Nächster Corona-Herbst drohtZahlen steigen – Expertin warnt: „Jetzt passiert wieder etwas“

Ene Fußgängerzone in der Kieler Innenstadt im November 2022.

Unser Archivbild zeigt eine Fußgängerzone in der Kieler Innenstadt im November 2022. „Eris“ steht im Verdacht, für einen Anstieg der Corona-Infektionszahlen verantwortlich zu sein.

Seit Monaten ist der internationale Notstand wegen Covid-19 beendet, auch in Deutschland war das Virus lange kein Thema mehr. Zuletzt ist auch hierzulande die Zahl der gemeldeten Fälle wieder gestiegen, eine neue Virusvariante hält Fachleute auf Trab. Droht eine neue Pandemie?

von Martin Gätke  (mg)

Die Zahl der gemeldeten Corona-Fälle in Deutschland hat sich laut Robert Koch-Institut (RKI) in der zweiten Augustwoche mehr als verdoppelt. Der Grund für den Anstieg: eine zunehmende Verbreitung der neuen Variante EG.5 („Eris“). Laut RKI liege die Sieben-Tage-Inzidenz derzeit bei drei (27. August 2023). Die Dunkelziffer sei sehr hoch.

Neben „Eris“ beschäftigt Fachleute in den vergangenen Tagen auch noch eine andere Variante, die zwar in Deutschland noch nicht nachgewiesen wurde, jedoch zuletzt in vielen anderen Ländern der Welt aufgetaucht ist: BA.2.86. Von ihr liegen zwar erst wenige Sequenzen vor (zum Beispiel in Dänemark, Großbritannien, den USA), doch Fachleute vermuten, dass sie eine deutliche Immunflucht aufweisen könnte – unsere Antikörper also Probleme haben könnte, sie zu entdecken.

Corona in Deutschland: BA.2.86 beschäftigt Fachleute international

Das erklärte auch die Virologin Isabella Eckerle jüngst im Interview mit dem „Spiegel“. „Erstaunlich ist, wie viele Mutationen diese neue Variante hat – sie unterscheidet sich genetisch ungefähr so stark von Omikron wie Omikron sich von den vorherigen Varianten“, so Eckerle.

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Nun sei die Frage, wie gut sie übertragbar sei und ob sie die jetzigen Varianten überholen könne. „Meine Einschätzung ist: Ja, wir werden bald eine Zunahme sehen. Dann, finde ich, könnte man BA.2.86 mit dem nächsten Buchstaben im griechischen Alphabet benennen: Pi.“

Corona in Deutschland: „Aber jetzt passiert wieder etwas“

In Deutschland steht „Eris“ nun im Verdacht, für einen Anstieg der Infektionszahlen verantwortlich zu sein. Dabei seien die Nachweise von Sars-CoV-2 über Monate stabil niedrig gewesen, erklärt Virologin Eckerle. „Aber jetzt passiert wieder etwas, wir sehen mehr Fälle in der Notaufnahme, mehr Krankenhausaufnahmen. Nur was genau, ist noch nicht klar – die Sequenzierung zeigt einen bunten Mix aus verschiedenen Varianten, darunter auch EG.5, aber prozentual noch nicht so stark verbreitet.“

Für sie stehe fest, dass Sars-CoV-2 sich nicht mit normalen Erkältungsviren vergleichen lasse – es sei eine„ eigene Kategorie“, „weder ist es ein banales Erkältungsvirus, noch kann man es mit Influenza oder RSV vergleichen. Es wird weiterhin bestimmte Gruppen schwer krank machen und Komplikationen verursachen; wir verstehen immer noch nicht den Mechanismus dahinter.“ Ein stabiler Zustand sei beim Virus bislang nicht zu erkennen. Eckerle: „Ich glaube, das Virus ist noch nicht fertig mit uns.“

Corona in Deutschland: Wir ernst wird der Herbst?

Droht also ein neuer Corona-Herbst, eine weitere Pandemie? Eckerle erklärt: „Wir werden nicht noch mal eine Variante bekommen, die unsere Immunität auf null setzt. Und wir werden wohl auch nicht die Intensivstationen voll haben mit Covid-19-Pneumonien.“ Doch die Mischung könne das Gesundheitssystem durchaus belasten: aus Sars-CoV-2, Influenza, RSV, den saisonalen respiratorischen Viren.

Eckerle: „Zwar werden wir nicht mehr diese ganz schweren Infektionen sehen wie am Anfang, aber dafür eben sehr viele Infektionen, in allen Bevölkerungsgruppen. Das wird zu Personalausfällen führen, zu Engpässen in der Klinik, in den Praxen, in der Notaufnahme. Und zu Menschen, die Long Covid bekommen.“

Währenddessen rief der Bonner Virologe Hendrik Streeck bei der Diskussion um BA.2.86 zu mehr Gelassenheit auf. „Ich halte nichts davon, über jede Variante Furchtappelle auszustoßen. Denn die Grundimmunität gegen Corona haben wir, und die geht nicht verloren“, sagte er der „Rheinischen Post“.

Die aktuell zu beobachtenden Varianten würden alle „keine Unterschiedlichkeit in Symptomatik und Krankheitsschwere“ aufweisen. Es handele sich vielmehr um „Immunfluchtvarianten, sodass das Immunsystem an der einen oder anderen Stelle das Virus vielleicht nicht sofort erkennt“.