„Muss ein böser Traum sein“Raser tötete Miriam – Mutter sprach vor Kölner Schülern

Raserunfall_Auenweg3

Die Mutter der getöteten Studentin Miriam Scheidel richtete sich mit ihrer bewegenden Ansprache an die Schülerinnen und Schüler.

Köln – Ein 19-jähriges Leben, geschrumpft auf einen viereinhalbminütigen Diavortrag, untermalt von „Photograph“, einem Song von Ed Sheeran – den 500 Schülern im Nicolaus-August-Otto-Berufskolleg in Deutz gehen Musik und Bilder an diesem Dienstagvormittag sichtbar unter die Haut.

Niemand spricht ein Wort, viele haben Tränen in den Augen. Zumindest in diesem Moment erscheint es unvorstellbar, dass auch nur einer von ihnen gleich ins Auto steigen und über rote Ampeln nach Hause rasen könnte.

Raserunfall_Auenweg1

Die Unfallstelle: Nach dem Drama am Auenweg standen die beiden Raser auf der Straße, während die Polizei die Beweise sicherte.

Crashkurs nennt sich das Projekt, mit dem die Polizei Köln seit 2009 in Kölner Schulen und Berufskollegs unterwegs ist, um Fahranfänger zu warnen.

Alles zum Thema Polizeimeldungen

Das Konzept: Polizisten, Sanitäter, Feuerwehrmänner, Notfallseelsorger und Hinterbliebene, die Angehörige bei Unfällen verloren haben, berichten den Schülern eindringlich von ihren Erlebnissen, wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ berichtet. Emotionaler, authentischer kann Unfallprävention kaum sein.

Raserunfall_Auenweg2

Raser-Opfer Miriam Scheidel. Die Studentin wurde nur 19 Jahre alt.

Seit Kurzem ist auch Marita Scheidel dabei. Ihre Tochter Miriam ist vor zweieinhalb Jahren auf dem Auenweg in Deutz bei einem Raserunfall getötetet worden.

Die 19-jährige Jurastudentin fuhr am frühen Abend mit dem Rad von der Uni nach Hause. Sie hatte keine Chance, dem umherschleudernden BMW auszuweichen. Miriam starb zwei Tage später im Krankenhaus. „Ich dachte die ganze Zeit: Das muss ein böser Traum sein, ich will aufwachen.“

Hoch emotionale Ansprachen

Kurz vor Beginn des „Crashkurses“ herrscht Trubel in der Aula.  Das Geplapper ebbt ab, als Natalie Jung von der Polizei die ersten Fotos von Leichen in zerbeulten Unfallautos auf einer Leinwand zeigt.

Endgültig still ist es, als Feuerwehrmann Sven Görres (29) schonungslos deutlich berichtet, wie er half, einen jungen Raser aus einem Autowrack zu schneiden, dem der Vorderreifen den Brustkorb zusammendrückte – so deformiert war das Auto nach dem Aufprall an einem Baum.

Mutter rührte zu Tränen

Beklemmende Stille, als Marita Scheidel auf die Bühne tritt. Ihren Text liest sie vom Blatt ab. „Sonst würde ich das nicht schaffen“, sagt sie später.

Es ist ihr achter Auftritt bei „Crashkurs“, aber Routine wird das nie. „Ich will den jungen Menschen vor Augen führen, was es mit einer ganzen Familie macht, wenn die Tochter unverschuldet bei einem Unfall stirbt.“

Der Auftritt ist auch ein Stück Trauerverarbeitung. „Gefühlsmäßig bin ich auch nach zweieinhalb Jahren im totalen Durcheinander. Man hat einfach keinen Einfluss darauf, was mit einem passiert.“

Mit ihrem Vortrag gewinne sie ein Stück Kontrolle zurück.

Das könnte Sie auch interessieren: