Der Kölner Neumarkt ist nur einer von vielen Drogen-Hotspots. Eine Lösung muss her, finden auch Doc Esser und Mark Oette.
Doc Esser und Klösterchen-Arzt Oette6-Punkte-Plan gegen Kölner Drogensumpf

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Ein Junkie schläft sein Rausch vor dem Eingang eines Mehrfamilienhauses an der Thieboldsgasse aus
von Laura Schmidl
Es muss sich dringend etwas tun – da sind sich eigentlich alle einig, wenn es um die unwürdigen Zustände am Neumarkt geht. Am helllichten Tag setzen sich Drogenabhängige Spritzen. Verrichten ihr Geschäft in Parkhäusern. Verwahrlosen unter den Blicken von Anwohnern, Touristen und Geschäftsleuten. Eine Lösung gibt es noch nicht. Ideen haben aber TV-Arzt und EXPRESS-Kolumnist Heinz-Wilhelm „Doc“ Esser und Arzt Mark Oette. So wie es ist, darf es nicht weitergehen, das ist menschenunwürdig, findet Esser.
Und er kennt die Klientel vom Neumarkt und anderen Hotspots in Köln – Ebertplatz, Appellhofplatz, Friesenplatz, um nur ein paar zu nennen – gut. Gemeinsam mit Mark Oette, bis vor Kurzem Chefarzt im Severinsklösterchen, betreibt er die Praxis Caya, in der Wohnungslose unbürokratisch medizinisch versorgt werden. „Die meisten wollen eine Verlagerung, keine Lösung: Die Leute sollen aus dem Sichtfeld“, sagt Esser.

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Mark Oette (l.) und Hein-Wilhelm Esser
Im Verein Caya haben die Ärzte einen Sechs-Punkte-Plan für eine langfristige Lösung entwickelt. „Es wird immer Armut und Drogenabhängigkeit geben“, so Oette. Es reiche daher nicht, einfach nur einen Konsumraum anzubieten – der, so sagte es Polizeipräsident Johannes Hermanns im „Kölner Stadt-Anzeiger“, in seiner jetzigen Form nicht funktioniere.
„Wir brauchen etwas, das der Komplexität Rechnung trägt – auch der Bevölkerung, die hier Lebensqualität haben will. Wir wollen aber auch die Abhängigen menschlich und mit Würde behandeln“, sagt Oette. Auch müssten die vielen sozialen Angebote koordiniert werden – und manches könne auch abgebaut und in Anlaufstellen verlegt werden.
Das sogenannte Zürcher Modell könne für die Anlaufstellen – die mehr sind als bloße Konsumräume – als Vorbild dienen. „Die Abhängigen brauchen einen Ort, zu dem sie hingehen können, wo es medizinische und Übernachtungsangebote gibt und wo sie legal ein bisschen dealen können“, sagt Oette. „Das würde den Dealern in der Gegend die Substanz nehmen.“
Problem hierbei: In Deutschland ist es den Einrichtungen verboten, das Dealen zu dulden. „Den rechtlichen Rahmen gibt es dafür nicht – hier braucht es Mut“, sagt Oette. „Warum soll Köln da nicht einmal vorangehen? Man könnte als Pilotprojekt einen Sonderstatus schaffen. Aber dafür braucht es politischen Willen.“
Drogenproblem: Auch Repression muss sein
Gleichzeitig bedeutet das Zürcher Modell aber auch Repression: „Wenn Anlaufstellen angeboten werden, kann beispielsweise bei aufdringlichem Betteln oder öffentlichem Drogengebrauch durch die Ordnungsbehörden wirksam gegengesteuert werden.“ Auch dürfte gemäß dem Zürcher Modell nur denjenigen Zutritt erlaubt sein, die ihren (letzten) Wohnsitz in Köln hatten, damit keine Sogwirkung entsteht.
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Für ausreichende Alternativen bräuchte es dann mehr als nur eine Anlaufstelle, sagen Esser und Oette, der vier solcher Orte vorschlägt – in der Stadt verteilt. Solche Anlaufstellen müssten nicht einmal teuer sein. „Mit unseren Containern der Arche haben wir so etwas fast gratis auf die Beine gestellt“, so der Arzt. Mit der Dezentralisierung würde dann auch die Belastung besser verteilt werden.
„Diese Anlaufstellen müssen nah am Zentrum, aber nicht im Zentrum sein. Es muss einen gesunden Abstand geben, damit alle das Gefühl haben, koexistieren zu können“, sagt Oette. Also nicht in unmittelbar direkter Nachbarschaft zu Wohnhäusern. Und: „Was wir von unserer Arbeit im Verein wissen: Die Stadt ist voll von guten Menschen, die sich engagieren würden.“
Esser macht deutlich: „Die Dezentralisierung ist mit einer der wichtigsten Punkt. Das und das Recht auf Wohnraum.“ Die Abhängigen müssten außerdem entstigmatisiert werden: „Das sind kranke Menschen, Suchtkranke, und so müssen sie gesehen werden.“
Auch das Stadtbild könne beitragen: „Offene Drogensucht und Verwahrlosung muss architektonisch und strukturell reduziert werden. Öffentliche Toiletten, Sauberkeit, Wohnungsbau“, sagt Mark Oette. Weitere wichtige Punkte seien die aufsuchende Hilfe durch Sozialarbeiter und Möglichkeiten zur medizinischen Versorgung wie etwa bei Caya, sowie Prävention bereits in den Schulen und das Einbeziehen der Bürger. „Es werden nie alle komplett zufrieden sein“, sagt Oette. „Aber wenn alle Kompromisse machen, wird es klappen.“ Am Montag (11. August) soll in der Ratssitzung über das Thema diskutiert werden.