„War im Überlebensmodus“Zwei Jahre nach Miljö-Ausstieg: So geht es Ex-Sänger Mike Kremer heute

Mike Kremer schaut in die Kamera.

Mike Kremer führte die Kölner Band Miljö durch etliche Auftritte und Karnevalssessionen. Im März 2022 zog er die Reißleine und hörte als Frontsänger auf. Wie geht es ihm heute?

Mike Kremer hat als Sänger der kölschen Band Miljö viele Jahre tausende Menschen begeistert. Im März 2022 folgte der Ausstieg als Frontmann – wie ist es ihm seitdem ergangen?

von Niklas Brühl (nb)

Für viele Fans war es ein Schock, als Mike Kremer im März 2022 seinen Ausstieg als Frontmann der beliebten kölschen Band Miljö bekanntgab. Wegen gesundheitlichen Problemen aufgrund einer chronischen Autoimmunkrankheit zog der Musiker die Reißleine und war fortan nicht mehr mit der Band auf Tour.

Miljö hatte in den Jahren zuvor mit Liedern wie „Su lang de Leechter noch brenne“, „Wolkeplatz“, Schöckelpääd“ oder „Polarleechter“ das Karnevalsgenre mitdominiert, Mike Kremer führte die Band von der Schäl Sick durch unzählige Auftritte.

Kölner Sänger Mike Kremer über Miljö-Ausstieg: „Bin im Reinen mit mir“

Doch irgendwann hat die Gesundheit nicht mehr mitgespielt und der studierte Informatiker trat aus der ersten Reihe ab.

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EXPRESS.de gab er nun, knapp zwei Jahre nach seinem Ausstieg, ein exklusives Interview und sprach dabei unter anderem über seinen aktuellen Gesundheitszustand, über seine momentanen musikalischen Projekte und darüber, ob er sich ein Bühnen-Comeback vorstellen könnte.

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Mike Kremer ist der Musik, auch der kölschen, trotz seines Rückzugs von der großen Bühne treu geblieben. Mittlerweile zieht er jedoch eher im Hintergrund die Strippen, tritt vor allem als Songschreiber und Produzent in Erscheinung – geht es ihm mit dieser Arbeit gesundheitlich besser? „Mir geht es aktuell tatsächlich sehr gut. Ich habe zwar viel zu tun und der Plan war es ja eigentlich, weniger Stress zu haben, aber die Arbeit macht mir sehr viel Spaß und es wäre dann auch Meckern auf hohem Niveau, wenn ich mich jetzt beschweren würde.“

Zu seinem emotionalen Ausstieg sagt er heute: „Der Schritt war definitiv der richtige. Wir hatten in der Session innerhalb von zwei Monaten 180 bis 200 Auftritte. Das geht nicht, wenn man nicht bei 100 Prozent ist und nicht alles geben kann. Irgendwann konnte ich es nicht mehr genießen und war nur noch im Überlebensmodus. Das habe ich eingesehen und von daher bin ich im Reinen mit mir, die Entscheidung so getroffen zu haben.“

Er sei auch gar nicht der Typ Mensch, der immer im Mittelpunkt stehen wolle: „Ich weiß, als Band-Frontmann klingt das paradox. Aber eigentlich wurde ich auch nur dazu, weil ich der einzige war, der in der Band Kölsch sprechen konnte. Ich bin in diese Rolle über die Jahre besser hineingewachsen, zu meinem Naturell hat es aber eigentlich nie gepasst.“

Kölner Sänger Mike Kremer: Zwischen Karneval und Ballermann

Kremer arbeitet immer noch mit seinen alten Band-Kollegen von Miljö zusammen, schreibt mit an den Texten oder hilft beim Produzieren. Auch für andere kölsche Größen schreibt er Songs, beispielsweise für Kempes Feinest, Fiasko, die Bläck Fööss oder die Höhner.

Dazu betreibt er bereits seit 2016 die Software-Firma Stagetimer. „Als es mit Miljö durch die Decke ging, hatte ich mein Promotionsstudium in Informatik an den Nagel gehängt. Durch die Firma habe ich zum einen aber ein zweites Standbein, zum anderen spiegelt das auch meine gegenteilige Seite zur kreativen Arbeit mit der Musik wider“, sagt Kremer gegenüber EXPRESS.de.

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Neben seinen Schreibtätigkeiten für Kölner Künstlerinnen und Künstler ist der ehemalige Miljö-Sänger mittlerweile aber auch in einem anderen Genre erfolgreich, mit dem er wohl nicht direkt assoziiert wird.

„Es hat sich so ergeben, dass ich mittlerweile auch Songs im Bereich des Partyschlagers schreibe und produziere. So habe ich bereits Lieder für Mallorca-Stars wie Mickie Krause, den Bierkapitän, Marc Eggers, Malle Anja oder Lorenz Büffel entwickelt“, sagt Mike Kremer.

Wie es dazu kam? 2018 hatte er für die Funky Marys den Song „En Woch lang wach“ geschrieben, auf den die Plattenfirma von Mickie Krause aufmerksam wurde, sodass Kremer das Lied auf Hochdeutsch nochmal für den Ballermann-Star umschrieb.

Der Rest ist Geschichte: „Eine Woche wach“ ist Krauses erfolgreichster Song, wurde auf Spotify beispielsweise über 53 Millionen Mal gestreamt und mit einer Goldenen Schallplatte ausgezeichnet. Auch Mike Kremer erhielt eine für seine Arbeit an dem Ballermann-Hit.

„Und danach hat das alles an Fahrt aufgenommen, Agenturen von Künstlerinnen und Künstlern aus dem Genre wurden auf mich aufmerksam und fragte mich für Songs an. Ich war nun häufiger schon mit anderen tollen Schreibern in Songwriting Camps, wo man für einige Tage die Köpfe zusammensteckt und ausschließlich an neuen Liedern für die bestimmten Künstlerinnen und Künstler arbeitet“, sagt Kremer.

Mike Kremer: Kölsche Lieder und Ballermann-Songs verfolgen gleiches Ziel

Wo er durch seine Arbeit jetzt beide Seiten kennt: Gibt es Parallelen zwischen kölschen Karnevalsliedern und den Songs für den Ballermann? „Ja, auch wenn das die Verfechter des kölschen Liedguts nicht so gerne hören werden. Natürlich sind die Texte für die Mallorca-Songs primitiver und einfacher. Allerdings verfolgen beide Genres das gleiche Ziel: Den Menschen Spaß zu bereiten und sie zum Mitsingen zu bewegen.“

Und es sei auch nicht damit getan, Wörter wie „Saufen“ oder „Malle“ in einem Text zu verpacken: „Es muss immer etwas sein, was es noch nie gab. Wörter verwendet werden, die vorher noch nicht genutzt wurden. Das ist manchmal nicht einfach, aber immer eine nicht zu verachtende Kunst.“

Miljö im Tanzbrunnen.

So kannten die Fans Mike Kremer jahrelang: als Frontsänger von Miljö, hier bei einem Konzert im Tanzbrunnen im Jahr 2021.

Eine große eigene Ballermann-Erfahrung hat der Ex-Miljö-Sänger dabei tatsächlich nicht vorzuweisen, wie er EXPRESS.de mit einem Lächeln im Gesicht verrät: „Ich war schon häufiger auf Mallorca, allerdings eher in den ruhigeren Ecken mit der Familie. Am Ballermann war ich das erste Mal vor zwei Jahren und habe dann erstmals so richtig mitbekommen, was im Bierkönig oder dem Megapark wirklich abgeht. Das war schon krass.“

Wenn tausende Feiernde dann die Songs mitsingen, an denen Kremer mitgearbeitet hat, empfinde er auch einen Anflug von Stolz: „Sonst würde ich es auch nicht mehr machen. Musik hat, egal welches Genre, immer etwas mit Emotionen zu tun. Als wir vor Jahren das erste Mal ‚Su lang de Leechter noch brenne‘ in der Lachenden Kölnarena gespielt haben, hatte ich von oben bis unten Gänsehaut. Ich meine, das war ein Lied, das mir mehr oder weniger unter der Dusche in den Sinn kam. Dass so etwas dann derartig funktioniert, ist das tolle und überwältigende an meiner Arbeit.“

Ex-Miljö Sänger Mike Kremer: Mögliches Bühnen-Comeback?

Ob ihm dieses überwältigende Gefühl auf der Bühne fehlt und er sich vielleicht sogar ein Comeback vorstellen kann?

Mike Kremer hat darauf eine klare Antwort: „Ich schließe nicht aus, dass man mich irgendwann irgendwo nochmal auf Bühnen sieht. Aber das mache ich jetzt ja auch noch, zum Beispiel bei ‚Kölle singt‘ von meinem Freund Björn Heuser bin ich regelmäßig für zwei, drei Songs zu Gast. Ebenso bei manchen Auftritten von Miljö. Was ich aber ausschließen kann ist, mich nochmal voll in die Karnevals-Auftritte mit dieser exorbitanten Schlagzahl reinzustürzen. Das geht nicht mehr.“

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Im Hintergrund die Fäden ziehen und mit seinen Texten viele Menschen glücklich machen, das sei es, was Kremer aktuell erfüllt. „Ich stehe morgens auf und arbeite in Jogginghose an den Texten und Melodien. Manchmal entstehen fünf, sechs Werke am Tag, an manchen Tagen auch gar keins. Ich mache mir dann keinen Druck mehr, ich versuche es zumindest“, sagt Kremer gegenüber EXPRESS.de und fügt an: „Gut, momentan ist es dann doch wieder ziemlich stressig, da das Ballermann-Opening im April ansteht und die Künstlerinnen und Künstler neue Songs brauchen. Da muss ich jetzt weiter dran arbeiten.“

Der beliebte Kölner Sänger hat sich aus der großen Öffentlichkeit des Kölner Karnevals zurückgezogen. Er ist mit seiner Arbeit aber immer noch präsenter als viele ahnen – egal ob in den Sitzungssälen oder am Ballermann. Su lang beim Lommi die Leechter noch brenne!