Bonner (37) ließ Mutter hilflos sterbenSohn: „Ich schämte mich, den Notarzt zu rufen“

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Der Angeklagte mit seinem Verteidiger am Donnerstag, 2. Juli, im Bonner Gericht.

Bonn – „Eine Schicksalsgemeinschaft!“ Fast vierzig Jahre haben sie unter einem Dach gelebt: Mutter und Sohn . Viele Jahre auch in großer emotionaler Nähe – und Zugewandtheit. Dann jedoch musste die Mutter als Sachbearbeiterin einer Bundestagsfraktion 1999 nach Berlin. So kam sie nur noch an Wochenenden in das gemeinsame Godesberger Zuhause und als sie ihren Job 2015 gegen eine Abfindung verlor, baute sie rapide ab.

Physisch, aber auch mental, mit Zügen von Paranoia, so erinnerte sich am Donnerstag der Sohn (37). Es war wohl ein dramatischer Absturz einer „sehr starken Persönlichkeit“, die ihr Kind alleine erzogen und die den Namen des Vaters nie preisgegeben hat. Nicht einmal dem Sohn.

Bonner ließ Mutter hilflos sterben: 37-Jähriger wohl überfordert

Am Ende ihres Lebens konnten sie sich nicht mehr helfen. Der Sohn hatte – wohl aus Überforderung – seine hilflose Mutter einfach auf dem Boden im Wohnzimmer liegen gelassen und sich mit Alkohol und Joints ins Vergessen gebeamt. Zwei Tage lang, bis er seine Mutter – immer noch an derselben Stelle – leblos vorfand. Der Notarzt konnte nur noch ihren Tod feststellen, sie war an Unterkühlung gestorben.

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Bonner ließ Mutter hilflos sterben: Anklage wegen Totschlags durch Unterlassung

Nach dem elenden Tod seiner Mutter am 9. Mai 2019 muss sich der 37-Jährige, der seit vielen Jahren als Kellner seinen Unterhalt verdient, wegen versuchten Totschlages durch Unterlassen verantworten. Da nicht sicher ist, ob die 63-Jährige nicht auch gestorben wäre, wenn der Angeklagte rechtzeitig Hilfe geholt hätte, sei ihm der vollendete Tod nicht voll zuzurechnen, heißt es in der Anklage.

„Ich war mit der Pflege meiner Mutter völlig überfordert gewesen“, gestand der Angeklagte gleich zu Prozessbeginn. Zwei Jahre vor ihrem Tod habe sie das letzte Mal das Haus verlassen, seitdem sei sie nicht mehr in der Lage gewesen, sich selbst zu versorgen. Sie wechselte nur noch von einem Sessel zum anderen und kam nicht mehr alleine zur Toilette. Immer wieder, so erzählte er,  habe sie ihn gebeten, sie doch zu töten. Aber eine aktive Sterbehilfe sei nie in Frage gekommen.

Bonner ließ Mutter hilflos sterben: Sohn kann sich Tat nicht verzeihen

Im Oktober 2018 wurde die 63-Jährige erstmals als Notfall in die Klinik gebracht: Der verächtliche Blick der Sanitäter, die ihm die Schuld für den verwahrlosten Zustand seiner Mutter gegeben hätten, habe ihm so zugesetzt, dass er sich ein halbes Jahr später geschämt habe, erneut einen Notarzt zu holen.

Es gab wohl auch noch andere Gründe: Die 63-Jährige war nicht ausreichend versichert gewesen, erzählte ihr Sohn, sie hatte bereits hohe Schulden gehabt. Auch sei sie all die Jahre zu stolz gewesen, eine Unterstützung zu beantragen. Am Ende sei er „so zermürbt gewesen, dass ich den Dingen den Lauf gelassen habe“. Mit dem exzessiven Alkohol habe er sich einfach „weggeknockt“, so der Angeklagte, der einräumte, dass er seit 2010 ein massives Alkoholproblem habe.

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Was geblieben ist – ein Jahr später: „Eine unheimliche Scham, dass ich meiner Mutter nicht geholfen habe“, so der 37-Jährige. „Dass ich nicht gehandelt habe, ist ein unmenschliches Verhalten, das ich mir nicht verzeihen werde.“ Denn dass „meine Mutter gestorben ist, war keineswegs eine Erleichterung für mich“. Im Gegenteil: „Ich habe den wichtigsten Menschen unwiederbringlich verloren“.

Seit ihrem Tod lebt der Sohn weiterhin unter dem Dach, wo er so viele Jahre mit seiner Mutter gewohnt hatte.  (ucs)