Der Düsseldorf-Report„Zu uns dürft ihr ruhig Zigeuner sagen“

Düsseldorf – Eller. Otto-Pankok-Straße, Bahndamm nicht weit. Jägerzäune, Vorgärten. Und der Gartenzwerg ist auch schon da.

Typisch deutsche Vorstadtsiedlung – möchte man meinen. Wenn auch nicht ganz so geleckt. Nur der Mann mit dem schmalen Schnäuzer, der seiner Gitarre so wunderbare Töne entlockt, der passt dann doch nicht so ins deutsche Vorgartenbild.

Rigoletto Winterstein heißt er. Lässig sitzt er in einem Campingstuhl auf dem Bürgersteig und lächelt: „Ja, meine Herren, vor 30 Jahren hätte ich mir auch nicht vorstellen können, dass ich mal einen Gartenzaun haben würde. Jetzt finde ich ihn sogar ganz nett.“

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Rigoletto (63) ist erfolgreicher Musiker – und Sinto. „Sie dürfen auch Zigeuner sagen, das stört höchstens unseren Zentralrat, mich nicht“, sagt er und lädt uns in sein Haus: „Meine Enkelin macht einen wunderbaren Kaffee.“ 27 Enkelkinder hat er. 14 wohnen noch in der kleinen Straße. Die einzige in Düsseldorf, wo ausschließlich Sinti leben.

1982 wurde die Siedlung von der Stadt gebaut. Rigo: „Vorher stand hier in der Nähe unsere Wohnwagensiedlung. Ich bin auch in einem Wohnwagen aufgewachsen. Nicht alle wollten damals in die Steinhäuser umziehen. Vor allem die Alten nicht. Unsere maroden Wohnwagen mussten wir übrigens verbrennen.“

Jetzt wohnen hier rund 30 Familien. Und jede hat mindestens wieder einen Wohnwagen hinterm Haus. Rigo hat zwei. „Die sind immer so eingerichtet, dass wir sofort losfahren können.“

Macht er aber nur einmal im Jahr. „Dann fahren wir mit der ganzen Familie sechs Wochen lang auf ein großes Sinti-Treffen irgendwo in Europa.“ Normal Urlaub machen – etwa auf Mallorca – käme ihm nicht in den Sinn. Das ist dann doch wohl zu deutsch.

Draußen hupt ein Auto. Cousin Johnny Mettbach ist von der Mosel gekommen. Dort lebt er immer mal wieder auf einem Campingplatz. An das Leben im Steinhaus hat er sich im Gegensatz zu Rigo noch nicht richtig gewöhnt.

Johnny (58): „Früher war’s doch einfach schöner. Wir haben gelebt wie die Indianer, wild in den Flüssen geangelt, Feuer gemacht. Wir waren frei. Und heute?“

„Heute“, sagt Rigoletto, „sind andere Zeiten. Wir müssen an die Kinder denken. Die gehen hier zu Schule. Die sollen mal was werden. Ich habe mir Lesen und Schreiben selbst beibringen müssen. Durch Micky-Maus-Hefte. Nicht gut!“

Johnny macht sich vom Acker. „Richtung Süden!“ Rigoletto greift wieder zur Gitarre. Den Enkeln Mongino (4) und Mose (5) ein paar Griffe beibringen: „Das ist so wichtig wie Lesen und Schreiben. Musik gehört ganz eng zu unserer Kultur. Wie unsere Sprache Romanes. Die sprechen alle Kinder. Neben Deutsch natürlich.“

Und was ist sonst von der Sinti-Kultur in der Otto-Pankok-Straße geblieben?

Rigoletto: „Einiges. Wir würden unsere Alten nie in ein Altersheim stecken. Jeder hilft hier jedem. Und wir sind immer noch ein gastfreundliches Volk. Wenn hier einer eine Feier macht (und das passiert oft) kann jeder kommen. Ohne Einladung. Natürlich auch unsere netten Düsseldorfer Nachbarn. Wird sind nämlich auch Düsseldorfer. Und wir lieben unsere Stadt. Egal ob im Steinhaus oder im Wohnwagen …“