Kölns Corona-FußgängerzoneChaos am Eigelstein: Was hier abgeht, ist nur noch Irrsinn

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Chaos am Eigelstein. Trotz der Einbahnstraßenschilder und der damit einhergehenden neuen Verkehrsführung, hält sich kaum ein Autofahrer an die neue Regelung.

von Volker Reinert (rein)

Köln – Chaos am Eigelstein. Seit Montag (20. Juli) gibt es in dem urkölschen Veedel eine neue, veränderte Verkehrsführung. Um die Verkehrssituation am Eigelstein zu beruhigen, wurde von der Stadt Köln geplant, den Eigelstein fortan nur noch als Fußgängerzone zu nutzen. Die Schilder stehen jetzt.

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Begründung der Pressestelle der Stadt Köln: „Als vorgezogene Maßnahme zur Verbesserung der Bedingungen für Passanten in der derzeitigen Pandemie-Situation wird das Amt für Straßen und Verkehrsentwicklung den Abschnitt des Eigelstein zwischen Eigelsteintorburg und Dagobertstraße kurzfristig als Fußgängerzone einrichten.“

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Am Dienstag (21. Juli) konnte man allerdings noch nichts von der neuen Corona-Fußgängerzone erahnen. Im Gegenteil: Durch die Drehung der Einbahnstraße und der unübersichtlichen Schilder-Situation herrscht aktuell ein riesiges Durcheinander – das birgt enorme Gefahren für Fußgänger und Fahrradfahrer, denn kaum ein Autofahrer scheint durchzublicken, wie denn nun richtig am Eigelstein gefahren werden soll.

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Neue Schilder weisen die Autofahrer auf die neue Verkehrsführung hin.

Schlimmer noch: Die meisten Autofahrer fahren entgegen der neuen Einbahnstraße direkt in die neue Eigelstein-Fußgängerzone.

Corona-Fußgängerzone: Eindrücke an der Eigelsteintorburg

EXPRESS war am Ort des Geschehens. Stellt man sich vor die Eigelsteintorburg und schaut in Richtung Dom über den Eigelstein, wird einem die Problematik von Kölns erster Corona-Fußgängerzone direkt klar.

Die Autos fahren sowohl von der Lübecker Straße, sowie über den Thürmchenswall direkt auf den Eigelstein zu, obwohl dort nun eine autofreie Zone herrschen sollte. Die meisten der Autofahrer tasten sich zwar langsam an den Eigelstein heran, fahren aber trotz des Verbots in die neue Fußgängerzone. Die neuen Umleitungsstraßen werden nur in den seltensten Fällen befahren und die Schilder ignoriert.

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Der Eigelstein ist seit Montag (20. Juli) Kölns erste Corona-Fußgängerzone. Die Grafik zeigt die eigentlich geplante Verkehrsführung. Doch kaum ein Autofahrer hält sich an die neue Regelung...

Zusätzlich fahren die zahlreichen Fahrradfahrer durch die Eigelsteintorburg hindurch, wodurch sich von drei Seiten ausgehend ein Knotenpunkt direkt am Eigelstein bildet.

Für hitzige Diskussionen sorgt bei den Eigelstein-Anwohnern zusätzlich, ob die Fahrradfahrer in der Fußgängerzone Schritttempo fahren dürfen oder nicht. Zwischen der Eigelsteintorburg und der Dagobertstraße herrscht eine verkehrsberuhigte Zone.

Bedeutet: Laut StVO dürften Fahrradfahrer in diesem Bereich nur Schrittgeschwindigkeit fahren. Das Problem dabei: Je nach Gerichtsentscheidung kann eine Geschwindigkeit von bis zu 15 km/h gestattet werden.

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Hinzukommend nehmen die Baustellen der ohnehin schon engen Straße viel Platz weg. Die Fußgänger, für die die Fußgängerzone ja eigentlich gedacht ist, müssen den Autofahrern und Radlern immer wieder ausweichen und Platz machen. Lkw, die sich durch die Straßen quetschen. Fußgänger und Fahrradfahrer müssen an dieser Gefahrenstelle besonders aufpassen. Durch die Straßenkurven ist ein kompletter Überblick der Straßen kaum möglich.

Unter den Anwohnern ist eine hitzige Debatte um die neue Verkehrssituation ausgebrochen. Viele Nachbarn und Ladenbesitzer verstehen die Umsetzung der Idee zu Kölns erster Corona-Fußgängerzone nicht und finden die derzeitige Situation überhaupt nicht nachvollziehbar.

„Es ist ein Wahnsinn“, regt sich eine Anwohnerin auf. Die Stadt habe die Lage „verschlimmbessert“ – ohne durchdachten Plan. Ihr Nachbar, der der Idee einer autofreien Straße positiv gegenübersteht, ist vom „aktuellen Feldversuch der Stadt“ maßlos enttäuscht: „Das ist Murks.“ 

EXPRESS hat einen Eigelstein-Ladenbesitzer zum aktuellen Verkehrschaos befragt. Marc Düssel (39) ist Inhaber des Bürobedarfs Düssel. Sein Geschäft liegt direkt an der Gefahrenstelle der neuen Verkehrssituation.

Corona-Fußgängerzone: „De facto nimmt das aber keiner ernst“

Düssel über die neue Verkehrslage, die seit Montag (20. Juli) vor seinem Laden herrscht: „Die Verkehrsführung ist Montagmorgen umgebaut worden zur neuen Fußgängerzone, die wir hier jetzt haben. De facto nimmt das aber keiner ernst. Es kommen weiterhin die Lkw durch. Neue Schilder wurden zwar aufgestellt, aber existent ist die neue Verkehrsführung nicht.“

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Über die Umsetzung sagt er: „Die Stadt Köln, die nun einmal diesen Beschluss der Fußgängerzone gefasst hat, muss das jetzt auch ernst nehmen und durchsetzen, ansonsten macht das hier alles überhaupt keinen Sinn.“

Corona-Fußgängerzone: Unübersichtliche Situation für alle

Ladenbesitzer Marc Düssel und die Anwohner verstehen zudem auch die neue Beschilderung nicht. Die aufgestellten Schilder sind zum Teil sogar missverständlich und irreführend: „Dann sind auch noch die Hinweisschilder vorne an der Straße doch sehr klein. Viele Leute kennen die Ecke ja auch nicht und knallen dann mit dem Auto einfach durch. Problematisch ist, dass wenn sich einer an die richtige Verkehrsführung halten würde, gäbe es ein komplettes Chaos, weil der eine Autofahrer von der richtigen Seite der Einbahnstraße kommt und der andere Autofahrer von der falschen. Um das zu entwirren, müssten beide durch die Fußgängerzone fahren.“

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Die Beschilderung der Straße „Im Stavenhof“ ist aktuell sehr irreführend.

Der 39-Jährige sieht eine potentielle Gefahr für Fußgänger und Fahrradfahrer in der neuen Fußgängerzone: „Die Gefahr, die ich jetzt nur beobachte, weil ich mir die Fußgängerzone am Montag zehn Stunden angucken konnte: Kommen die Drängelgitter weg, die eigentlich weg müssten, damit der Autofahrer es halbwegs merkt, dass das eine Fußgängerzone ist, laufen die Fußgänger dann aber auf der Straße und dann ist Unfallgefahr auf jeden Fall da.“

Corona-Fußgängerzone: „Totaler Schildbürgerstreich“

Düssel über die Schilder der neuen Umgehungsstraße im Stavenhof: „Wenn man jetzt die neue Umgehungsstraße durch den Stavenhof fährt, dann fährt man eigentlich den Eigelstein nach rechts Richtung Dom weiter. Die neue Verkehrsplanung sieht aber vor, dass die Einbahnstraße jetzt links abgeht und deswegen steht dort ein Schild, die das Ganze noch viel gefährlicher macht: Da steht nämlich, dass man rechts fahren soll – was auch Sinn macht, aber PKW und Radfahrer frei. Die Frage ist nun: Sollen und dürfen die jetzt links fahren? Wenn die links fahren, kommen die genau mit den Autos zusammen, die gerade fälschlicherweise durch die Einbahnstraße und die Fußgängerzone gedonnert kommen.“

„Es ist total der Schildbürgerstreich. Die Verwirrung ist programmiert,“ fügt er weiter hinzu.

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Die neue Verkehrsführung führt durch die Straße „Im Stavenhof“. Baustellen erschweren die ohnehin schon enge Straße noch zusätzlich.

Corona-Fußgängerzone: Der Vorsitzende des Bürgervereins Eigelstein meldet sich zu Wort

Der Bürgerverein Eigelstein mit seinem Vorsitzenden Burkhard Wennemar hat sich stets für einen autofreien Eigelstein stark gemacht. Zur aktuellen Situation sagt Wennemar: „Erst einmal finden wir es großartig, dass die Verkehrsberuhigung nur gut ein Jahr nach unserem Bürgerantrag und ein halbes Jahr nach dem Beschluss der Bezirksvertretung begonnen hat. Die provisorisch vorgezogene Umgestaltung hat aber, abweichend vom beschlossenen Plan, zwei entscheidende Schwachpunkte: Erstens, dass der Verkehr nun quer vor der Eigelsteintorburg hergeführt wird, und zweitens, dass der gesamte Durchgangs- und Parksuchverkehr des noch nicht verkehrsberuhigten Teils des Eigelsteins nun durch die enge Spielstraße Im Stavenhof geführt wird. Das führt zu chaotischen und teilweise auch gefährlichen Verkehrssituationen.“

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Der Vorsitzende des Bürgervereins Eigelstein Burkhard Wennemar hat sich auf EXPRESS-Anfrage zur aktuellen Situation am Eigelstein geäußert.

Kann die aktuelle Verkehrssituation so bleiben? Was muss sofort geändert werden? Wennemar sagt als Vorsitzender des Bürgervereins Eigelstein auf EXPRESS-Anfrage: „Wir fordern, dass die provisorische Maßnahme gemäß der beschlossenen Planung umgesetzt wird, das heißt, dass der Verkehr von der Lübecker Straße über den Gereonswall abgeführt wird und der Verkehr vom Thürmchenswall in die Greesbergstraße. So wäre der gesamte Bereich rund um die Torburg autofrei. Außerdem sollte am Beginn der Lübecker Straße ein Schild „Anwohner frei“ aufgestellt werden, um von vorn herein zu verhindern, dass dort der Durchgangs- und Parksuchverkehr des Eigelsteins reinfährt. Darüber hinaus sollte von der Turiner Straße eine Zufahrt zum REWE-Parkplatz an der Dagobertstraße entstehen, damit Autos, die dort parken wollen, nicht quer durchs Veedel fahren müssen. Zu allen Punkten sind wir bereits in engen Gesprächen mit der Verwaltung bis hin zur Oberbürgermeisterin.“

Corona-Fußgängerzone: Der eigentliche Plan der Stadt Köln

Die Stadt Köln hatte eigentlich ein bestimmtes Konzept für die Fußgängerzone am Eigelstein. Auch Oberbürgermeisterin Henriette Reker (63) hatte sich im Vorfeld geäußert, wie aus der Pressemitteilung der Stadt Köln hervorgeht: „Wir arbeiten weiterhin mit Hochdruck an einem Gesamtkonzept für den Eigelstein, damit die Aufenthaltsqualität nachhaltig verbessert wird. Ich freue mich nun sehr darüber, dass wir kurzfristig einen Teilbereich bereits vorgezogen umsetzen können. Somit bekommen die Bürgerinnen und Bürger heute schon einen Eindruck davon, wie der Eigelstein in 2021 aussehen soll.“

Bei dem aktuellen Chaos empfinden das aber viele Anwohner als Drohung.