Seit über drei Jahren engagieren sich zwei Kölner Karnevalisten bei den Hilfsfahrten in die Ukraine. Die beiden berichten gegenüber EXPRESS.de von ihren Erlebnissen im Kriegsgebiet.
„Die Angst fährt immer mit“Karnevalisten helfen seit drei Jahren

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Martin Jeckel (l.) und Thomas Felix präsentieren ihre Glücksbringer, die immer bei ihren Touren in die Ukraine dabei sind: die Ente der Bürgergarde und der gehäkelte Schutzengel, den die beiden als Dankeschön geschenkt bekommen haben.
Aktualisiert08.09.2025, 16:17
Sie feiern liebend gern Karneval, vor allem bei der Bürgergarde blau-gold. Aber in ihrer Freizeit zeigen Thomas Felix (54) und Martin Jeckel (48) auch auf einem anderen Gebiet große Leidenschaft.
Die beiden Jecken engagieren sich beim gemeinnützigen Verein „Einfach machen Köln“, der ursprünglich eine rein private Initiative war. Das Ziel des Vereins: unbürokratisch helfen.
„Einfach machen Köln“ bewegte schon über 350 Tonnen Lebensmittel
Neben zahlreichen Projekten im Kölner Raum, wie zum Beispiel die Unterstützung von Bürgerzentren, die Belieferung von Lebensmittelausgaben unter anderem an Obdachlosen und die direkte Hilfe für Rentnerinnen und Rentner sowie Alleinerziehende, leistet der Verein seit 2022 humanitäre Hilfe für die Ukraine.
Seit Kriegsausbruch gelang es „Einfach machen Köln“ über 350 Tonnen Lebensmittel und weitere Hilfsgüter zu bewegen. Unter den 28 Helferinnen und Helfern sind die beiden Bürgergardisten.
„Wir leben zwar in einer Zeit, die von Krieg, Terror und Krisen geprägt ist, dennoch feiern wir gern ausgelassen unseren Karneval. Feiern bedeutet für uns aber nicht, das Leid anderer Menschen auszublenden, ganz im Gegenteil“, betont Thomas Felix im EXPRESS.de-Gespräch.
Freund und Korpskamerad Martin Jeckel bringt es auf den Punkt: „Das Schicksal der durch Krieg gezeichneten Menschen in der Ukraine berührt uns seit unserer ersten Fahrt ins Kriegsgebiet im Mai 2022. Nach dieser ersten Fahrt war für uns klar, Aufhören ist keine Option für uns.“

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Martin Jeckel (l.) und Thomas Felix fuhren bereits 13 Touren in die Ukraine.
Das Erste, was die beiden sahen, als sie die ukrainische Grenze passierten, waren die großen Auffanglager. „Das waren schon gemischte Gefühle, als wir erstmals all die Frauen und Kinder – wenn Männer dabei waren, waren sie jenseits der 80 Jahre – gesehen haben“, berichtet Jeckel.
Was Krieg bedeutet, wurde ihnen klar, als sie die ersten improvisierten Friedhöfe der gefallenen Soldaten und der Zivilbevölkerung sahen. „Da wird einem erst so richtig bewusst, wie viele Menschen bereits ihr Leben verloren haben und wie viele Kinder ohne ihre Väter aufwachsen werden“, sagt Thomas nachdenklich.

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Beängstigend: Überall befinden sich improvisierte Friedhöfe.
„Wir kennen zwar alle die Berichte in den Medien, aber wenn man selbst durch die von Bomben zerstörten Orte fährt, an einem Stacheldrahtzaun steht und genau weiß, dass dahinter ein Minenfeld ist, was den sicheren Tod bedeutet, kann man kaum glauben, dass das die Realität ist“, versucht Martin das Erlebte in Worte zu fassen.
13 Fahrten haben beide bereits nach Lwiw und Krementschuk unternommen. Ebenfalls als sehr emotional beschreiben die beiden die Fahrten mit Flüchtlingen nach Köln.

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Martin Jeckel vor einem Minenfeld in der Ukraine.
Thomas: „Du sitzt mit wildfremden Personen fast 20 Stunden gemeinsam im Auto und erfährst, zwar mit Sprachproblemen, von deren Schicksalen. Da waren Kinder dabei, die so traumatisiert waren von den schrecklichen Erlebnissen, dass sie die ganze Zeit nur geweint haben. So was beschäftigt einen, auch wenn man längst schon wieder in seiner sicheren Heimat ist.“
Was Krieg bedeutet, erlebten die beiden auch hautnah, als plötzlich Luftalarm per Lautsprecherdurchsage angekündigt wurde. Martin: „Da wird es einem schon anders, wenn man die Schutzräume aufsuchen muss. Immerhin sind es von Krementschuk nur 200 Kilometer bis zur Frontlinie und rund 300 Kilometer bis zur russischen Grenze.“

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Das Team von „Einfach machen Köln“ beim Beladen der Fahrzeuge für die Hilfslieferungen.
Seit diesen Erlebnissen empfindet Thomas Probealarme in Köln ganz anders. „Ich bekomme immer Gänsehaut und schaue automatisch zum Himmel.“ Beide sind sich einig: „Man wird zwar mit der Zeit abgeklärter, aber die Angst fährt immer mit.“
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Auch wenn der Krieg bereits seit drei Jahren andauert, brauchen die Menschen in der Ukraine weiterhin Hilfe. Dennoch hat sich die Hilfsbereitschaft verändert. „Nach der ersten Hilfswelle, wo halb Europa auf der Autobahn war, haben wir momentan das Gefühl, dass wir zu den letzten gehören, die weiterhin Hilfsgüter in das Krisengebiet bringen. Die Hilfsbereitschaft nimmt, je länger der Krieg dauert, leider ab“, hat das Duo festgestellt.

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Mit der Bürgergarde-Ente auf dem Armaturenbrett geht es an zahlreichen zerstörten Gebäuden vorbei.
Aufgrund der Zerstörungen können viele Krankenhäuser nur mit Notstrom und im Keller arbeiten. Es fehlt im medizinischen Bereich an fast allem. Alle Arten von Ultraschallgeräten, Geräten zur Sterilisierung, Beatmungsgeräte, Defibrillatoren, Medikamente, OP-Besteck, Verbände oder Bekleidung für das medizinische Personal werden benötigt.
„Zudem sind die Menschen dankbar über Lebensmittel oder Hygieneartikel“, sagt Thomas. Wer spenden möchte, kann sich beim Verein „Einfach machen Köln“ informieren.