Was haben die reichsten der Reichen mit dem Rechtsruck zu tun? Ein Video der „heute-show“, gedreht in Köln-Ehrenfeld, liefert keine allzu neuen Antworten, aber solche, die bei abertausenden YouTube-Usern einen Nerv getroffen haben.
Mega-Resonanz auf ZDF-Video aus Köln„Wir werden verarscht von reichen Arschlöchern“

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Stand-up-Comedian Moritz Neumeier rechnet in einem Video der „heute-show“ mit der ungleichen Vermögensverteilung im Land ab.
Laut fluchend tritt ein Mann mit rosafarbener Wollmütze aus einer Altbau-Häuserzeile auf den Gehweg. „Ich bin etwas erregt“, sagt er in die Kamera. „Ist Quatsch: Ich bin richtig wütend!“
Der Grund: Er habe die Antwort auf die Frage nach dem Rechtsruck in vielen westlichen Demokratien gefunden.
Der Mann, der hier so aufgebracht seine Erkenntnisse teilt, ist der deutsche Stand-up-Comedian Moritz Neumeier, 37. Zu sehen ist der zugehörige Clip auf dem YouTube-Account der ZDF-„heute-show“, siehe hier:
Vor rund einer Woche wurde er dort hochgeladen. Seither wurde das Video über eine Million Mal aufgerufen und über 10.000-mal kommentiert. Das ist auch für die in den sozialen Medien populäre Satire-Sendung ein bemerkenswerter viraler Aufschlag.
Und was ist er nun, „der Grund, warum so viele Leute wütend sind und rechts wählen“? Die verblüffende Lösung: „Die haben recht.“ Zwar nicht inhaltlich. Aber die Wut, findet Neumeier, die sei berechtigt.
Denn: „Wir werden verar... Aber nicht von Geflüchteten. Auch nicht von Feministinnen oder Greta Thunberg. Sondern, ich sag's, wie es ist: von reichen A...löchern.“ Das erkenne man daran, „wie ungerecht Wohlstand in Deutschland verteilt ist - und das nicht erst seit gestern“.
Was dann folgt, sind streng genommen keine ganz neuen Erkenntnisse zur sozialen Ungleichheit. Einschlägige Informationsquellen von welt.de bis zur Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) sind im Beitrag verlinkt. Aber so effektvoll verdichtet wie in dieser rund 15-minütigen Wutrede wird das wesensmäßig etwas trockene Thema nicht alle Tage.
„Das ist der Neoliberalismus“
Neumeier referiert über die Gehälter der Dax-Vorstände (das 71-Fache ihrer durchschnittlichen Angestellten), Löcher im Steuersystem („Je mehr Geld man hat, desto weniger muss man davon abgeben“) und die Bankenkrise („Verluste werden vergesellschaftet, aber die Profite machen wir privat“). Hinter Steuervermeidungstricks der „Überreichen“, wie er sie nennt (um das Attribut „super“ zu vermeiden), sieht der Comedian keine unrühmlichen Einzelfälle, sondern ein ganzes System: „Das ist der Neoliberalismus.“
Wegen neoliberaler Ideen seien „die Bahn kaputtgespart“ und staatliche Wohnungen an Aktienkonzerne verkauft worden, schimpft Neumeier, es „wurden Schulen nicht renoviert und all diese Leih-Arbeitsfirmen gegründet, in denen Leute für einen Hungerlohn und ohne Kündigungsschutz für Jeff Bezos arbeiten können“. Das habe nicht nur den Staat, sondern auch die Gesellschaft ausgehöhlt.
Jetzt, da die Fixierung auf kurzfristige Gewinne, an Grenzen gerate, kämen „die Rechten“, und die machten in seinen Augen eine Sache besser als alle anderen Parteien: „Sie sprechen unsere Gefühle an.“
Neumeier erklärt die Rechtsruck-Mechanik: „Zack, wird das diffuse Gefühl, irgendwie benachteiligt zu sein, umgelenkt auf irgendeinen Syrer zwei Häuser weiter, der mit all unseren Problemen absolut nichts zu tun hat.“
Der Teil mit möglichen Problemlösungen fällt dann etwas knapper aus. „Zwei Ideen“ bringt Neumeier zur Sprache. Eine Vermögenssteuer und eine „richtige“ Erbschaftssteuer, gerne mit großzügigen Freibeträgen: „Wo wir ran müssen, das sind die richtig großen Vermögen.“
„Wahrscheinlich das wichtigste Video, das es auf YouTube gibt“
In der YouTube-Kommentarspalte wurde schnell ersichtlich, dass der „Überreichen“-Rant einen Nerv getroffen hat. „ZDF ruft zum Klassenkampf auf. Ich hätte nicht gedacht, dass ich das noch erleben darf“, wundert sich jemand. Ein anderer glaubt gar: „Wahrscheinlich das wichtigste Video, das es auf YouTube gibt.“ Ein weiterer begeisterter User fordert: „Dieser Clip sollte anstatt der 27. Wiederholung von 'Leben des Brian' in Schulen gezeigt werden.“ Verunsichert fragt ein Nutzer: „Ist das noch Satire oder schon Revolution?“
Für negative Anmerkungen muss man hingegen weit scrollen („Der heizt nur den Klassenkampf an. Ablenkung von denen, die das Steuergeld verschwenden“), was die wohl nicht ganz unberechtigte Sorge erhärtet, die Botschaft komme gar nicht an der richtigen Stelle an. „Ich versucht den einfachen wütenden Bürger zu erreichen, aber der Kollege hat lackierte Fingernägel und sagt 'Wähler:innen'. Wer hier noch nicht abschaltet, war eh schon bei eurem Punkt“, befürchtet jemand und rät: „Ihr müsst die Wutbürger anders erreichen.“ (tsch)