HerzzerreißendDas wünschen sich Bonner Obdachlose fürs neue Jahr

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Imre Ngry wünscht sich einen Job in einer Fabrik. 

Bonn – Abspecken, weniger trinken, aufhören zu rauchen und mehr auf die Umwelt achten: Für Bonner Obdachlose alles Luxusvorsätze! 

Sie schlagen sich mit ganz anderen Sorgen herum: Neben der Wohnungslosigkeit haben sie meistens schwere Schicksalsschläge hinter sich, die sie nicht selten in die nächste Sackgasse, die Drogensucht, katapultiert haben. 

Wir haben Bonns Obdachlose nach Vorsätzen und Wünschen für 2020 gefragt. 

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Bonner schon mit 13 Jahren auf der Straße gelandet

„Ich wünsche mir für 2020, dass ich endlich den Arsch hochkriege, eine Wohnung und eine Arbeit finde“, sagt Pierre Petrak (28) aus Dransdorf. Der 28-Jährige ist schon seit 15 Jahren obdachlos. „Mit 13 bin ich von zu Hause abgehauen, weil ich es nicht mehr ausgehalten habe“, so Petrak.

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Pierre Petrak wärmt sich vor dem Rewe am Friedensplatz auf und bekommt viele Spenden 

Eines Tages wollte er sich Marihuana kaufen, doch bekam stattdessen Heroin untergeschmuggelt. „Ich dachte, das sei THC-Öl. Als ich das geraucht habe, musste ich tagelang kotzen. Ich dachte, ich sei krank, bis mir einer erklärte, dass ich auf Heroin-Entzug bin.“ Es folgte ein jahrelanger Teufelskreis zwischen Sucht und Beschaffungskriminalität. „Der einzige Mensch, dem ich vertraut habe, war meine Freundin. Aber sie starb dann mit 16 an einer Heroin-Überdosis“, erinnert er sich. 

Bonn: Obdachloser nimmt an Heroin-Studie teil und sucht Job 

Heute nimmt Pierre Petrak an einer Heroin-Studie teil, bekommt dreimal täglich reines Heroin, das er sich unter Aufsicht spritzen kann. Aber: „Ich will davon weg. Ich will arbeiten und eine Familie haben.“

Seinem Traumjob als Zimmermann wird er aber vermutlich niemals nachgehen können. „Ich habe seit vier Jahren einen offenen Fuß vom Spritzen, der auch nicht mehr zugehen wird. Damit kann ich nicht auf Dächer steigen.“

Für alle anderen Jobs sei er aber zu haben. „Altenpfleger, Callcenter..., ich würde wirklich alles machen!“ Eine Streetworkerin hilft ihm aktuell bei der Wohnungssuche und bei der Beantragung von Hartz IV.

Bonner zeigen Herz für Obdachlose 

Und auch die Bonner zeigen Herz, als wir uns mit ihm unterhalten: Eine Frau steckt ihm im Vorbeigehen einen Fünfer zu. Dann folgt ein Mutter-Sohn-Gespann mit Brezel, Wasser und einem Euro. Wenige Minuten später bringt sein ehemaliger Betreuer ihm noch eine Packung Tabak vorbei. „Aber nicht für Schore (Fachbegriff für Heroin-Rauchen, Anm. d. Red.)“, scherzt er. 

Ungarischer Obdachloser in Bonn wünscht sich Job in Fabrik 

Imre Ngry (54) sitzt am Marktplatz in der Kälte. In der Hand hält er ein Schild mit der Aufschrift: „Ich habe Hunger 2020.“ Seine Vorsätze fürs neue Jahr: „Endlich arbeiten und eigene Wohnung“, sagt der Ungar in gebrochenem Deutsch. Momentan schlafe er in Bonn vor einem Museum. 

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Imre Ngry aus Ungarn hat laut eigener Aussage vor 20 Jahren nach einer Scheidung sein Hab und Gut an seine Ex-Frau verloren. 

Seit 20 Jahren lebe er mit Unterbrechungen auf den Straßen Italiens, Spaniens und nun Deutschlands. „Ich habe zwischendurch immer mal in Fabriken gearbeitet“, erzählt er. Das sei auch sein Wunsch für 2020, endlich wieder arbeiten! 

Bayerin seit 3,5 Jahren auf Bonns Straßen 

Lea Standing (31) aus Lauf an der Pegnitz (Bayern) lebt seit 3,5 Jahren auf Bonns Straßen. Die Bayerin ist dem Alkoholismus verfallen, hat, als wir sie mittags ansprechen, schon gut einen im Tee und nuckelt weiter an ihrem Korn-Flachmann. Einen Wunsch kann sie aber trotzdem noch formulieren: „Bargeld und ein Zuhause.“

Geld habe sie sogar auf dem Konto. „Ich komme da aber nicht dran, weil mir mein Perso geklaut wurde“, erklärt sie die Misere. Ihre Eltern wohnen in Düren. Ob sie sie aufnehmen würden, ist die 31-Jährige sich nicht sicher. Deswegen schlafe sie seit dreieinhalb Jahren am Bonner Hauptbahnhof.

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Lea Standing hält den Alltag auf der Straße nur mit Fanta und Korn aus. Drogen nehme sie bis auf Marihuana laut eigener Aussagen keine. 

„Ich gehe manchmal in Internet-Cafés und rufe Vermieter von freien Wohnungen an, aber Chancen habe ich da in meinem Zustand meistens eh keine...“ 

Immerhin: Ein Streetworker hilft ihr aktuell bei der Wohnungssuche. „Der ist nur gerade im Urlaub. Ich hoffe, dass es bergauf geht, wenn er wieder da ist“, sagt sie. „Im neuen Jahr möchte ich gut zu mir selbst sein und aufhören zu trinken.“