Es ist vollbracht: Florian Lipowitz ist bei der Tour de France mit Anhieb auf das Podium gefahren.
„Kann große Dinge erreichen“Deutscher auf dem Treppchen – Tour-Dominator adelt Lipowitz
Florian Lipowitz fährt bei seinem Tour-Debüt zum Teil auf Augenhöhe mit den „Außerirdischen“ Tadej Pogacar und Jonas Vingegaard. Dem früheren Biathleten prophezeien Ex-Profis große Erfolge.
Als Florian Lipowitz auf dem Podium auf den Champs-Élysées an der Seite von Tadej Pogacar und Jonas Vingegaard für die Kameras posierte, dürfte dem neuen deutschen Radstar endgültig bewusst geworden sein, was er eigentlich erreicht hat.
Florian Lipowitz war mal Biathlet
Pogacar, Vingegaard und dann Lipowitz: Mit dem dritten Gesamtplatz und dem Weißen Trikot bei seinem traumhaften Tour-de-France-Debüt hat sich der Quereinsteiger aus Ulm in die Weltspitze katapultiert.
Drei Wochen nach dem Start der Frankreich-Rundfahrt in Lille hat sich der 24-Jährige, der mit überschaubarer Rundfahrt-Erfahrung gestartet war, in der Radsportwelt einen Ruf wie Donnerhall erarbeitet. Dabei liegt Lipowitz’ ganz große Zeit erst vor ihm, meinen viele Experten. „Sein Potenzial ist noch nicht ausgeschöpft, er kann sich noch verbessern. Man muss ihm die Zeit geben“, sagte Jan Ullrich.
Auch auf den letzten Kilometern seines gefeierten Tour-Debüts begleiteten Lipowitz die Lobeshymnen seiner prominenten Vorgänger. „Er ist ein unglaublicher Fahrer“, sagte Ullrich, „ein richtig großes Talent“, ergänzte Andreas Klöden in der „Bild“. Für den früheren Klassementfahrer stand schon vor der Ankunft auf den Champs-Élysées in Paris fest: Lipowitz ist nach den „Außerirdischen“ Tadej Pogacar und Jonas Vingegaard „The Best vom Rest“.
Auch im Peloton ahnen sie, wer da in den kommenden Jahren mit ihnen durch Frankreich rollen wird. „Er wird von Tag zu Tag besser, ist ein unglaublicher Fahrer“, sagte Tour-Dominator Pogacar und prophezeite Lipowitz eine glanzvolle Zukunft: „Wenn er so weiter macht, kann er große Dinge erreichen.“
Der Hochgelobte selbst gab sich noch kurz vor dem Ziel erfrischend überrascht von seinen Großtaten. „Ich hätte niemals damit gerechnet, überhaupt um das Podium mitfahren zu können“, sagte Lipowitz. Platz drei in der Gesamtwertung beim wichtigsten Radrennen der Welt, dazu das Weiße Trikot für den besten Nachwuchsfahrer: Schon beim Aufbruch am Sonntag von Mantes-la-Ville nach Paris gehörte Lipowitz zu den gefeierten Helden der Tour.
Seit Klöden vor 19 Jahren stand kein Deutscher mehr auf dem Podium. Bester Jungprofi aus Deutschland war zuletzt Jan Ullrich 1998 gewesen. Als Klöden in der Dopingära 2006 auf Platz zwei fuhr, war Lipowitz fünf Jahre alt – und verschwendete damals noch keinen Gedanken an eine Karriere im Radsport. Biathlet wollte er werden, doch auf dem Weg in die Weltspitze stoppte ihn ein Kreuzbandriss, den er 2019 beim Kitesurfen erlitt.
Während der Reha half ihm das Radfahren. „Ich habe recht schnell gesehen, dass auch auf dem Rad Talent da ist“, sagte Lipowitz einst, schließlich wechselte er von der Loipe auf die Straße.
Um den Sprung ins Profigeschäft zu schaffen, bewies Lipowitz Mut und Kreativität. In einem persönlichen Gespräch im Januar 2020 überzeugte er Ralph Denk, den Teamchef des deutschen Rennstalls Red Bull-Bora-hansgrohe, nachdem er 100 Kilometer mit dem Rad angereist war und diese Strecke wieder zurückfuhr. Denk nahm den Youngster unter Vertrag. Der Beginn einer Erfolgsgeschichte.
Denk bezeichnet Lipowitz mittlerweile als „Herzensprojekt“. Vor zwei Jahren gewann Lipowitz die Tschechien-Tour, im Jahr darauf siegte er bei der Sibiu-Tour und wurde Siebter bei der Vuelta, seiner ersten Landesrundfahrt. Es folgte der dritte Platz bei der Tour-Generalprobe Criterium du Dauphiné im Juni – und nun ein Debüt bei der Tour de France wie aus dem Märchenbuch.
„Er scheint einen riesigen Motor zu haben und geht nicht kaputt“, sagte Klöden anerkennend. Wie viele andere glaubt er fest an seinen Nachfolger: „Lipowitz hat eine rosige Zukunft vor sich.“