Nach Horror-FlutMehrere NRW-Talsperren übergelaufen – Experte mit klarer Forderung

Wasser läuft an der Bevertalsperre ab. Nach massiven Regenfällen mussten etwa 1500 Menschen in Hückeswagen im Bergischen Land ihre Wohnungen verlassen.

Bei der schweren Flut-Katastrophe im vergangenen Juli ist die Bevertalsperre, hier am 15. Juli 2021, übergelaufen. 

Bei der Flut Mitte Juli sind mehrere Talsperren übergelaufen. Ein Fachmann fordert eine gründliche Bestandsaufnahme.

Bochum.  Nach der schweren Flut-Katastrophe im vergangenen Juli, bei der allein in NRW 47 Menschen ums Leben gekommen sind, fordert der Wasserfachmann Christoph Mudersbach von der Hochschule Bochum einen Stresstest für alle nordrhein-westfälischen Talsperren. Die Bewirtschaftungsstrategien aller 65 Talsperren im Bundesland müssten neu bewertet und durchgerechnet werden, so der Professor.

Es gehe um die Frage, ob Talsperren mit einer ausgewiesenen Hochwasserschutzfunktion angesichts der voraussichtlichen Zunahme von Starkregenereignissen zukünftig ganzjährig, also auch im Sommer, einen Sicherheitsspeicherraum für Regenwasser freihalten müssten und ob sie dafür die Kapazitäten hätten.

NRW: Experte fordert gründliche Bestandsaufnahme 

Bei kleineren Talsperren, die bisher keine besonderen Aufgaben im Hochwasserschutz leisten, müsse zudem geprüft werden, ob hier ein zusätzliches Volumen für Hochwasserschutzzwecke freigehalten werden könne, sagte Mudersbach.

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Da die Talsperren zugleich als Speicher die ausreichende Wasserversorgung in trockenen Sommern wie 2018-2020 garantieren und dafür normalerweise im Frühjahr möglichst voll gefahren werden, könne ein solcher ganzjähriger Sicherheitspuffer möglicherweise zu Wassermangel in trockenen Jahren führen, sagte Mudersbach.

Um beide Aufgaben - Hochwasserschutz und Schutz gegen Trockenheit - gleichzeitig zu erfüllen, könne als Ergebnis der Berechnungen auch die Erweiterung von Talsperren, Errichtung von zusätzlichen Regenrückhaltebecken oder sogar der Bau einer ganz neuen Talsperre herauskommen.

Dabei denke er nicht an eine neue Großtalsperre für NRW, eher an kleinere Einheiten. „Effektiver Hochwasserschutz geht nur dezentral“, betonte der Experte. Das habe die Flut-Katastrophe gezeigt, bei der nicht die großen Flüsse, sondern kleine Nebenflüsse in engen Tälern überflutet worden seien.

NRW-Talsperrensystem muss sich auf weitere Katastrophen vorbereiten

Ihm sei auch klar, dass der Bau einer neuen Talsperre einen massiven Eingriff in die Natur erfordern würde. Andererseits belege der jüngste Bericht des Weltklimarates, dass Wetterextreme zunähmen.

Jedes Grad Lufterwärmung bringe nun mal sieben Prozent mehr Aufnahmefähigkeit für Wasser in der Atmosphäre und damit mehr Wasser bei starken Regenfällen.

Darauf müsse sich das NRW-Talsperrensystem vorbereiten. Normalerweise kommt es vor allem im Winter zu Hochwasser. Die Wasserverbände planen das ein und lassen rechtzeitig Wasser aus den Talsperren ab. Zum Sommer hin bemühen sie sich aber, die Talsperren wieder zu füllen.

NRW: Mehrere Talsperren übergelaufen 

In diesem Jahr waren wegen der extremen Regenfälle Mitte Juli mehrere Talsperren in NRW wie etwa die Bever- und die Wuppertalsperre übergelaufen - sie konnten die Wassermengen nicht mehr aufnehmen. Die Steinbachtalsperre nahe Euskirchen geriet nach Rissen am Bauwerk sogar zeitweise in eine kritische Lage und drohte zu brechen.

Bei der Unwetterkatastrophe in NRW und Rheinland-Pfalz waren Mitte Juli mehr als 180 Menschen gestorben, darunter 47 in NRW. Hinzu kamen enorme Sachschäden. Die NRW-Landesregierung geht von Sachschäden in zweistelliger Milliardenhöhe aus. (dpa)