Wandel im Fußball?Andreas Rettig fordert drastische Maßnahme als Krisen-Reaktion

Andreas Rettig gestikuliert bei einem Interview

Andreas Rettig, hier am 24. September 2021, fordert im Fußball ein Umdenken in vielen Bereichen.

Steht der Fußball vor einem großen Wendepunkt? Geht es nach Andreas Rettig, dann sollte im Zuge der Energiekrise ein Umdenken stattfinden. Besonders eine Maßnahme ist dafür besonders naheliegend.

Er ist für seine kontroversen Thesen bekannt, geht auch gern mal den unbequemen Weg und findet mit seinen Worten nicht immer Unterstützer. In diesem Fall schaut Andreas Rettig (59) auf das große Ganze.

Er fordert in Anbetracht der befürchteten Energiekrise im Herbst und Winter einen wesentlichen Beitrag des Profifußballs beim Energiesparen ein.

„Denn wenn aktuell über ein Rationieren von Energie nachgedacht wird und Haushalte sparsamer damit umgehen müssen, wenn der Wirtschaftsminister appelliert, Energie einzusparen, wo es geht, dann muss der Profifußball auch seinen Beitrag leisten“, sagte der langjährige Bundesliga-Manager und DFL-Chef dem Sport-Informations-Dienst.

Andreas Rettig fordert Umstellung des Fußball-Spielplans

Für ihn sei es unverständlich, „wenn im Winter die Rasenheizung und das Flutlicht auf volle Pulle laufen“. Laut Rettig verbraucht eine Rasenheizung ölbetrieben circa 2000 Liter Heizöl am Tag: „Das ist ungefähr so viel wie ein Einfamilienhaus im ganzen Jahr. Ich denke, dass man hier tatsächlich umdenken beziehungsweise vorbereitet sein muss.“

Und wer Rettig kennt, weiß, dass aus diesen Gedanken es nur eine logische Folgerung gibt: die Umstellung des Spieljahrs auf das Kalenderjahr.

„Skandinavische Länder praktizieren das bereits. Wenn eine Weltmeisterschaft in Katar dazu führt, dass ganz Europa die Spielpläne ändern kann, dann denke ich, dass man das für dieses wichtigere Ziel des Klimaschutzes schon recht tun könnte“, sagt der 59-Jährige, der bis vor kurzem bei Viktoria Köln beschäftigt war.

Finanzieller Paradigmenwechsel? Andreas Rettig für Wandel offen

Das Wintergeschäft für den Aboverkauf von Medienpartnern solle in diesem Fall nachrangig betrachtet werden: „In diesen Zeiten der Energieknappheit darf es keine Denkverbote geben – auch nicht für den Profifußball.“

Einen „Paradigmenwechsel würde ich mir bei der Verteilung von Erfolgsprämien und anderen Anreizen“ in Richtung Nachhaltigkeit wünschen, so der gebürtige Leverkusener.

„Warum sollte man nicht die Klubs besonders belohnen, die den größten Anteil am Gemeinwohl zukünftig erzielen. Oder eine Prämie aussetzen für den grünsten Strumpf des nachhaltig oder sozial engagierten Spielers. Das wären für mich Signale, die in die richtige Richtung gehen.“

Zurzeit seien die Verbände national wie international in erster Linie ausschließlich darauf ausgerichtet, „den sportlichen Erfolg zu prämieren, dann werden natürlich die Klubs in erster Linie in kurze Hosen investieren“. Was auch dazu führt, Investoren anzulocken, „um kurzfristigen sportlichen Erfolg zu generieren, um dann aus den üppigen Medientöpfen Gelder zu generieren“.

Andreas Rettig sieht Reformbedarf im Fußball

Für Rettig der falsche weg. Wenn er sehe, „dass in Europa in erster Linie die 20 umsatzstärksten Klubs glorifiziert werden, muss ich darüber schmunzeln. Umsatz alleine ist keine Kenngröße, die mich überzeugt“. Der FC Barcelona mit seinen 1,35 Milliarden Euro Schulden lasse grüßen. Rettig: „Hier würde ich mir viel mehr wünschen, dass man andere Anreize schafft, beispielsweise für die Themen der Nachhaltigkeit.“

Auch beim Vergütungssystem für Manager sieht Rettig Reformbedarf: „Es ist für mich nicht mehr zeitgemäß, hier nur einen Tabellenplatz oder einen Titel zu bonifizieren, sondern auch dort das Erfüllen von bestimmten Kriterien.“ Auch Vorbehalte gegenüber Vereins-Präsidenten, wie die gegenüber dem neuen Hertha-Chef Kay Bernstein, der aus der Ultra-Szene entstammt, seien nicht zielführend.

„Ich finde, dass wir wegkommen müssen von dem Thema, Fans in Schubladen zu stecken und sie dann gegeneinander auszuspielen“, so Rettig: „Das heißt Ultras, Normalos, Übersee-Konsumenten, Business-Seats und Logen, Sponsoren, Fankurven, Allesfahrer oder Eventfans – alle eint in der Regel die besondere Beziehung zum Verein und ihre Zuneigung.“

Der VIP zum Beispiel könne genauso „emotional mit einem Klub verbunden sein wie jemand, der auf den Zaun klettert. Ich denke, das sollte alles auch altersgerecht bewertet werden“. (sid)