitt sowie Gartenabfälle in der freien Natur, insbesondere im Wald, zu entsorgen, ist strafbar! Weil sich so Zierpflanzen ungebremst vermehren können, die nicht in unsere Wälder gehören. Laut NRW-Landwirtschaftsministerium verstößt das gleich gegen mehrere Gesetze (z. B. Wasser- und Forstrecht). Nach dem Landesforstgesetz NRW drohen bis zu 25.000 Euro Bußgeld.
Weiterer Kardinalfehler: „Noch mal eben Herbizide und Insektizide, die schon ewig im Keller stehen, aufbrauchen. Schlimmstenfalls enthalten die noch Glyphosat, dessen Anwendung in Haus- und Kleingärten inzwischen verboten ist“, sagt Markus Phlippen. Verstöße gegen das Pflanzenschutzgesetz können mit Bußgeldern bis zu 50.000 Euro geahndet werden. Übrigens: Auch der Einsatz u. a. von Essig, Koch- und Streusalz zur „Unkraut“-Bekämpfung fällt unter diese Bestimmung!