Die Retro-Renner von KölnVintage-Boom in der Radsport-Szene: Glücklich auf dem Stahlrahmen

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Zahlreiche Radfahrerinnen und Radfahrer waren Sonntag in Köln bei einem ganz besonderen Rennen dabei: Back to Steel! Zelebriert wurde die gute alte Zeit im Radsport mit Oldtimern und Stahlrahmen.

von Uwe Bödeker (ubo)

Okay, so ein altes Merino-Trikot kann am Hals schonmal ein wenig kratzen und auch der nur leicht gepolsterte Kopfschutz sitzt nicht gerade bequem – doch für ein paar Stunden ist das den Teilnehmerinnen und Teilnehmern an diesem Sonntag (20. August 2023) egal.

Sie sind in Köln-Lövenich beim Radrennen „Back to Steel“ (zurück zum Stahl) von Ausrichter RSV Viktoria Köln dabei. Zugegeben, ein richtiges Rennen ist es nicht, vielmehr eine Nostalgie-Ausfahrt. Doch genau das trifft aktuell den Nerv in der Radsportszene. Alte Stahlrahmen, edle Lederschuhe in Pedal-Körbchen, fein laufende Edelstahl-Mechanik – viele Fahrerinnen und Fahrer in ganz Europa und auch in Übersee zelebrieren so die gute alte Radsport-Zeit.

Retro-Trend im Radsport: Stahlrahmen boomen

Der Handel mit den alten Rennern blüht – in zahlreichen Großstädten gibt es spezialisierte Händlerinnen und Händler, die die alten Rennmaschinen fahrtauglich machen oder erhalten.

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Jochen hat sein altes Rad von seinem Vater geerbt, er hegt und pflegt es. Was macht den Reiz aus? „Die alte Technik begeistert einfach – und funktioniert auch heute noch einwandfrei. Zudem gab es früher einen ganz besonderen Stil unter Radprofis. Das gefällt mir.“

Der Stil von früher sieht auch heute noch gut aus: schwarze oder braune Lederschuhe, kurze weiße Socken, schwarze Radhose und ein buntes Trikot – anders darf man seinen Stahlrahmen aus Stil-Gründen eigentlich nicht fortbewegen. Aber ganz so eng sehen es die Vintage-Fans auch nicht. Sie genießen einfach das Surren der Ketten und die gemeinsame Ausfahrt in Köln.

Zudem wird gefachsimpelt über die schmucken Räder, die teilweise sogar aus den 1960er Jahren stammen. Stahlrahmen wurden bis in die 1980er-Jahre von Profis gefahren, dann kamen Alu-Rahmen und später wurden bis heute nur noch Carbonrahmen verwendet. Ein alter Renner wiegt gut und gerne elf Kilogramm, heutige Rennräder wiegen 6,8 Kilogramm ...

Während früher die Schaltgriffe noch am Unterrohr befestigt waren, gibt es heute sogar elektronisch unterstützte Schaltsysteme an den High-End-Maschinen der Profis. Dafür muss man dann schonmal über 10.000 Euro hinblättern. Ein gutes altes Stahlrad ist erschwinglicher – ab ca. 400 Euro kann man ein gut erhaltenes Rad erwerben.

Doch auch hier gibt es nach oben kaum Grenzen. Je nach Ausstattung und Sammlerwert können auch die Retro-Maschinen ein kleines Vermögen kosten. In Lövenich sind sich am Start jedenfalls alle einig: So ein altes Rennrad hat einfach mehr Charme als ein modernes „Plastik-Rad.“

Einige legen später sogar über 155 Kilometer und mehr zurück – es gibt aber an diesem Sonntag auch von den Lövenichern ausgezeichnete Strecken über 43, 72 oder 114 Kilometer. 

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Ein weiteres Highlight beim Nostalgie-Rennen: Das Peloton wird begleitet von zwei Oldtimern, einem VW-Käfer, mit den legendären Weltmeister-Streifen verziert und einem Citroen-Kombi CX 25 TRI mit Ersatz-Fahrrädern auf dem Dach. Herrlich – Das Fahrerfeld gleitet so stilsicher zurück in die Vergangenheit und lebt trotzdem im Hier und Jetzt.

Die Retro-Liebe im Radsport erlebt in dieser Zeit einen ungeahnten Boom. Was vor ein paar Jahren nur wenige Liebhaberinnen und Liebhaber pflegten, wird derzeit europaweit zum Mega-Trend. Alljährlich starten bei der mittlerweile legendären Klassiker-Ausfahrt L'Eroica in der Toskana in Italien über 6000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Wer hätte das gedacht, als bei der Erstaustragung 1997 nur wenige Radsport-Enthusiasten am Start standen? Mittlerweile hat die Rennserie expandiert: Es gibt Veranstaltungen in den USA, Japan, Großbritannien, Spanien, den Niederlanden und Deutschland.

Wer bei solch einem Rennen dabei sein will, muss schnell sein, die Plätze sind fix ausgebucht. Teilnehmen darf man aber nur mit einem Rad, welches vor 1987 erbaut wurde. Die Bremszüge müssen noch oben aus dem Lenker schauen, dürfen nicht (wie heute) innen verlegt sein. Rahmenschaltung und Pedalkörbchen mit Riemen verstehen sich von selbst.

Neben der L'Eroica-Serie gibt es aber auch in Deutschland immer mehr Klassiker-Ausfahrten – wie „Back to Steel“ in Köln-Lövenich.