Roger Waters in KölnKonzert voller Parolen und verstörender Momente: „Verpisst euch zur Bar“

Konzert von Roger Waters in der Lanxess-Arena.

Roger Waters bei seinem Auftritt in der Kölner Lanxess-Arena am Dienstagabend (9. Mai 2023).

Nach wochenlangen Debatten ging in der Kölner Lanxess-Arena das Konzert des umstrittenen Pink-Floyd-Mitbegründers Roger Waters über die Bühne. 11.000 Fans waren bei einem anstrengenden Abend dabei.

von Marcel Schwamborn (msw)

Dieser Konzert-Abend hatte seit Wochen für Diskussionen gesorgt. Roger Waters (79), Gründungsmitglied der englischen Rockband Pink Floyd, gastierte am Dienstag (9. Mai 2023) im Rahmen seiner „This Is Not A Drill“-Tour in der Lanxess-Arena.

Boykottaufrufe, Podiumsdebatten, Demonstrationen – im Vorfeld hatte dieser Abend Köln bereits bewegt. Auch am Konzerttag wurde nochmals deutlich, wie sehr der Musiker die Menschen spaltet.

Stadt Köln hatte Flaggen gehisst, zwei Demos an der Lanxess-Arena

Vor dem Eingang Südwest demonstrierte ein kleines Häuflein. Der Sänger, der sich exzessiv am Staat Israel abarbeitet und die zumindest in Teilen antisemitische BDS-Kampagne unterstützt, verglich vor elf Jahren in einer Rede vor den Vereinten Nationen Israel mit Nazi-Deutschland. Aus den Lautsprechern ertönten die Reden von der Roncalliplatz-Kundgebung vom Vortag.

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Wenige Meter weiter standen die palästinensischen Gemeinden Köln und Bonn mit einer Mahnwache, an der sich immerhin 62 Personen beteiligten. Waters sei ein Kämpfer für Menschenrechte weltweit, setze sich für einen Waffenstillstand in der Ukraine statt Waffenlieferungen und für das Recht des palästinensischen Volkes auf Selbstbestimmung ein, lautete dort der Slogan. Die Polizei beobachtete die Szene, musste aber nicht eingreifen.

Die Stadt Köln hatte „Respekt“- und Regenbogenflaggen auf der Deutzer Brücke gehisst. Die Anspannung war auch seitens des Veranstalters greifbar. Zunächst wurden Spürhunde durch die Halle geschickt, anschließend jeder Fan intensiv kontrolliert, unter anderem mit Metalldetektoren. Dabei war nahezu allen, die gekommen waren, die politische Debatte egal. Sie wollten nur die Musik ihrer Jugend hören.

Die Verantwortlichen der Lanxess-Arena setzten ein stilles Statement. Auf dem sogenannten Faciaboard, dem 360-Grad-LED-Ring, lief vor dem Konzert diese Botschaft aus dem Pink Floyd-Hit „Hey you“: „Together we stand, divided we fall – Für eine Welt ohne Ausgrenzung.“

Lanxess-Arena setzte Statement: „Für eine Welt ohne Ausgrenzung“

Auch Waters nutzte den Rahmen für eine Botschaft. „In einer Angelegenheit von öffentlichem Interesse: Ein Gericht in Frankfurt hat entschieden, dass ich kein Antisemit bin. Exzellent“, ertönte Waters' Stimme auf Englisch kurz vor Beginn des Konzertes. Der entsprechende Text erschien auf der Leinwand über der Bühne.

Inhaltlich stimmt das zwar nicht, weil das Frankfurter Verwaltungsgericht lediglich festgestellt hatte, dass beim Konzert nicht mit Volksverhetzung und der Verwendung verfassungswidriger Symbole zu rechnen sei. Über seine Gesinnung hatten die Richter nicht geurteilt. Er verurteile Antisemitismus vorbehaltlos, sagte der 79-Jährige weiter. Und: „Wenn ihr zu denen gehört, die Pink Floyd lieben, aber nicht Rogers Politik ertragen könnt: Verpisst euch zur Bar“.

Um 20.20 Uhr war es dann so weit. Zu „Comfortably Numb“ und „Another Brick in the Wall“ von Pink Floyd ging es los, die gigantischen, sich kreuzenden Videowände gingen in die Höhe und ließen den umstrittenen Star unter dem Jubel der 11.000 Fans sichtbar werden. Es folgte ein Feuerwerk an Parolen, Botschaften und Videos auf den Leinwänden, untermalt von Musik.

Unentwegt flimmerten Slogans in die Lanxess-Arena. „Sind die anderen wirklich böse?“, „Wer entscheidet, was gut und wer böse ist? Die Regierung!“ oder „Kontrolliere die Erzählungen“ stand dann da. Anschließend wurden Namen von Menschen eingeblendet, die zu Tode kamen: Sophie Scholl, Shireen Abu Akleh, Anne Frank, George Floyd, Jina Amini und viele mehr. Alles begleitet von schockierenden Videos von schlagenden Menschen in Uniform und dem Song „The Powers that be“.

„Wir bringen Liebe und Frieden nach Köln“, sagte Waters mit ausgebreiteten Armen. „Draußen standen junge Menschen mit palästinensischen Fahnen, um mich zu begrüßen. Vielen Dank dafür. Da waren auch andere, die mich nicht so gerne in der Stadt sehen. Ich hoffe, ihr seid nicht zu nass geworden. Das ist ein offener Raum, hier kann jeder reinkommen.“

Roger Waters in Köln: Nach der Pause kam es zu verstörenden Szenen

Gleich zweimal musste er nach einem kräftigen Schluck Wasser ins Mikro rülpsen. Den Musiker kümmerte es nicht. „Danke, dass ich hier auftreten konnte, trotz der Opposition“, sagte er grinsend. Ebenso wenig störte es ihn, dass er mit seiner überfrachteten Show und seinen ausufernden Monologen den Reiz eines Konzertes über weite Teile zerstörte.

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Nur phasenweise ging es mal nur um die Musik. „Wish You Were Here“ erzählte die Anfänge von Pink Floyd mit Syd Barrett († 60), ehe alles (Zitat Waters) „aus dem Ruder geriet“. Auch in „Shine On You Crazy Diamond“ stand endlich einmal die hervorragende Band im Zentrum, die zwar bis zum Anschlag laut, aber handwerklich hervorragend agierte. Danach ging das Politik-Getöse weiter. „Widersteht Krieg, Faschismus, Militarismus, Kapitalismus“, lauteten die Ansagen.

Ähnlich verstörend der Start nach der Pause. Banner kamen von der Decke, darauf gekreuzte Hämmer. Waters betrat im schwarzen Ledermantel und mit Armbinde die Bühne. Am Ende schoss er mit einer Maschinengewehrattrappe symbolisch ins Publikum. Das Bild ist aus „The Wall“-Zeiten bekannt – im jüngsten Kontext aber umso irritierender.

Auch der berüchtigte Schweineballon kam bei „In the Flesh“ und „Run Like Hell“ zum Einsatz, diesmal allerdings ohne Davidstern, dafür bedruckt mit den Worten „Die Armen bestehlen und es den Reichen geben“. Das Ganze geschah völlig ungerührt von der Tatsache, dass Waters für die Konzert-Tickets zwischen 100 und 300 Euro verlangt hatte.

Roger Waters kritisierte Kapitalismus und kassierte bis zu 300 Euro pro Ticket

Die Fans betrachteten das alles diszipliniert sitzend, von der opulenten Inszenierung überwältigt und von den visuellen Eindrücken fast schon überfordert. Nur nach „Eclipse“ gab es mal kurzzeitig stehenden Applaus. Emotional geriet lediglich noch mal das Ende, als Waters mit seiner Band eine Ehrenrunde drehte und das letzte Lied in den Katakomben der Lanxess-Arena zu Ende sang.

Nach 160 Konzert-Minuten blieb dennoch vor allem eine Erkenntnis: Roger Waters ist ein verbitterter Musiker, in dessen Weltsicht alle Unrecht haben und die Mehrheit böse ist. Die Erde steuert seiner Meinung nach auf den Abgrund zu, bevölkert von Verbrechern.

Ein Lichtblick gab’s dennoch: Der im Vorfeld von vielen befürchtete Judenhass oder die erwartete Putin-Propaganda blieben bei der totalitären Bühnenshow komplett aus. Zwischenfälle gab es auch nicht. Alle Verantwortlichen waren irgendwie erleichtert, dass dieser so aufwühlende Abend vorbei war.

Aber eins sollte auch zu denken geben: Während 11.000 Fans der Rock-Legende in der Arena applaudierten, war der Widerstand in der Stadt sehr gering. Obwohl die Politik versucht hatte, viele zu mobilisieren, verpuffte die Wirkung der Kundgebungen letztlich doch.