+++ EILMELDUNG +++ Lkw rauscht in Autos Kölner Autobahn nach schwerem Unfall während Feierabendverkehr gesperrt

+++ EILMELDUNG +++ Lkw rauscht in Autos Kölner Autobahn nach schwerem Unfall während Feierabendverkehr gesperrt

„Wirklich überraschend”Virologe Streeck macht Claus Kleber im ZDF sprachlos

Hendrik_Streeck_ZDF_heute_journal-2

Virologe Prof. Hendrik Streeck erklärte die Untersuchungen der Corona-Fälle aus dem Kreis Heinsberg im „heute journal”.

von Martin Gätke (mg)

Mainz/Bonn – Der Bonner Virologe Hendrik Streeck hat in dem kleinen Ort Gangelt im Kreis Heinsberg die Verbreitung des Coronavirus untersucht. Am Montag wurden dann die ersten Ergebnisse dieser einzigartigen Studie vorgestellt (hier lesen Sie mehr).

Streeck war am Abend im „heute journal“ (ZDF, 21.45 Uhr) zugeschaltet und beantwortete die Fragen von Claus Kleber. Eine neue Erkenntnis der Forscher machte selbst den Moderator kurz sprachlos.

Zunächst fragte Kleber den Virologen, welches der Ergebnisse für ihn besonders überraschend sei und das Bild des Virus verändert. „Jede fünfte Erkrankung verläuft asymptomatisch“, erklärte Streeck. Das heißt, 22 Prozent der Infizierten trugen Sars-CoV-2 zwar in sich. „Haben aber überhaupt nicht mitbekommen, dass sie eine Infektion hatten.“

Alles zum Thema Corona

Es gebe zwar ähnliche Berichte aus China, trotzdem habe das Ergebnis den Experten überrascht. Es sei deshalb wichtig, diese Ergebnisse neu einzuordnen „und wie man diese Infektion in Zukunft besser erfassen kann, um Infektionsketten noch besser unterbrechen zu können.“

Virologe Streeck im ZDF über Heinsberg-Studie: Viele tragen Virus unwissentlich in sich

Das führe derzeit zu hohen Dunkelziffern von Infizierten, denn derzeit würden nur die Menschen mit Symptomen getestet. Die Infizierten ohne Krankheitsbild seien jene, „die nicht zum Arzt kommen“, so Streeck. „Sie werden im Moment übersehen.“

Martin Exner, Leiter des Instituts für Hygiene und öffentliche Gesundheit und Co-Autor der Studie, teilte ebenfalls bei ihrer Vorstellung mit: „Jeder vermeintlich Gesunde, der uns begegnet, kann unwissentlich das Virus tragen. Das müssen wir uns bewusst machen und uns auch so verhalten.“ Dies bestätige die Wichtigkeit der allgemeinen Abstands- und Hygieneregeln in der Corona-Pandemie.

Studie in Heinsberg: 0,37 Prozent der Infizierten sind gestorben

In Deutschland könnten sich nach Ergebnissen Studie mittlerweile möglicherweise 1,8 Millionen Menschen mit dem Coronavirus infiziert haben. Die Forscher zogen für ihre Schätzung die Dunkelziffer der Infizierten in Gangelt und die dort errechnete Sterblichkeitsrate bei einer Corona-Infektion heran. Sie gehen davon aus, dass in Gangelt 0,37 Prozent der Infizierten gestorben sind. Allerdings flossen in die Berechnung der Sterblichkeitsrate nur sieben Todesfälle ein. Aus diesen Daten errechneten sie eine theoretische Zahl für Deutschland.

Das funktioniert im Prinzip so: Die Forscher gehen davon aus, dass in ganz Deutschland die Sterblichkeit in etwa gleich ist. Wenn also bekannt ist, wieviele Infizierte auf einen Toten kommen, kann man von der Zahl der Verstorbenen, die das RKI mit mehr als 6500 angibt, auf die Zahl der tatsächlich Infizierten - auch der nicht erfassten – schließen. Streeck bezeichnete die Ergebnisse als Schätzung, die man immer „ein bisschen mit Vorsicht genießen muss“.

Einige Experten warnten davor, die Zahlen aus Gangelt auf ganz Deutschland zu übertragen. Dafür schließe die Teilnehmerzahl zu wenige sehr junge Menschen und zu wenige sehr alte Menschen ein.

Streeck: Kinder könnten weniger infiziert sein

Auch Streeck erklärte Claus Kleber weiter, dass die Sterblichkeit wesentlich von der Demografie abhänge. Heißt: Ob besonders viele Kinder, junge Erwachsene oder besonders gefährdete alte Menschen betroffen seien. „Im Übrigen haben wir bei den Infizierten keinen Unterschied im Alter gesehen. Aber wir sehen einen Trend: Dass Kinder weniger infiziert sind.“

Streeck betont, dass die Studie sich aber nicht speziell mit Kindern beschäftigt habe. Tatsächlich waren sie in der Studie unterrepräsentiert – es können also keine Schlüsse zum Infektionsrisiko oder zur Rolle von Kindern bei der Virusverbreitung gezogen werden. Es gibt andere Untersuchungen, die zeigen, dass Kinde eine ebenso hohe Viruslast haben wie Erwachsene.

Hier lesen Sie mehr: Corona bei Kindern – Virologe Christian Drosten mit brisanten Befunden, Ärzte wegen Krankheit beunruhigt

Trotzdem wurden in Heinsberg Familien und häusliche Gemeinschaften untersucht. „Da haben Sie etwas Interessantes über die Verbreitung innerhalb einer Familie oder Gemeinschaft herausgefunden“, hakte Kleber nach.

Streeck: Nur 15 Prozent Wahrscheinlichkeit, dass sich im Haushalt weitere Person infiziert

„Ja. Generell sehen wir eine sogenannte secondary attack rate [das meint eine zweite Angriffsrate, Anm. d. Red.] von 15 Prozent. Das bedeutet, wenn jemand in einem Haushalt infiziert ist, besteht eine 15-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass sich eine weitere Person infiziert.“

Es sei, so fuhr Streeck fort, besonders interessant, was für ein Haushalt das ist. „In Zwei-Personen-Haushalten, wo meistens Paare zusammenleben, sehen wir 15 plus 28 Prozent. Eine deutliche Erhöhung der Infektionswahrscheinlichkeit.“ Die nehme ab, je mehr Personen in einem Haushalt leben. Bei Haushalte mit vier Personen seien das nur noch 15 plus drei Prozent – „wirklich ein niedriger Wert“, wie Streeck betont.

Claus Kleber sprachlos über Ergebnisse der Corona-Studie in Haushalten

„Das ist ja wirklich überraschend“, warf Kleber verdutzt ein. Und wirkte kurz sprachlos. „Man denkt doch, wenn das Coronavirus in eine häusliche Gemeinschaft eingedrungen ist, kann man so viel Abstand in einem Haushalt doch gar nicht halten.“ Doch offenbar sei es eben bei Weitem nicht so, dass alle in einem Haushalt den Virus bekommen.

Während Kleber sichtlich überrascht war, erklärte der Virologe die Erkenntnisse nüchtern: Für ihn seien sie weniger neu, weil Streeck ähnliche Werte von anderen Atemwegserkrankungen kenne. „Dass wir bei einem Vier-Personen-Haushalt so einen niedrigen Wert sehen, darüber kann ich aber auch nur spekulieren“, so Streeck. Ob es daran liegt, dass sich die Personen mehr aus dem Weg gehen, wenn jemand erkrankt ist, oder dass Kinder schlechtere Viren-Überträger sind, sei noch unklar. „Die Studie kann das nicht beantworten.“

Streeck will keine Empfehlung für weitere Corona-Maßnahmen aussprechen

Als Letztes will Kleber von Streeck wissen, ob die Ergebnisse der Studie nahelegen, dass man großzügiger mit Lockerungen der Maßnahmen umgehen kann, wie es derzeit von Politikern geplant wird. „Ich bin Virologe. Das ist wirklich Aufgabe der Politik und der Gesellschaft, diese Studie zu beurteilen“, erklärte Streeck. „Ich werde mich hüten, da eine Empfehlung auszusprechen.“ (mg/dpa)