Das letzte Massengrab des Weltkriegs – eine Geschichte aus der Reihe „Kölner Geheimnisse“.
Kölner GeheimnisseDas letzte Massengrab des Weltkrieges

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Die ungenutzten Gebäude gehören zur ehemaligen Sprengstofffabrik in Köln-Wahn. Sie liegen an der Ernst-Mach-Straße.
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Es geschah an einem geschichtsträchtigen Tag: Am 9. November 1918 tötete eine Explosion im Geschossfüllwerk der Rüstungsfabrik eine hohe Anzahl von Beschäftigten. Manche Quellen berichten von 76, der damalige Pfarrer Heinrich Bosch beklagte laut der Wahner Pfarrchronik den Verlust von mindestens 100 Menschenleben, andere sprachen sogar von nahezu 200 Toten und Hunderten Verletzten. Unter den Opfern waren viele junge Frauen.
Weit von diesem furchtbaren Ereignis entfernt, jedoch am selben Tag, wurde in Berlin die Republik ausgerufen. Nur 48 Stunden später endete der Erste Weltkrieg. In Wahn indes trugen die Menschen Trauer.
Viele der Toten stammten aus der Gemeinde.Der Porzer Heimatforscher Benno Krix erzählt: „Die Dynamitfabrik Wahn versorgte die ganze Westfront. Siebentausend Menschen waren damals dort beschäftigt. Rund um die Uhr wurde gearbeitet. Das Unglück ereignete sich während eines Schichtwechsels. Eine abschließende Untersuchung über die Ursache hat, soweit mir bekannt ist, nicht stattgefunden – wohl auch wegen der Beendigung des Krieges in jenen Tagen.“

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Beim schweren Unglück am 9. November 1918 kamen viele Menschen ums Leben, darunter die 18-jährige Klara Bauer.
Am 16. November wurden auf dem Wahner Friedhof 60 schwarze Holzsärge in zwei langen Reihen in die Erde gelassen. Die Lokalzeitung schrieb vom „letzten Massengrab des großen Weltkrieges“. Das Gräberfeld existiert bis heute. Die Arbeiterinnen Magdalena Schneider und Katharina Klubschewsky waren 17, als sie starben, Klara Bauer war 18, Maria Jonen 21, Franziska Desch 22, Erwin Gundel 26, Anton Nobach 27, Karl Klein 42, Franz Zimnik 49, Julius Geldsetzer 60 Jahre alt.
Fast 100 Jahre nach dem großen Unglück bekam Benno Krix Besuch einer älteren Dame. Sie übergab Krix ein im Jahr 1917 aufgenommenes Gruppenfoto, das etwa 70 Beschäftigte des Geschossfüllwerkes zeigt, darunter auch ihre Mutter. Die damals sechzehn- oder siebzehnjährige Paula Elsen sitzt ganz rechts.
Krix erfuhr von ihrer bewegenden Geschichte: „Die Tochter erzählte, dass ihre Mutter an jenem Morgen den Dienstbeginn verschlafen hatte, was ihr mutmaßlich das Leben rettete.“

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Kölner Geheimnisse Band 2 von Ayhan Demirci und Maira Schröer
Am Ort der Katastrophe, der heute in unmittelbarer Nähe des Geländes der Deutschen Luft- und Raumfahrtgesellschaft (DLR) und des Köln/Bonner Flughafens liegt, erinnern ein Wasserturm und zwei in der Nähe befindliche Gebäude, darunter das ehemalige Werkskasino und die etwas entfernter liegende alte Direktorenvilla an die Dynamitfabrik Wahn.
Diese Geschichte stammt aus dem Köln-Buch „Kölner Geheimnisse Band 2/ 50 neue spannende Geschichten aus der Dom-Metropole“, das im Bast-Verlag erschienen ist (192 Seiten, 24 Euro). Sieben Jahre nach Erscheinen des ersten Bandes sind es diesmal die Autoren Ayhan Demirci und Maira Schröer, die sich auf die Spuren Kölner Geschichte begeben haben und ausgehend von Objekten und Relikten in der Stadt von außergewöhnlichen Begebenheiten erzählen.

