Vor Bonner LandgerichtFünffache Mutter (48) stach Tanke-Mitarbeiter nieder

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Die Angeklagte am Montag, 29. Juni, vor dem Bonner Landgericht.

Bonn/Sankt Augustin – „Ich kam mir vor wie eine Schlafwandlerin“, so die Angeklagte am Montag im Bonner Gericht. Rückblick: In der Nacht zum 7. Februar 2020 hatte die 48-Jährige mit Rucksack und Habseligkeiten ihre Wohnung verlassen, ließ sich von einem fremden Mann in eine Kaserne bringen, wo sie – ohne Einberufungsbefehl – abgewiesen wurde. Nach einer langen Odyssee landete sie schließlich via Hauptbahnhof in Sankt Augustin, wo sie – wie schon Jahre zuvor – zum Kampfsporttraining wollte.

Prozess vor Bonner Landgericht: 48-Jährige stach mit Outdoor-Messer zu

Morgens gegen 6.45 Uhr jedoch erschien sie in einer Tankstelle, breitete ihre Klamotten aus als sei sie hier zuhause und nahm sich ein Getränk. Dann steckte sie sich ein Zigarillo an. Als der Mitarbeiter sie aufforderte, die Tanke zu verlassen, habe sie Panik bekommen. „Ich wollte nur hier nur raus“, erinnerte sie sich vor dem Bonner Landgericht. Da habe sie ihr Outdoor-Messer genommen und dem 24-Jährigen, der die Tür versperrte, in den Unterbauch gestochen.

Prozess vor Bonner Landgericht: Während der Tat schuldunfähig

In einem Unterbringungsverfahren vor der 7. Großen Strafkammer muss sich die Ex-Frau eines Rechtsanwaltes wegen schweren räuberischen Diebstahls sowie gefährlicher Körperverletzung verantworten. Allerdings habe sich die Mutter von fünf Kindern im Zustand der Schuldunfähigkeit befunden, als sie die Straftaten begangen hat, heißt es in der Antragsschrift der Staatsanwaltschaft. Die 48-Jährige, die seitdem vorläufig in der Psychiatrie untergebracht ist, konnte sich am Montag an alles präzise erinnern und wirkte ganz klar. Seitdem sie medikamentös behandelt wird, seien die Halluzinationen nicht mehr vorhanden.   

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Hintergrund der psychischen Erkrankung, so berichtete es die studierte Pädagogin, sei ein langjähriges Drama mit ihrem Ehemann, einem Rechtsanwalt, den sie im Studium kennengelernt hatte und der als Waffenhändler im Darknet unterwegs gewesen sein soll.

Im Jahr 2015 – mittlerweile hatten die Eheleute fünf Kinder – eskalierte es. Es kam zum ersten SEK-Einsatz sowie zur Untersuchungshaft des Juristen. Wenige Monate später flüchtete die Mutter unbemerkt mit den Kindern, weil er sie bedroht haben soll. Er habe sie zwingen wollen, bei seinen kriminellen Geschäften mitzumachen:  „Du tust, was ich sage, sonst stirbst Du!“, habe er sie bedroht. „Da wusste ich, dass ich ihn verlassen muss.“ Sie flüchtete unbemerkt mit den Kindern auf einen Spielplatz, alarmierte die Polizei und wurde zunächst in einem Frauenhaus untergebracht. Es war der „einschneidenste Entschluss meines Lebens.“

Prozess vor Bonner Landgericht: Ehe warf sie aus der Bahn

Das Amtsgericht Bergheim hat den 33-jährigen Familienvater schließlich im Jahr 2017 unter anderem wegen Waffenhandels im Darknet und Sprengstoffbesitzes zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. In der Berufung 2018 jedoch hat der Rechtsanwalt aus Pulheim, der heute noch im Besitz seiner Zulassung ist, überraschend sein Geständnis widerrufen und seine mittlerweile geschiedene Ehefrau belastet. Angeblich soll sie den Waffenhandel betrieben haben. Aber die Ermittlungen gegen die 48-Jährige wurden mittlerweile eingestellt.

Durch die dramatische Ehe-Geschichte, auch den späteren Entzug all ihrer Kinder durch das Jugendamt und schließlich den „Medienrummel“ nach dem zweiten Prozess ihres Ex-Mannes sei sie wohl unbemerkt psychisch krank geworden. „Zunächst bemerkte ich nur, dass ich Fluglärm nicht mehr aushalte.“ Die 48-Jährige vor Gericht: „Das alles war offenbar zu viel Stress.“ (ucs)