Kommentar zur Leichtathletik-WMAbsoluter Tiefpunkt: Deutschland nur noch Weltmeister der Ausreden

Die deutsche Leichtathletik hat einen historischen Tiefpunkt erreicht: Bei der Weltmeisterschaft in Budapest gab es keine einzige Medaille für das DLV-Team. Aber Ausreden helfen nicht weiter. Ein Kommentar.

von Uwe Bödeker (ubo)

Es gab wenige Athleten, die es auf den Punkt gebracht haben: „Das war ordentlich, aber ordentlich reicht bei einer WM ja nicht“, sagte Zehnkampf-Ass Niklas Kaul (25) nach seinen ersten absolvierten Disziplinen ohne Lachen im Gesicht.

Leider musste der Europameister und Weltmeister aus dem Jahr 2019 wenig später verletzt aufgeben. Wieder eine Medaillen-Chance weniger für Deutschland. Andere aus dem deutschen Team tanzten dagegen im Stadion nach Platz acht, lagen sich in den Armen nach Platz sieben oder liefen eine Ehrenrunde nach Platz fünf – das war vor ein paar Jahren undenkbar.

46 Nationen bejubeln Medaillen bei der Leichtathletik-WM

Am Ende der WM in Budapest (27. August 2023) stand das deutsche Team mit leeren Händen da. Historischer Tiefpunkt: Keine einzige Medaille für Deutschland – das gab es in der WM-Historie in 40 Jahren noch nie. 46 Nationen durften derweil bei der Leichtathletik-WM über Medaillen jubeln. Russland war nicht dabei, wurde im Vorfeld ausgeschlossen.

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Und Deutschland? Man muss es so hart ausdrücken: Wir sind in großen Teilen nur noch Weltmeister und Weltmeisterinnen der Ausreden. Nach den zahlreichen verkorksten Leistungen gab es aus dem deutschen Team und drumherum viele Erklärungen: „Der Athlet oder die Athletin ist noch jung, er oder sie muss Erfahrungen sammeln.“ „In anderen Ländern werden die Sportlerinnen und Sportler besser unterstützt.“ Oder: „In Deutschland trainieren wir unter amateurhaften Bedingungen.“

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Ob die Bedingungen in Jamaika, Kenia, Uganda, der Ukraine, in Burkina Faso, Botswana, Pakistan oder Indien wirklich professioneller sind als in Deutschland, erscheint allerdings mehr als fraglich. Dort gibt es einfach mehr Athletinnen und Athleten mit Biss, die hart trainieren und alles geben für den Erfolg.

In Deutschland dagegen hat man das Gefühl, dass viele satt sind. Wenn es nicht klappt – auch nicht so schlimm. Eine WM-Medaille sie ja schon „ein krasses Ziel“. Um in der Weltspitze ganz oben zu sein, reicht diese Einstellung eben nicht. 

„Ein Trauerspiel – ohne Worte“

Deutschland war über Jahrzehnte eine der weltweit führenden Nationen in der Leichtathletik. Bessere Trainingsbedingungen als heute hatte kein Star, egal ob 400-Meter-Hürden-Läufer Harald Schmid, Hochspringerin Ulrike Nasse Meyfarth, ihr männlicher Kollege Dietmar Mögenburg oder Diskuswerfer Robert Harting. 

Zehnkampf-Legende Jürgen Hingsen fällte nach der WM in Budapest nun ein hartes Urteil: „Ein Trauerspiel – ohne Worte. Da müssen sich einige Leute fragen, was falsch läuft. Mir fehlt es an einem überzeugenden Konzept. Wir sind stehen geblieben, die Welt dreht sich weiter.“

Zum Thema Bedingungen: In Deutschland gibt es beste Trainingsvoraussetzungen, zahlreiche Olympiastützpunkte, Hallen für das Training im Winter, perfekt ausgestattete Krafträume, wissenschaftliche Unterstützung von Expertinnen und Experten, professionelle medizinische Betreuung sowie Hightech-Material inklusive Ausrüstung. Da schauen viele Sportlerinnen und Sportler aus anderen Nationen neidisch nach Deutschland.

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Aber in Deutschland wird aber gehadert, woanders wird geackert. Wie sagte einst der ehemalige US-Präsident Theodore Roosevelt (geboren 1858, gestorben 1919): „Tu was du kannst, mit dem was du hast, dort wo du bist.“ Vielleicht sollte das auch endlich wieder ein Leitspruch für die deutschen Sportlerinnen und Sportler werden – nicht nur für die Leichtathletinnen und -Athleten, auch für die Fußballer.

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