So funktioniert esDas Heimweg-Telefon aus dem Fitzek-Thriller gibt es wirklich

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Das „Heimweg-Telefon“ soll helfen, wenn man auf dem Weg nach Hause im Dunklen Angst hat.

Köln – Samstag, kurz nach 22 Uhr. Jules Tannberg sitzt am Telefon. Er ist ehrenamtlicher Helfer beim „Heimweg-Telefon“, führt ängstliche Frauen mit seiner beruhigenden Stimme sicher durch die Nacht.

Noch nie ist etwas wirklich Schlimmes etwas passiert – doch dann ruft Klara an... So beginnt der neue Thriller von Bestseller-Autor Sebastian Fitzek „Der Heimweg“. Was viele Leser nicht wissen: Diese Einrichtung ist keine Fiktion, die gibt es wirklich...

„Heimweg-Telefon“ soll den einsamen Weg nach Hause sicherer machen

„Ich war völlig überrascht, als die Agentin von Herrn Fitzek bei mir anrief und sagte, dass unser Heimweg-Telefon Thema seines neuen Thrillers ist“, sagt die Vorsitzende des Vereins, Conny Vogt (53), im Gespräch mit EXPRESS.

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Conny Vogt ist Vorsitzende des Heimwegtelefons in Deutschland.

Vor knapp zehn Jahren lernten zwei deutsche Touristinnen in Schweden das Heimwegtelefon kennen – und führten es in Deutschland ein. Mittlerweile zählt der Verein 70 ehrenamtliche Mitarbeiter und registriert bis zu 160 Anrufe pro Woche.

Welche Frau hat den Spruch noch nicht gehört: „Na, so spät noch allein unterwegs?“ Da muss nicht gleich ein Triebtäter aus dem Gebüsch springen. Es reicht ja schon die unangebrachte Ansprache, die einen in Panik versetzt. Jede zweite Frau musste sich laut Umfragen schon anzügliche Witze anhören, wurde angestarrt, gegen ihren Willen angefasst.

„Heimweg-Telefon“ hilft, die beste Strecke zu finden

Conny ist eine von denen, die sich vor allem am Wochenende die Nächte um die Ohren schlagen, um zumeist jungen Frauen die Angst vor möglichen Übergriffen zu nehmen – und ihnen per Navi die beste Strecke zu zeigen.

„Dadurch, dass wir Kenntnis vom Weg haben, können wir den Anrufenden auch umleiten zu einer Stelle, die uns vielleicht sicherer erscheint, weil dort voraussichtlich mehr Leute unterwegs sind oder weil es dort z.B. Kameras gibt. Und sollte wirklich Gefahr im Verzug sein, können wir Notdienste oder die Polizei vor Ort zum Standort des Anrufenden hinleiten.“

„Heimweg-Telefon“ als emanzipatorischer Schritt

Connys Motivation? „Als ich davon gehört habe, war mein erster Gedanke: Wenn’s das in meiner Jugend gegeben hätte, wie geil wäre das denn gewesen? Ich musste noch mitten in der Nacht meine Mutter aus dem Bett klingeln.“ Für die Buchhalterin ist der Service ein „emanzipatorischer Schritt zu mehr weiblicher Selbstständigkeit – hingehen zu können, wohin frau will“.

Über 99 Prozent der Frauen – aber auch immer mehr Männer – habe man sicher nach Hause gebracht, sagt sie. Denn Täter würden sich am liebsten ein einfaches Opfer suchen – jemanden, der völlig allein ist. Bei einer Person am Telefon sei das anders. „Schon allein von der Körpersprache her. Man bewege sich anders. Außerdem muss ein Täter ja immer damit rechnen, dass sein Opfer den Standort durchgegeben haben könnte“, erklärt sie.

Immer ein offenes Ohr haben

Und worüber spricht man mit wildfremden Menschen? „Wo sie gerade herkommen. Party, Kino, Schichtdienst, oder aber über ihre Tiere, da gibt es viele Anknüpfungspunkte.“ Manche Anruferinnen kennt die Vorsitzende mittlerweile schon gut – wie die junge Frau, die eine Angststörung hat, nur ungern aus dem Haus geht.

„Sie ruft bestimmt, zwei-, dreimal die Woche an.“ Der Verein hat nicht nur ein offenes Ohr am Telefon, er macht sich auch laut für mehr Sicherheit stark. „Zwischen 2 und 3 Uhr nachts werden die meisten Beleuchtungen hierzulande ausgeschaltet“, ärgert sich die Vorsitzende und appelliert an die Kommunen: „Lasst doch bitte nachts die Lampen an oder installiert zumindest Bewegungsmelder.“

Das  ist das „Heimweg-Telefon“ in Deutschland

Das Heimwegtelefon ist in ganz Deutschland unter 030/12074182 sonntags bis donnerstags von 20 bis 24 Uhr und freitags bis Sonntagmorgen von 22 bis 3 Uhr erreichbar. Noch werden ehrenamtliche Helfer gesucht, gerne auch Senioren, die die Zeiten in der frühen Dunkelheit ab 16 Uhr abdecken können. Voraussetzung: eine Telefonanlage, Tablet oder PC, Alter mindestens 18 Jahre, ein einwandfreies Führungszeugnis. Und: Von der Veranlagung her am besten eine „kommunikative Nachteule“.

Interview mit Bestseller-Autor Sebastian Fitzek: „Habe Angst, dass das jetzt erst der Anfang ist“

Bestseller-Autor Sebastian Fitzek (49) hat häusliche Gewalt zum Thema seines neuen Buches gemacht. Harter Tobak. EXPRESS hat mit ihm gesprochen.

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Thrillerautor Sebastian Fitzek mit seinem Buch „Der Heimweg“.

Ist Ihnen im Affekt schon mal die Hand ausgerutscht? Sebastian Fitzek: Ich bin eher ein defensiver und konfliktscheuer Mensch, würde bei einem handgreiflichen Streit immer den Kürzeren ziehen. Ich hatte auch früher nie eine Pausenhof- oder Kneipenschlägerei.

Wie sieht’s mit der eigenen Zivilcourage aus? Ich musste mich zum Glück noch nie selbst in Gefahr begeben, um einer Person zu helfen. Ich glaube, in solchen Momenten fällt die Maske – der Mensch zeigt seinen wahren Charakter. Ist schon erschreckend, wie viele selbst bei harmloseren Vorfällen vermutlich nicht eingreifen. Das habe ich erst kürzlich erlebt. Ich war mit einem Freund morgens um 5.30 Uhr auf dem Weg zu einer Lesung, als uns viele Autofahrer mit Lichthupe warnten. Ein Auto war im Graben gelandet. Wir haben der Frau geholfen, aus dem Wagen zu kommen, die Unfallstelle gesichert. Keiner vor uns hatte angehalten, um zu helfen.

Laut Statistik nimmt häusliche Gewalt in Corona-Zeiten zu, auch gegenüber Kindern... Ich möchte es nicht gutheißen, wenn jemand seinen Jähzorn auslebt. Aber ich lebe auch nicht in desolaten Verhältnissen oder einer zerrütteten Beziehung, habe keine Finanznot. Ich glaube, niemand kommt nach der Arbeit nach Hause mit dem Vorsatz, sein Kind zu Tode zu schütteln. Doch dann schreit es und schreit es und man möchte nur seine Ruhe. Ich finde deshalb, Geburtsvorbereitungskurse sollten verbindlich sein, in denen Eltern anhand einer Puppe gezeigt wird, was mit dem Baby passiert, wenn man es schüttelt. Außerdem sollte jeder – vom Jugendamt über die Kita-Mitarbeiter bis hin zum Hausarzt – eine rechtsmedizinische Grundausbildung bekommen, um Misshandlungen auch zu erkennen.

Beim Heimwegtelefon rufen viele Menschen auch mit irrationalen Ängsten an. Was ist ihre größte Angst? Dass das, was wir in der Pandemie erleben, erst der Anfang ist. Wir leben noch mit einem relativ beherrschbaren Virus. Doch wer weiß, was da noch kommt – und uns völlig aus der Bahn wirft.