„Wir sind nicht dumm“Alle glauben an Bayer Leverkusen – sogar Steffen Baumgart

Mit Xabi Alonso (41) kam in der vergangenen Saison der Erfolg zurück nach Leverkusen. Nach bemerkenswerten Transfers und der Vertragsverlängerung von Alonso wird die Werkself von Experten so hoch gehandelt wie lange nicht mehr. 

Fernando Carro (59) verfolgt die Diskussion mit gemischten Gefühlen. Wenn sein Team in diesem Sommer – wieder einmal – als Geheimtipp auf die deutsche Fußball-Meisterschaft genannt wird, fühlt sich der ehrgeizige Klub-Chef von Bayer Leverkusen einerseits geehrt. Doch es weckt auch mulmige Erinnerungen an das Vorjahr.

„Da bin ich ein gebranntes Kind“, sagt Carro im „Werkself-Jahrbuch“. Im vergangenen Sommer hatten viele die Leverkusener schon auf dem Zettel gehabt. Nach Rang drei im Jahr davor, der besten Rückrunde der Vereinsgeschichte und ohne nennenswerten Abgang. Mit Rang 17 im Oktober folgte das böse Erwachen. Doch dann kam Xabi Alonso als Trainer. Und der frühere Welt- und Europameister hat den Verein nochmal so richtig durchgerüttelt.

Xabi Alonso: „Wir haben ein gutes Gefühl“

Den aktuellen Hype um sein Team beobachtet Alonso aber schmunzelnd. „Im August sind wir alle Meister“, sagt er: „Aber im August bekommt niemand Medaillen. Wir haben ja noch gar nicht angefangen. Es gibt keinen Grund, uns zu loben.“ Alonso versichert, dass sein Team und er sich nicht in die Irre führen lassen. „Wir sind nicht dumm und denken, wir sind die Besten, ohne dass wir etwas gemacht haben“, sagt er: „Ja, wir haben ein gutes Gefühl. Aber wir müssen erst noch auf dem Platz zeigen, was wir wirklich können.“

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Der Baske führte Bayer noch in die Europa League und im Vorjahr ins Halbfinale. Und er war ein wichtiger Faktor dafür, dass sich die Leverkusener nun so verstärken konnten. „Wir haben bislang alle Wunschspieler bekommen. Es waren immer unsere Top-Eins-Kandidaten“, sagt Carro: „Das ist nicht so häufig der Fall, dass das gelingt.“ Und fast alle Neulinge, sei es der neue Mittelfeld-Chef Granit Xhaka, Nationalspieler Jonas Hofmann als Offensiv-Allzweckwaffe oder das Sturm-Juwel Victor Boniface, gaben Alonso als einen wichtigen Grund für ihre Entscheidung an und schwärmten von der Aura des Spaniers.

Alonso bleibt Werkself trotz Wechselmöglichkeiten treu

Dass der Coach kürzlich seinen Vertrag bis 2026 verlängerte, sorgte für weitere Euphorie. Schon in der vergangenen Rückrunde hatte sich etwas entwickelt im Leverkusener Umfeld. Nun wurde mit rund 20 000 Dauerkarten ein Vereinsrekord aufgestellt, zum Testspiel gegen West Ham United kamen 25 000 Fans. Sportchef Simon Rolfes nennt Alonso ein „Zugpferd“, Carro sagt: „Es ist ein Segen, so einen erfahrenen und erfolgreichen ehemaligen Spieler im Klub zu haben, der genau weiß, was ein Kader, was eine Kabine braucht.“

Alonso hätte schon im Sommer zu einem größeren Verein gehen können, doch wie als Spieler ist er kein Wandervogel, sondern folgt einem klaren Karriere-Plan. Erst will er in Leverkusen etwas gewinnen, dann kann die nächste Stufe kommen. „Wir teilen eine gemeinsame Vision“, sagt er. Das bezieht sich auf die Spielweise. Aber sicher auch auf das Gewinnen von Titeln.

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Doch viel mehr noch und vor allem viel stabiler als im Vorjahr scheint die Basis gelegt. Als Erkenntnis des letztjährigen Horror-Starts wurde das talentierte Team mit erfahrenen Kräften angereichert. Und der Verkauf von Moussa Diaby als einziger Stammkraft sorgte dafür, dass Rolfes rein auf die Ablösesumme gemünzt sogar ein zweistelliges Millionen-Plus einnahm.

Auch Lokalrivale glaubt an „geile Saison“ der Werkself

Die Mischung scheint zu stimmen, und so nennen viele die Werkself als Titel-Geheimtipp. „Auf Leverkusen habe ich große Hoffnung“, sagt Sky-Experte Dietmar Hamann in der „Sport Bild“. „Ich glaube, und das sage ich als Kölner nicht gerne: Leverkusen wird eine richtig geile Saison spielen und oben angreifen“, ergänzt Trainer Steffen Baumgart vom Lokalrivalen 1. FC Köln. Und Sportchef Roland Virkus vom Nachbarn Borussia Mönchengladbach sagt: „Das ist ein Kader, der – wenn es optimal läuft – auch mal den Bayern Konkurrenz machen kann.“

Ein deutlicher Fingerzeig, ob das möglich ist, könnte schon am Samstag folgen. Da empfängt Bayer den Pokalsieger und Vorjahres-Dritten RB Leipzig zum Saison-Auftaklt (15.30 Uhr/Sky). Danach wird die Euphorie weiter steigen. Oder die bösen Erinnerungen in Fernando Carro wieder hochkommen. (dpa)