Spielerberater aus PulheimVolker Struth: Der Mann mit dem goldenen Riecher

Volker Struth in seinem Büro: An diesem alten Eichentisch werden Karrieren gemacht und neue Ideen entwickelt. Dahinter baumeln die Trikots seiner Fußball-Stars.

Volker Struth in seinem Büro: An diesem alten Eichentisch werden Karrieren gemacht und neue Ideen entwickelt. Dahinter baumeln die Trikots seiner Fußball-Stars.

„Mitleid kriegst du geschenkt. Das hab’ ich als kleines Kind oft genug erlebt. Neid und Missgunst musst du dir erarbeiten.“

(Volker Struths Wahlspruch)

Früher fuhr er Zeitungen und Milch aus, verhökerte Büroklammern und schleppte Schweinehälften im Schlachthof. Heute ist Volker Struth (47) einer der mächtigsten Spielerberater Deutschlands. EXPRESS machte sich auf die Spurensuche: Wie hat das Waisenkind aus Pulheim es nur geschafft, jede seine verrückten Ideen zu Gold werden zu lassen?

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Der „Goldesel“ thront hinter seinem massiven Eichentisch im Ossendorfer Büro und grinst noch so schelmisch wie vermutlich vor 20 Jahren: „Als Kind habe ich das »Vater unser« immer mit dem Zusatz gebetet: Vater, schenk mir einen guten Job, wenn ich groß bin.“

Der Wunsch kam nicht von ungefähr: Seine Mutter war erst 17, als sie schwanger wurde, der Kindsvater verabschiedete sich schnell. Volker kam zu seinen Großeltern, doch der Opa, Kriegsinvalide und Schichtarbeiter bei Ford, starb früh, die Eltern ebenfalls. Seine Oma und er lebten von der Hand in den Mund. „Mein schönstes Weihnachtsgeschenk war ein Fußball. Den hab’ ich sogar mit ins Bett genommen – und da war ich schon 15.“

Volker wollte mehr, Volker wollte raus. Auch mal in so einem beleuchteten Pool schwimmen, den er beim Äpfelklauen auf einem schnieken Grundstück entdeckt hatte. Er kickte gut, in allen möglichen Amateurligen. Aber er wusste: „Für die Spitze, wo du richtig Geld verdienst, bist du nicht gut genug.“

Der „miese Realschüler, sogar Sitzenbleiber“ wurde Zimmermann, schulte auf Industriekaufmann um, gründete 1994 eine Firma für Bürobedarf. „Mein Büro waren die Kellerräume des Schwiegervaters, mein Lager dessen Garage“, lacht er. Binnen kurzer Zeit wurde die Firma zur drittgrößten in NRW.

Und Tausendsassa Struth erkannte sein wahres Talent: Gemeinsam mit cleveren Kumpanen neue Ideen entwickeln und, ganz wichtig, die richtigen Partner ins Boot holen. „Ich bin nicht so ein Marketing-Fuzzi, hab’ noch nie in meinem Leben eine Powerpoint-Präsentation gemacht", gesteht er. „Ich muss im persönlichen Gespräch überzeugen – und zwar immer den Chef persönlich, nicht irgendwelche Mitarbeiter.“

Erinnern Sie sich an den Mottoschal zu Karneval? An die WM-Fähnchen, an all die Klamotten, Turnschuhe und Schirme mit Köln? Hunderte von Ideen und Lizenzen sicherte er sich mit seinem Partner Eric Bock. Stichwort „Oktoberfest“. Raten Sie mal, wer die erste Riesengaudi außerhalb Münchens in Köln etabliert hat?

So viel Erfolg weckt Neider. Gutes Netzwerk oder doch Mauschelei? Der Geschäftsmann bekam sogar schon einmal die Staatsanwaltschaft auf den Hals gehetzt. Doch es stellte sich am Ende heraus, dass alles rechtens war.

2007 kam Reiner Calmund, väterlicher Freund seit langem, die Idee: „Junge, du verstehst was von Fußball und kannst mit Menschen umgehen. Warum wirst du nicht Spielerberater?“ Im Windschatten des Fußballkolosses und in Zusammenarbeit mit Spielerberater Dirk Hebel ( „wir beiden ergänzen uns einfach blind“) wagte der einstige Amateurkicker sich auf ein Terrain, auf dem sich allein in Deutschland 1000 Spielerberater tummeln, darunter auch manch schwarzes Schaf.

Doch die hatten die Rechnung ohne den Struth gemacht. Binnen kurzer Zeit hatte er Talente wie Götze, Kroos und Reus in seiner Kartei. Warum die Goldjungs ihn auswählten? Klar, könnte er jetzt typische Spielerberater-Plattitüden von sich geben. Dass er zarte Pflänzchen gedeihen lasse. Geschenkt.

Struth könnte Eskimos Kühlschränke verkaufen – das weiß jeder in der Branche. Und er hat keine Angst vor Hasstiraden wie beim Götze-Transfer – wenn seine Schützlinge das wirklich wollen.

Ein heikles Thema. Ehefrau Tina springt in die Bresche: „Der Volker, der ist rund um die Uhr für die Spieler da. Den können sie nach ChampionsLeague-Spielen noch nachts um zwölf anrufen. Der steht wie bei Kroos nach der Geburt des Kindes als Erster am Babybettchen. Der lebt für seine Jungs.“

Und das lohnt sich, sicher. Struths neues Haus in Junkers-dorf hat endlich den Pool, den er sich als Kind immer gewünscht hat. Struth steht auf tolle Autos, entspannt in seinem Häuschen auf Mallorca. „Ich horte das Geld nicht, aber ich werfe es auch nicht zum Fenster raus“, betont er.

Sohn Luca (15, kickt jetzt bei Viktoria Köln) zum Beispiel bekommt mit 40 Euro im Monat bestimmt weniger Taschengeld als mancher Mitschüler, die bildhübsche Tochter Jessy (18) jobbt auf dem Oktoberfest.

Apropos Oktoberfest: Was ihm als Spielerberater besonders schwerfällt, weiß er spätestens nach fünf Minuten im Festzelt: „All die Muttis und Papis zu vertrösten, die sich mit sieben Maß Mut angetrunken haben und mir ihren Filius ans Herz legen. Hey, wir haben in Deutschland ein so gut vernetztes Scouting-System. Wer gut ist, der wird auch entdeckt – und spielt mit 16, 17 in der Jugend-Bundesliga.“