Schuld an MassensturzTour will Fan verklagen – nach dem Unfall war sie noch dreister

Tony Martin fährt bei der Tour de France in das Pappschild eines Fans.

Auf der ersten Etappe der Tour de France hat ein Zuschauer am Samstag (26. Juni) einen Massensturz verursacht. Er brachte den deutschen Rad-Profi Tony Martin (l.) zu Fall.

von Uwe Bödeker (ubo)

Brest/Köln. Es war ein Horrorstart in die Tour de France am Samstag, 26. Juni, in Brest. Auf der ersten Etapppe kam es zu zwei Massenstürzen. Besonders der erste, rund 40 Kilometer vor dem Ziel, machte die Radsportszene fassungslos. Ein offenbar weiblicher Fan hatte ein Pappschild in die Kameras gehalten. Dieses Schild wurde Tony Martin (36) zum Verhängnis und damit auch zahlreichen anderen Fahrern. Denn nachdem Martin in das Schild gekracht war, stürzten rund 30 weitere Fahrer. Die Profis waren entsetzt und fanden deutliche Worte. Und die Polizei sucht jetzt nach der dreisten Unfallverursacherin, sie war offenbar einfach abgehauen.

Die Liste der Opfer ist lang: Der Franzose Cyril Lemoine (Team B&B/KTM) erlitt vier gebrochene Rippen und einen Pneumothorax. Ex-Tour-Sieger Chris Froome (36, Team Israel Start-Up-Nation) musste nach dem Massensturz für weitere Untersuchungen in ein Krankenhaus, Brüche wurden zunächst nicht diagnostiziert.

Der Schweizer Marc Hirschi (UAE) hat sich die Schulter ausgekugelt, der litauische Meister Ignatas Konovalovas war ohnmächtig und hatte eine Kopfverletzung. Er musste die Nacht in der Klinik verbringen. Marc Soler (Movistar) hat sich beide Ellenbogen gebrochen und ein Handgelenk.

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Massensturz bei der Tour de France: Jasha Sütterlin muss aufgeben

Jasha Sütterlin (28/DSM) musste die Tour de France gleich zu Beginn mit einer schweren Handprellung aufgeben: „Ich kann mein rechtes Handgelenk nicht wirklich bewegen, also war es für mich unmöglich weiterzumachen", sagte Sütterlin: „Es ist gut, dass nichts gebrochen ist, aber ich kann nicht mehr sagen, als dass ich wirklich enttäuscht bin, nach Hause zu fahren."

Entsprechend groß ist die Empörung über den weiblichen Fan, der ein Schild auf die Straße reckte: „Allez! Opi + Omi“ stand da drauf. Radprofi Jasper Stuyven twitterte süffisant: „Ich hoffe, dass Omi und Opi jetzt stolz auf dich sind.“

Massensturz bei Tour de France: Fans schalten Hirn aus

Cees Bol, Teamkollege von Jasha Sütterlin (28, Team DSM), schimpfte auf Eurosport: „Das war ziemlich schlecht, wirklich ganz blöd. Diese Fans sind einfach so aufgeregt, dass sie ihr Gehirn ausschalten. Dass sie uns in Gefahr bringen damit ist wirklich eine blöde Sache. Die meisten Fans sind gut und passen auf, aber Einige, die sind einfach darauf aus, ins Fernsehen zu kommen. Es ist aber die Identität des Radsports, dass die Fans hautnah dabei sind. Trotzdem braucht es genügend Ordner an der Strecke die das Ganze im Griff halten.“

Tony Martin (36, Team Jumbo-Visma) schilderte die Situation so: „Es war eigentlich eine relativ entspannte Situation im Rennen, ich wollte meinen Teamkollegen rechts überholen. Da habe ich einen Fan gesehen mit Pappschild, aber das sind Situationen, wie sie immer stattfinden bei einem Rennen wie der Tour. Man muss dann einfach davon ausgehen, dass die Zuschauer rechtzeitig Platz machen und zur Seite gehen. Manche Zuschauer haben aber überhaupt keinen Respekt und schalten nicht ihren Kopf ein. Ich habe gesehen, dass sie nur mit der Kamera mitgegangen ist, sie hatte uns Fahrer gar nicht mehr im Blick. Ich habe einige Prellungen, ich werde weiter fahren. Es war alles trotzdem schlimm, aber es passiert gefühlt jedes Jahr wieder. Schade.“

Tour de France: Nils Politt verliert 8:49 Minuten auf Sieger Julian Alaphilippe

Nils Politt (27, Team Bora-hansgrohe) war nach der Etappe bedient, er verlor 8:49 Minuten auf Sieger Julian Alaphilippe: „Beim ersten Sturz stand ich eigentlich schon, doch da rauschten sie von hinten in mich rein. War kein so schöner Einstand in die Tour. Beim zweiten Sturz war ich weiter hinten, hatte Glück, musste aber Kollege Patrick Konrad aufheben.“

André Greipel (38, Team Israel Start-Up-Nation) verlor 11:16 Minuten: „Ich hatte das Vergnügen bei beiden Massenstürzen dabei gewesen zu sein. Es war zu erwarten anhand des Parcours mit sehr vielen schmalen Straßen. Ich hoffe, den anderen Fahrern geht es gut. Aber mit Sicherheit gab es bessere Auftakte. Ich lag im Straßengraben, bin gottseidank weich gefallen, lag auf anderen Fahrern drauf. Wenn man mit 70 oder 80 km/h stürzt, kann man froh sein, wenn man so glimpflich davongekommen ist.“

Tour de France: Veranstalter will Fan mit Pappschild verklagen

Am Sonntagmorgen wurde nun bekannt dass die Organisatoren der Tour der France juristisch gegen die Zuschauerin vorgehen wollen. Das bestätigte die Veranstalter-Firma A.S.O. dem Sport-Informations-Dienst.

Die Frau wird allerdings derzeit noch von der Polizei gesucht, sie habe sich vor dem Eintreffen der Gendarmerie vom Unfallort entfernt. Unfallflucht! Zeugen sollen nun Angaben zur Täterin machen. Sie wurde offenbar nicht verletzt und beobachtete noch einige Zeit die Aufräumarbeiten nach dem Sturz bevor sie verschwand.

Insgesamt kamen rund 30 Fahrer zu Fall, zwölf haben sich schwerer verletzt. Der Materialschaden durch zerbrochene Rahmen und zerstörte Laufräder dürfte bei mehr als 60.000 Euro liegen, allein eine Rennmaschine der Profis kostet um die 15.000 Euro. „Wir werden diese Frau verklagen, die sich so schlimm verhalten hat“, sagte der stellvertretende Renndirektor Pierre-Yves Thouault der Nachrichtenagentur AFP: „Wir machen dies, damit sich die winzig kleine Minderheit von Leute, die sich so verhält, den anderen nicht die Show verdirbt.“