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„Andere sammelten Bravo-Poster“Kölner Psychologin Lydia Benecke hat täglich mit Schwerverbrechern zu tun

Lydia Benecke im Portrait.

Lydia Benecke wohnt mittlerweile seit einigen Jahren in Köln, gehört zu Deutschlands bekanntesten Expertinnen und Experten im Bereich der Kriminalpsychologie.

Wenn in den deutschen Medien die psychologische Seite von Straftäterinnen und -tätern betrachtet wird, ist Lydia Benecke DIE Expertin. Im exklusiven EXPRESS.de-Interview hat die Kölnerin Frage und Antwort gestanden.

von Niklas Brühl (nb)

Lydia Benecke (41) gehört zu den bekanntesten Expertinnen und Experten Deutschlands, wenn es um die Kriminalpsychologie geht. Die 41-jährige Diplom-Psychologin beschäftigt sich vor allem mit Sexual- und Gewaltstraftaten, wird darüber hinaus in vielen True-Crime-Shows oder -Podcasts zur Rate gezogen, um das Verhalten der Täter wissenschaftlich einzuordnen.

So ist sie am kommenden Mittwoch (6. März 2024) auch wieder bei der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY gelöst“ zu sehen und erklärt das Vorgehen der Täterinnen und Täter in drei Fällen, die nach der Ausstrahlung vorherigen Sendungen gelöst werden konnten. Gegenüber EXPRESS.de hat die Wahl-Kölnerin über die Herausforderungen ihres Berufs gesprochen und auch darüber, warum sie sich bereits als junges Mädchen für Verbrechen interessierte.

Kölner Psycholgin Lydia Benecke: Andere sammelten Star-Poster, sie Zeitungsberichte von Verbrechen

Lydia Benecke wurde in Polen geboren, 1987 zog sie mit ihrer Familie nach Bottrop ins Ruhrgebiet. „Wir haben dort in einer, sagen wir mal, sozioökonomisch benachteiligten Gegend gewohnt. Ich lebte in einer Hochhaussiedlung, in der es viele Sozialwohnungen gab. Dort bekommt man, gewollt oder ungewollt, kriminelle Aktivitäten verschiedener Arten unausweichlich mit.“

Alles zum Thema Aktenzeichen XY

Lydia Benecke selbst beschreibt sich in ihrer Kindheit als „Nerd“, so habe sie viel Zeit mit dem Lesen von Büchern oder dem Schauen von Fernsehsendungen verbracht. Regelmäßig sei es in dem Nachbar-Hochhaus zu Brandstiftungen gekommen: „Der Keller brannte alle paar Wochen, aus dem Fenster habe ich dann öfters die Arbeit der Feuerwehr beobachtet und mich damals schon gefragt: Warum passiert das eigentlich immer wieder? Was veranlasst die oder den Täter zu den wiederholenden Brandstiftungen?“

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Das Interesse, die Muster von Straftaten und die Typologien von Straftäterinnen und Straftätern genauer zu beleuchten, wuchs in der Jugend von Lydia Benecke weiter. „Während andere Jugendliche in meinem Alter Poster von ihren größten Stars aus der Bravo sammelten, heftete ich Berichte aus den Zeitungen meines Opas über kriminelle Aktivitäten ab und sortierte sie nach parallelen Deliktbereichen. Man kann also schon sagen, dass das Interesse in diesem Bereich früh entstanden ist.“

Sie studierte Psychologie, Psychopathologie und Forensik an der Ruhr-Universität Bochum, ist seit 2009 diplomierte Psychologin und arbeitet dabei vor allem im Bereich der Gewalt- und Sexualstraftaten. Ein herausfordernder Beruf – und ein echter Fulltime-Job dazu.

Kölner Kriminalpsychologin Lydia Benecke ist in vielen Bereichen aktiv

Unter der Woche ist die 41-Jährige in einer Ambulanz für Sexualstraftäterinnen und Sexualstraftäter sowie in einer Sozialtherapeutischen Anstalt tätig. Sie hat dort mit Schwerbrechern, die beispielsweise wegen Kindesmissbrauchs, Kinderpornografie, Vergewaltigung oder unterschiedlich motivierter Tötungsdelikte verurteilt wurden, zu tun.

„Ich gehe alle Fälle analytisch und nicht emotional an, frage mich vielmehr, warum und aufgrund welcher Faktoren diese Menschen diese Taten begangen und auch vorher schon fatale Fehlentscheidungen getroffen haben, die letztendlich den Weg zu den von ihnen begangenen Verbrechen bahnten. Durch diese analytisch-psychologische Arbeit entsteht automatisch eine Distanz zu diesen schlimmen Ereignissen, sodass es mir gelingt, diese nicht an mich heranzulassen und es ausschließlich als meinen Job anzusehen. Und das Ziel ist natürlich immer, mit meiner Arbeit im Bereich der Rückfallprävention dazu beizutragen, zukünftige Verbrechen zu verhindern“, sagt Lydia Benecke gegenüber EXPRESS.de.

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Darüber hinaus bietet sie über das Wochenende hinweg Fortbildungen an oder ist als Referentin zu kriminalpsychologischen Fragestellungen. Außerdem ist sie in True-Crime-Formaten wie „Der Fall“ von Funk zu sehen, in Podcasts wie „Melody auf Crime“ zusammen mit Musikproduzent Mousse T. zu hören oder tritt auf der Live-Streaming-Plattform Twitch alle 14 Tage in ihrem eigenen Talk-Format „WTF-Talk“ („Wissenschaft trifft Freundschaft“) als Gastgeberin in Erscheinung.

Zudem hat sie bereits mehrere Bestseller-Bücher veröffentlicht. Und dann bringt sie ihre Aktivitäten in den zahlreichen Betätigungsfeldern auch noch mit einer Beziehung mit dem Kölner Künstler Sebastian Burda unter einen Hut – wie funktioniert das?

„Wir arbeiten beispielsweise seit über einem Jahrzehnt an den Wochenenden, wenn ich meine Fortbildungen und Vorträge im ganzen deutschsprachigen Raum abhalte, zusammen. Sebastian kümmert sich unter anderem um das Bühnenbild, die Technik und die Veranstaltungsregie. Ein wenig Freizeit bleibt dabei auch, sodass wir schon noch genug Zeit miteinander verbringen. Durch die vielen Reisen erleben wir auch viel zusammen und sind ein eingespieltes Team“, sagt die 41-Jährige.

Kölner Kriminalpsychologin Lydia Benecke bei „Aktenzeichen XY gelöst“

Im Bereich der Kriminalpsychologie ist Lydia Benecke mit das bekannteste Gesicht in Deutschland, viele Sendungen greifen für Einschätzungen von Täterinnen und Tätern auf ihre Expertise zurück.

Gegenüber EXPRESS.de ist ihr eines jedoch ganz wichtig: „Nur weil ich in der Öffentlichkeit stehe, verbinden mich viele Menschen mit dem Berufsfeld der Kriminalpsychologie. Damit geht auch große Verantwortung einher. Mit meinen Kolleginnen und Kollegen bin ich kontinuierlich im Austausch bezüglich der Inhalte meiner Öffentlichkeitsarbeit, wobei mir ehrliche Rückmeldungen sehr wichtig sind. Ohne die Unterstützung der Teams und Institutionen, in denen ich arbeite, wäre dieses ungewöhnliche Berufsmodell auch nicht umsetzbar.“

Am kommenden Mittwoch beleuchtet sie zusammen mit Moderator Rudi Cerne wieder drei Fälle in „Aktenzeichen XY gelöst“, die in den vergangenen Jahren als ungelöster Fall in der ZDF-Sendung zu sehen waren und später aufgeklärt werden konnten. Lydia Benecke ordnet die Typologien der Täterinnen und Täter ein, erklärt, wie es aus kriminalpsychologischer Sicht zu den Verbrechen kommen konnte.

Lydia Benecke steht zwischen Moderator Rudi Cerne (l.) und ihrem Lebensgefährten Sebastian Burda.

Lydia Benecke ist oftmals auch bei „Aktenzeichen XY“ als Expertin zu sehen, hier steht sie zwischen Moderator Rudi Cerne (l.) und ihrem Lebensgefährten Sebastian Burda.

„Wichtig ist aber: Ich löse keine Fälle, dafür ist die Polizei zuständig. Ich bin auch nicht in der operativen Fallanalyse der Polizei tätig. Mir ist es wichtig, den Zuschauerinnen und Zuschauern zu erklären, was wissenschaftlich hinter diesen Fällen steckt. Dazu ziehe ich beispielsweise Erfahrungen aus meiner bisherigen Arbeit in anderen Fällen heran und illustriere meine Analyse der Fälle aus der Sendung mit diesen“, sagt Lydia Benecke.

Und nach dem Gespräch mit EXPRESS.de ging es für die Kriminalpsychologin dann auch schon weiter zum nächsten Termin – denn Lydia Benecke ruht nicht, genauso wenig wie das Verbrechen.