„Kölner Drogenkrieg“Brutale Details und irritierende Geständnisse

Die drei Angeklagten warten mit ihren Anwälten und Anwältinnen auf den Beginn des Prozesses im Landgericht.

Die drei Angeklagten warten mit ihren Anwälten und Anwältinnen auf den Beginn des Prozesses im Landgericht.

Was sie ihren Opfern antaten, ist an Brutalität kaum zu überbieten. Im Prozess um eine Geiselnahme im „Kölner Drogenkrieg“ haben die drei Angeklagten jetzt Geständnisse abgelegt. Doch ihre Ausreden klingen fadenscheinig.

Es ist der vierte Prozess im unfassbaren „Kölner Drogenkrieg“, der am Dienstag (29. Juli 2025) vor dem Landgericht Köln gestartet ist.

Auf der Anklagebank sitzen drei junge Männer (20, 20, 21). Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft wiegt schwer: Geiselnahme, gefährliche Körperverletzung und Verstoß gegen das Waffengesetz. Weil sie zur Tatzeit im Juli 2024 noch als Heranwachsende galten, findet der Prozess nach Jugendstrafrecht statt. Über ihre Verteidiger und eine Verteidigerin ließen sie Geständnisse verlesen – die es aber in sich haben.

Drogenkrieg: Es ging um 350 Kilo Marihuana

Doch worum ging es überhaupt? Der Auslöser für den brutalen „Krieg“ war der Diebstahl von 350 Kilo Marihuana aus einer Lagerhalle in Hürth. Eine Bande aus Kalk um den mutmaßlichen Drogen-Boss Sermet A. wollte die Drogen um jeden Preis zurück. Der perfide Plan: Eine Frau und einen Mann aus Bochum entführen, um den Bruder des Mannes unter Druck zu setzen. Entweder die Drogen oder 1,5 Millionen Euro – so die Forderung. Die drei Angeklagten sollen bei der Umsetzung dieses Plans im Juli 2024 mitgemischt haben.

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Die Details der Tat sind schockierend: Wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ berichtet, soll der 21-jährige Deutsche mit Komplizen und Komplizinnen im Baumarkt Kabelbinder und Klebeband gekauft haben.

Später trafen sich alle drei Angeklagten auf einem Autobahnrastplatz, um die letzten Details zu klären. Von dort aus ging es mit mehreren Autos nach Bochum. In einem Industriegebiet lockten sie das ahnungslose Paar in eine Falle, zerrten es brutal in einen Transporter, fesselten, traten und schlugen es.

Die Horror-Fahrt endete in einer Villa in Rodenkirchen. Dort spielten sich laut Anklage unfassbare Szenen ab. Die Täter und Täterinnen hielten ihre Opfer stundenlang fest, zogen sie aus, quälten sie und drohten ihnen mit dem Tod. Immer wieder fragten sie nach dem gestohlenen Marihuana.

Die beiden 20-jährigen Angeklagten sollen dabei sogar scharfe Schusswaffen und eine Eisenstange als „Schlagwerkzeug“ benutzt haben. Auch der 21-Jährige soll mit einer Eisenstange zugeschlagen haben.

Um den Druck auf den Bruder des männlichen Opfers zu erhöhen, filmten die Peiniger die Folter-Szenen und stellten die Videos sogar ins Netz. In den frühen Morgenstunden des 5. Juli verließ der 21-jährige Angeklagte dann mit einem Komplizen, gegen den extra ermittelt wird, die Villa. Die anderen Täter und Täterinnen blieben zurück, um die Geiseln zu bewachen.

SEK befreite Paar aus Villa in Köln-Rodenkirchen

Doch dann die Wende: Ausgerechnet der Komplize, der die Villa verlassen hatte, ging zur Polizei und meldete die Geiselnahme! Gegen 17 Uhr stürmte ein Spezialeinsatzkommando (SEK) die Villa und befreite das Paar. Beide kamen sofort ins Krankenhaus. Die Anklage beschreibt „massive“ Wunden. Besonders die Schläge gegen die Köpfe hätten zu „lebensgefährlichen Verletzungen“ führen können. Das männliche Opfer litt noch Monate später unter Schmerzen und Angstzuständen.

Und was sagen die Angeklagten? Der Anwalt des 20-jährigen Syrers sprach von einer „schleichenden Entwicklung“. Sein Mandant sei „in die Sache reingerutscht“ und hätte sich das „dreimal überlegt“, wenn er von der Entführung gewusst hätte.

Der Verteidiger des 21-Jährigen bezeichnete seinen Mandanten als „Mitläufer“, der aber die volle Verantwortung übernehme. Er wolle sich entschuldigen und 2500 Euro Schmerzensgeld zahlen. Namen der Hintermänner und Hinterfrauen? Fehlanzeige. Aus „großen Sorgen um sein eigenes Wohlbefinden“, wie der Anwalt erklärte.

Auch die anderen Angeklagten wollen schweigen. Die Verteidigerin des 20-jährigen Niederländers zeichnete ein seltsames Bild: Ihr Mandant sei in seiner Heimat von Kriminellen unter Druck gesetzt worden. Da kam ein Angebot über Social Media gerade recht: Für 5000 Euro sollte er nur „jemanden schlagen“. Von einer Entführung will er nichts geahnt haben. Er bereue seine Tat „zutiefst“.

Für den Prozess sind 16 weitere Verhandlungstage angesetzt. Der „Kölner Drogenkrieg“ beschäftigt die Justiz massiv: Ein Prozess endete bereits mit einer vierjährigen Haftstrafe, zwei weitere laufen noch, und zwei neue stehen bevor. Der mutmaßliche Drahtzieher, Sermet A., wurde in Paris gefasst. Wann ihm der Prozess gemacht wird, ist noch unklar. (red)