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49 Jahre gearbeitet, jetzt armKölner Rentnerin am Limit

Rentnerin mit Einkaufstaschen (Symbolbild).

Rentnerin mit Einkaufstaschen (Symbolbild).

Ein ganzes Leben lang geschuftet und am Ende reicht es nicht einmal für ein Café-Besuch. Die Kölnerin Karin (76) hat 49 Jahre gearbeitet. Ihre Geschichte ist ein bitterer Blick in die Zukunft vieler Rentnerinnen und Rentner.

Gute Tage rechnet Karin (76) in Lebensmitteln. Ein ganzer Spitzkohl für einen Euro vom Markt. Sechs Pakete Butter aus Holland, von einer Freundin mitgebracht. Eine geschenkte Avocado von der Nachbarin.

Karin hat 49 Jahre lang gearbeitet und Beiträge gezahlt, wie sie dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ erklärt. Ihre Rente aktuell: 940 Euro im Monat. Nach Abzug von Miete und Nebenkosten bleiben ihr gerade mal 360 Euro. Ein Leben am Limit.

Weil das Geld zu wenig zum Leben ist, stockt der Staat ihr Einkommen mit knapp 200 Euro Wohngeld auf. Doch selbst damit ist jeder Tag ein Kampf. Am Ende des Monats steht immer eine Null. Statistisch geht es jedem fünften Rentner in Westdeutschland so.

Dabei geht es vielen auch gut. Wilfried Preisendörfer (72) zum Beispiel, ein ehemaliger Bankkaufmann, bekommt rund 2700 Euro Rente. 48 Jahre hat er in die Rentenkasse eingezahlt, über 20 Jahre davon Höchstbeiträge. „Ich kann von meiner Rente gut leben“, sagt er.

Es wird viel diskutiert, aber wenig gehandelt

Wenn die Politik nicht handelt, droht die Zahl der Menschen, die in der Grundsicherung landen, bis 2040 dramatisch zu steigen. Weniger junge Beitragszahlerinnen und Beitragszahler müssen für immer mehr Seniorinnen und Senioren aufkommen – eine einfache Rechnung mit verheerenden Folgen.

Seit Norbert Blüms berühmtem Satz „Die Renten sind sicher“ wird diskutiert, aber wenig gehandelt. Politiker und Politikerinnen scheuen unpopuläre Reformen, denn über 60-Jährige sind eine riesige Wählergruppe. Stattdessen gibt es teure Geschenke wie die Mütterrente.


Bei euch reicht es auch hinten und vorne nicht? Zu wenig Rente, zu wenig Geld, zu viel Abgaben und Ärger? Dann meldet euch bei uns!

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Besonders hart trifft es Frauen. Sie bekommen im Schnitt fast 40 Prozent weniger Rente als Männer. Warum? Weil sie öfter in Teilzeit arbeiten oder unbezahlt Kinder und Haushalt managen.

Mit 14 begann Karin ihre Lehre zur Arzthelferin. „Nein, nicht Medizinische Fachangestellte! Ich war examiniert, durfte intravenös spritzen“, erzählt sie stolz in ihrer kleinen Wohnung in Niehl. Geschminkt, damit mache sie sich Mut. „Mein Chef hat immer gesagt: Dich kann ich überall hinschicken. Du kriegst alles geregelt.“

„Manchmal kotzt mich das an“

An schlechten Tagen steht Karin am Rudolfplatz und liest die Speisekarten der Cafés. Latte macchiato, Reibekuchen, ein Schnitzel. „Dann merke ich: Das kann ich mir alles gar nicht leisten“, sagt sie. Also geht sie wieder heim. „Manchmal kotzt mich das an. Ich sitze hier bei meinem Wasser und weiß: Nebenan lassen andere die Gläser klirren.“

Nur das Rauchen gibt sie nicht auf. Auch hier hilft ihr, dass sie ein geselliger Mensch ist. „Ich habe eine Freundin, die dreht mir manchmal ein ganzes Päckchen.“

Dabei war Fleiß immer da, aber das Geld nie. „75 Mark habe ich im ersten Lehrjahr verdient. Man nannte das damals gar nicht Gehalt, sondern Erziehungsbeihilfe“, erinnert sich Karin. Ein typischer Frauenjob: schlecht bezahlt.

Später, auf dem Markt, verdiente sie manchmal 1000 Euro die Woche. Doch in die Rente zahlte sie davon wenig ein. Ihr Ex-Freund hinterließ ihr zudem 100.000 D-Mark Schulden. „Das habe ich jahrelang abbezahlt“, sagt sie.

Hilfe kommt von Vereinen wie „Ein Herz für Rentner“. „Eine altersgerechte Ernährung ist mit dem Budget nicht möglich“, sagt Jürgen Daldrup vom Kölner Verein dem „Stadt-Anzeiger“. Er und sein Team helfen bei Nachzahlungen oder mit Supermarkt-Gutscheinen. „Es kommen Menschen zu uns, die haben am 25. noch eine Dose Ravioli. Das reicht nicht“, so Daldrup.

„Gegen Armut hilft nur Geld“, stellt Daldrup klar. Auch für Karin konnte der Verein schon einspringen, als eine hohe Gas-Nachzahlung hereinbrach. Eine Summe, die von der kleinen Rente unmöglich zu sparen ist.

Trotz allem lässt sich Karin nicht unterkriegen. Manchmal dreht sie die Musik laut auf und tanzt im Wohnzimmer. „Da fetz ich drauf ab“, sagt sie und lacht. Wenn sie tanzt, ist sie nicht arm. Wenn sie tanzt, ist sie vielleicht nicht einmal alt. (red)


Ein Herz für Rentner e. V. unterstützt bundesweit Rentnerinnen und Rentner, die sich trotz jahrelanger Arbeit nicht das Nötigste zum Leben leisten können. Dazu gehören Brillen, Zahnbehandlungen, Möbel, Heizkostennachzahlungen, usw. Ebenso setzt sich der Verein mit kostenlosen Veranstaltungen gegen Einsamkeit im Alter ein. Seit 2019 gibt es ein NRW-Büro in Köln am Rudolfplatz.