Ambitionierte DüsseldorferFortuna-Ziel Top 10: „Wir müssen große Sprünge machen“

Allofs Röttgermann7.1.

Die Bosse von Fortuna Düsseldorf haben große Ziele: Klaus Allofs (l.) und Thomas Röttgermann in der Arena.

Düsseldorf – Fortuna Düsseldorf soll in den kommenden Jahren wieder zu den Top-Klubs im deutschen Fußball gehören. Wie das gelingen könnte, verraten Vorstandsmitglied Klaus Allofs (64) und  Vorstandsvorsitzender Thomas Röttgermann (60) im Interview mit uns.

Herr Allofs, Herr Röttgermann, wie würden Sie ihr Verhältnis zueinander beschreiben?

Röttgermann: Bei Klaus steht Teamwork über allem. Er hält sich nicht für das Maß aller Dinge. Das ist wichtig, um ein funktionierendes Teamwork hinzubekommen. Weil das geht, hat sich eine vertrauensvolle Zusammenarbeit ergeben. In den 30 Jahren im Geschäft habe ich es nicht so oft erlebt, dass man belastbares Vertrauen zu jemandem entwickelt. Ich würde es sogar als freundschaftliche Beziehung bezeichnen.

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Allofs: Ja, es ist eine freundschaftliche Beziehung. Nach der Zeit in Wolfsburg ist sie erst so richtig gewachsen. Da hatten wir dann auch privat mehr miteinander zu tun.

Röttgermann: Wir haben uns dann auch privat getroffen. Zum Beispiel bei der Geburtstagsparty von Silke.

Allofs: Genau, unsere Frauen verstehen sich auch gut. Sie gehen öfter mal zusammen am Rhein spazieren. Thomas war auch ein wichtiger Grund für mich, mich für Fortuna zu entscheiden, weil die Art wie er Dinge anpackt, gut ist. Aber: Wir sind jetzt nicht die zwei dicken Buddys, die hier ihr Ding zusammen durchziehen - so ist das nicht. Wir sind inhaltlich oft auf einer Wellenlänge und ergänzen uns gut, darum geht es. In Wolfsburg konnten wir den Menschen Erfolgserlebnisse bieten. Und das wollen wir auch in Düsseldorf.

Klaus Allofs kennt Thomas Röttgermann aus Wolfsburg

Hätten Sie denn auch ein Amt bei Fortuna Düsseldorf übernommen, wenn Thomas Röttgermann nicht da wäre?

Allofs: Dann hätte jemand da sein müssen, der genauso wie Thomas arbeitet und die Dinge genauso angeht. Fortuna in alten Strukturen wäre nichts für mich gewesen. Da wäre es schwer gewesen, mich zu überzeugen.

Herr Röttgermann, Sie sind seit knapp anderthalb Jahren bei Fortuna, haben Sie dazugelernt, wie Fortuna funktioniert?

Röttgermann: Ich lerne jeden Tag dazu und bin nicht überrascht von dem, was um Fortuna herum passiert. Es gab hier lange keine Kontinuität, Zielsetzungen wurden ständig verändert. Deshalb gab es auch keine logischen Strukturen. Viele Leute um den Verein haben schon immer versucht Einfluss zu nehmen, weil sie gedacht haben, die handelnden Personen kriegen es eh nicht hin. Daraus entstand eine schwierige Gemengelage rund um Fortuna. Wir mussten und müssen alle mitnehmen, ihnen erklären, was wir machen. Da habe ich dazugelernt. Ich bin nun etwas behutsamer, aber eben trotzdem klar in meinen Zielen.

Um Fortuna herrscht immer ein negatives Grundrauschen. Muss man in Düsseldorf über den Rhein gehen können, um anerkannt zu werden?

Allofs: Puh. Ist hier jemals jemand anerkannt worden? (lacht) Im Ernst: Wenn ich jetzt etwas Negatives sage, reihe ich mich doch in die Reihe derer ein, die das negative Grundrauschen verursachen. Gibt es überhaupt dieses eine Fortuna Düsseldorf? Der Verein und seine Menschen sind sehr vielfältig. Muss man alles so machen, wie es gemacht wurde? Das, was die Stadt und die Mitglieder wollen, ist doch ein erfolgreicher Verein, mit dem sich die Anhänger identifizieren können. Dann werden die negativen Stimmen auch weniger werden. Wir werden die Menschen hier aber nicht verändern. Der fröhliche Rheinländer ist manchmal auch ziemlich missmutig und mit der Welt unzufrieden. Das ist in anderen Landstrichen anders. 

Was ist Ihre gemeinsame Vision von Fortuna?

Röttgermann: Ich bin ja der Nicht-Rheinländer hier. Schauen wir uns die Rahmenbedingungen als Fortuna in Düsseldorf mal ganz nüchtern an: Dann landet Fortuna im deutschlandweiten Vergleich auf Platz 10 oder drüber. Davon sind wir in der Realität natürlich noch meilenweit entfernt. Dieses Potential auszuschöpfen, das ist meine, das ist unsere Vision. Wir müssen die Rahmenbedingungen so nutzen und verändern, dass wir sportlich erfolgreicher werden. Und dabei wollen wir Fortunas Besonderheiten beibehalten, wollen Nähe zum Klub zulassen. Um es nochmal deutlich zu sagen: Wir werden ein Verein bleiben, die Gesellschaftsform nicht ändern müssen, um Erfolg zu haben. Wenn wir uns aber unabhängig davon entwickeln wollen, müssen wir auch Denkweisen ändern.

Welche zum Beispiel?

Röttgermann: Es gibt mir zu wenig Selbstbewusstsein rund um die Fortuna. Es gibt offenbar ein Gesetz, ich suche aber noch, wo es steht. Das Gesetz besagt: Fortuna hat einmal Erfolg und danach mindestens dreimal Misserfolg. Und wenn der Misserfolg überraschend doch ausbleibt, dann war es einfach nur Glück. Nach dem Abstieg hieß es nicht: Was tun wir, um wieder aufzusteigen? Nein, es hieß: Was müssen wir tun, um nicht in die Dritte Liga abzusteigen? Es ist rätselhaft, woher dieser Pessimismus kommt. Warum muss sich die Vergangenheit zwangsläufig wiederholen? Wir müssen alle um den Verein endlich aufhören, zu sagen: Fortuna kommt nie in die Spur, weil: Das war schon immer so. Wir sollten uns die Freiheit nehmen positiv zu sein, ohne dabei überzuschnappen und ohne unsere Vergangenheit zu leugnen.

Allofs: Wir dürfen Misserfolg nicht glorifizieren, wie es manchmal hier getan wird.

Röttgermann: Genau, es gibt Leute, die sagen, dass die Oberliga-Zeiten gar nicht so schlecht waren. Da konnte man an der Eckfahne stehen und seine Wurst essen. Die Oberligazeit hat aber wohl nur Charme aus der zeitlichen Distanz, weil sie Vergangenheit ist. Aber wäre Fortuna bis heute in der Oberliga geblieben, würden diese Leute vermutlich anders reden.

Wann ist „Platz 10 oder drüber“ denn realistisch?

Röttgermann: Wirtschaftlich gesehen, ist bis dahin ein dickes Brett zu bohren. Die Vereine, die da aktuell stehen, haben an die 200 Millionen Euro Umsatz. Wir hatten in der Bundesliga 70 Millionen. Die Entwicklungen sind konkret schwer vorhersehbar. Es kann vergleichsweise schnell gehen, es kann aber auch ein Jahrzehnt dauern. Dummerweise entwickeln sich die anderen Vereine ja auch weiter. Deshalb müssen wir auf die Überholspur und dort auch lange fahren.

Allofs: Wir können uns nicht in kleinen Etappen weiterentwickeln. Wir müssen große Sprünge machen. Wie Thomas sagt: Die Konkurrenz schläft nicht. Wir werden also große Fortschritte in naher Zukunft machen müssen, um unsere Ziele zu erreichen. Aber wir haben keine Angst davor, groß zu denken - ohne dabei zu fantasieren und Unmögliches anzustreben. Die Stadt und das Umfeld geben einiges her.

Herr Allofs, als Sie angetreten sind, haben Sie gesagt, dass sie die ein oder andere Tür bei der Sponsorensuche öffnen können. Sind die Türen schon auf?

Allofs: Es muss auch für unsere Partner vorteilhaft sein, mit uns eine Partnerschaft einzugehen. Das versuchen wir zu vermitteln. Das ist aufgrund der Vergangenheit nicht ganz einfach. Wir geben nun klare Ziel aus, stehen für Kontinuität und leben das vor. Wir brauchen einen Vertrauensvorschuss. Ich hoffe, da kann ich mit dem Verweis auf meine Vergangenheit helfen.

Also sind die Türen noch zu?

Allofs: Wir gewinnen täglich neue Partner.

Für große Schritte braucht es aber auch große Partner…

Allofs: Wir sind auf einem guten Weg, ohne jetzt etwas verkünden zu können. Ich sehe große Möglichkeiten. Aber die Frage ist: Hat Fortuna die Strahlkraft, um Visionen bei Partnern zu wecken, oder bleibt es am Ende nur bei der Fantasie, dass in Düsseldorf viel möglich wäre. Es wird sich noch herausstellen, ob wir genügend Mitstreiter finden können.

Röttgermann: Natürlich wird niemand Partner von Fortuna, nur weil Klaus Allofs hier ist. Es braucht Kontinuität, und Gesichter, und eine Idee. Es braucht aber auch den Nutzen für einen Partner. Sonst wäre es Mäzenatentum und das wäre keine belastbare Konstellation.

Wie sehr behindert Corona ihre Vorhaben?

Röttgermann: Klar, macht es das schwieriger. Corona trifft vor allem auch die Unternehmen. Außergewöhnliche Investments sind nicht gerade wahrscheinlicher geworden. Wir müssen aber nicht unsere Aktivitäten stoppen, sondern nur die Zeitschiene etwas anpassen und noch viel kreativer werden. Es gibt gute Gespräche.

Was können Sie Partnern denn anbieten?

Röttgermann: Wir müssen Partnern ein so überzeugendes Paket anbieten, so dass ihnen die Luft wegbleibt. Wenn wir Begeisterung vermitteln können und einen gemeinsamen Nutzen, dann werden auch spannende Kooperationen entstehen. Ein Thema ist die Digitalisierung. Da sind wir meilenweit zurück - auch, weil uns das Stadion nicht gehört. Es gibt drei, vier weitere Themen, die wir im Kopf haben, die zu Partnern, neuen Projekten und besseren Möglichkeiten führen würden.

Was bedeutet die Partnerschaft zu Henkel?

Röttgermann: Henkel ist ein Geschenk, weil sie uns treu bleiben. Es ist ein Düsseldorfer Unternehmen, das in der Champions League spielt.

Henkel zahlt aber nicht auf Champions-League-Niveau…

Röttgermann: Henkel zahlt einen Marktpreis. Unsere Aufgabe ist es, Fortuna werthaltiger zu machen. Jeder Partner wird uns zahlen, was wir wert sind. Wir wollen besser und werthaltiger werden, nicht mehr und nicht weniger.

Wenn es um Kontinuität geht, wäre es dann nicht an der Zeit, dass der Aufsichtsrat Ihren Vertrag über den April 2022 hinaus verlängert?

Röttgermann: Nein, das steht nicht auf der Tagesordnung. Wir müssen Entwicklungen vorantreiben. Ich empfinde keinen Zeitdruck. Wir haben andere Dinge auf dem Zettel. Das lenkt nur ab und ist eine unnötige Diskussion.

Aber Sie haben schon Interesse über 2022 hinaus bei Fortuna zu bleiben?

Röttgermann: Wir werden zum richtigen Zeitpunkt darüber reden. Ich verstehe die Frage, aber wenn das jetzt im Mittelpunkt stünde, hätten wir die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Klaus und ich sind jedenfalls nicht bei Fortuna, um unser Mittagessen bezahlen zu können. Wir haben im Vorstand Pläne, die wir umsetzen wollen. Das steht im Mittelpunkt. Ich denke, ich kann das für uns beide sagen: Dann, wenn wir sehen, dass wir unsere Visionen und Zielsetzungen auch umsetzen können, bleibt eine Zusammenarbeit mit der Fortuna reizvoll.

Thema Vorstandsvorsitz: Herr Allofs, wollen Sie dieses Amt Herrn Röttgermann streitig machen?

Allofs: Ich schließe an Thomas’ Worte an: Uns geht es nicht darum, Karriere zu machen. Ich war Vorsitzender der Geschäftsführung in Bremen und Wolfsburg. Das hat mich nicht spürbar glücklicher gemacht. Es geht darum, was man bewegen kann. Ich will Fortuna meinen Stempel aufdrücken, dafür muss ich nicht Vorstandsvorsitzender sein. Die nächsten Monate werden zeigen, ob wir den Weg, den wir als Verein gehen wollen, überhaupt gehen können. Und dann werde ich ganz persönlich bewerten müssen: Ist das hier möglich, was wir vorhaben? Denn ich sage ganz klar: Ich will Erfolg haben! Ich habe keinerlei Ambitionen, was persönliche Titel angeht. Ich will Dinge beeinflussen können. Thomas und ich machen uns über die Vorsitzender-Diskussion intern lustig. Wen interessiert das denn?

Die Öffentlichkeit, die Mitglieder, die Fans. Wäre dann nicht eine Doppelspitze möglich, um Diskussionen zu entschärfen?

Röttgermann: So ist nicht unsere Denkweise, wir ticken anders als andere in diesem Geschäft. Das ist so, auch wenn der eine oder andere es nicht glaubt. Uns müssen diese Diskussionen nicht interessieren. Wir investieren keine Zeit, uns zu profilieren oder den nächsten Karriereschritt zu planen. Wir kümmern uns nur um Fortuna und unsere Arbeit hier. Wir müssen nicht über jedes Stöckchen springen.

Dennoch noch einmal: Wenn alles nach Ihren Vorstellungen läuft, können Sie sich vorstellen, genau in dieser Konstellation über 2022 hinaus weiterzuarbeiten?

Allofs: Das, was wir im Kopf haben, können wir bis zu meinem Vertragsende 2023 gar nicht erreichen. Das ist doch schon die Antwort.

Röttgermann: Ich habe dem nichts hinzuzufügen.