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US-Sanktionen gegen Deutschland?Politikwissenschaftler warnt vor „Extremszenario“

Politikwisschenschaftler Peter Neumann kennt das Sicherheitspapier und geht sogar noch weiter: „Das ist das erste Strategiepapier, in dem Europa nicht mehr als Partner beschrieben wird“, sagt er. (Bild: WDR/ Melanie Grande)

Politikwisschenschaftler Peter Neumann kennt das Sicherheitspapier und geht sogar noch weiter: „Das ist das erste Strategiepapier, in dem Europa nicht mehr als Partner beschrieben wird“, sagt er. (Bild: WDR/ Melanie Grande)

Aktualisiert

Nach der Veröffentlichung eines Sicherheits- und Strategiepapiers der US-Regierung herrscht Bestürzung in Europa. Darin würde Europa erstmals offen als Feind betrachtet. Die Konsequenzen daraus benennt der Politikwissenschaftler Peter Neumann am Dienstagabend bei Sandra Maischberger in der ARD.

US-Präsident Donald Trump hat am Montag seine Ansichten über Europa noch einmal konkretisiert. Die europäische Entwicklung sei sehr schlecht für die Menschen, beantwortet er die Frage eines Journalisten auf einer Pressekonferenz. „Wir wollen nicht, dass sich Europa so sehr verändert“, fügt er hinzu.

Das geht auch aus einem Strategie- und Sicherheitspapier hervor, dass die US-Regierung in der vergangenen Woche veröffentlicht hat. Europa treibe auf einen zivilisatorischen Untergang zu, heißt es darin.

„Das erste Strategiepapier, in dem Europa nicht mehr als Partner beschrieben wird“

Teile der US-Regierung meinen das laut dem Sicherheitsexperten und Politologen Peter Neumann ernst. Neumann, Professor am Kings College in London, hat mehrere Jahre in den USA gelebt. Er ist am Dienstagabend Gast in der ARD-Talkshow „Maischberger“. Er kennt das Sicherheitspapier und geht sogar noch weiter: „Das ist das erste Strategiepapier, in dem Europa nicht mehr als Partner beschrieben wird“, sagt er.

Nach der Veröffentlichung eines Sicherheits- und Strategiepapiers der US-Regierung herrscht Bestürzung in Europa. Am Dienstagabend war es Thema bei Sandra Maischberger in der ARD. (Bild: WDR/ Melanie Grande)

Nach der Veröffentlichung eines Sicherheits- und Strategiepapiers der US-Regierung herrscht Bestürzung in Europa. Am Dienstagabend war es Thema bei Sandra Maischberger in der ARD. (Bild: WDR/ Melanie Grande)

Es habe noch nie eine Sicherheitsstrategie in den USA gegeben, in der Europa als Feind bezeichnet worden sei. Europa sei eine Gefahr für die Demokratie. Das könne man in dem Papier lesen. Neumann: „Das Papier sagt: Wir unterstützen die, die in Europa gegen das aktuelle liberal-demokratische, woke, links-grün versiffte europäische Regime kämpfen.“ Das sei eine klare Einmischung in die Innenpolitik der europäischen Staaten, kritisiert der Politikwissenschaftler.

Für Deutschland bedeute das, „dass die amerikanische Regierung sehr genau darauf achtet, wie die Bundesregierung mit der AfD umgeht.“ Gleichzeitig würden die Verbindungen zwischen der AfD und den Republikanern immer enger. „Man kann sich vorstellen, dass das in den nächsten Monaten und Jahren weiter eskalieren wird. Ich kann mir sogar vorstellen als Extremszenario, dass die USA möglicherweise sogar Sanktionen erlassen gegen Deutschland oder gegen andere Staaten, wenn sie glauben, dass ihre Parteien, die patriotischen Kräfte, unfair benachteiligt werden.“

„Darüber reden wir seit zehn Jahren“

Zuvor hatte auch der ehemalige SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück bei Maischberger das Strategiepapier heftig kritisiert. Schon lange sei im Verhältnis der USA zu Europa etwas auseinandergebrochen, so der Politiker.

Europa sei auf sich selbst zurückgeworfen, sagt Steinbrück. Daran seien die Politiker in Europa nicht unschuldig: „Manchmal habe ich den Eindruck: Die Art, wie wir behandelt werden, ist in Beziehung zu setzen auch zu der Art, wie wir uns behandeln lassen.“ Die europäischen Politiker müssten viel selbstbewusster auftreten, fordert Steinbrück.

Europa sei auf sich selbst zurückgeworfen, erklärt der ehemalige SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück (l.) bei Maischberger. (Bild: WDR/ Melanie Grande)

Europa sei auf sich selbst zurückgeworfen, erklärt der ehemalige SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück (l.) bei Maischberger. (Bild: WDR/ Melanie Grande)

Politikwissenschaftler Peter Neumann sieht das ähnlich. Er sagt: „Ich finde, dass man hinter den Kulissen ganz konkret damit anfängt, Szenarien zu entwickeln, wie Deutschland auf mögliche Sanktionen reagiert. Wichtig ist auch, dass man sich anschaut, welche Abhängigkeiten genau bestehen: Sicherheit, Geheimdienst, Militär, digitale Infrastruktur, Finanzinfrastruktur. Und dann sollte man damit anfangen, endlich diese Abhängigkeiten zu verringern. Darüber reden wir seit zehn Jahren.“

Gleichzeitig warnt er jedoch vor Panik. „Panik ist immer ein schlechter Berater“, sagt Neumann. Dennoch komme es jetzt auch darauf an, US-Politiker zu unterstützen, die eine nuanciertere Meinung hätten. Außenminister Marco Rubio nennt er als Beispiel. Die Kritik an dem Strategiepapier aus den letzten Tagen lässt jedenfalls hoffen, dass inzwischen auch die europäischen Politiker klar erkannt haben, wohin der amerikanische Hase läuft. Die Zeit des Aussitzens und Abwartens dürfte inzwischen vorbei sein. (tsch)