Interview

Beliebte TV-KommissarinNervig oder toll? Wie Anna Schudt über die ewige „Tatort“-Fragerei denkt

Anna Schudt bei der ARD Blue Hour 2024 im Rahmen der Berlinale

Schauspielerin Anna Schudt auf der Berlinale 2024. „Ich war ausschließlich zum Netzwerken da, und ich glaube, das war gut für mich“, erzählt sie uns. 

Anna Schudt war rund zehn Jahre als Kommissarin Martina Bönisch im Dortmunder Tatort zu sehen, jetzt hat sie (rein rollentechnisch) auf Hebamme umgesattelt. Mit EXPRESS.de hat sie über ihren anstehenden 50. Geburtstag und die ewigen Fragen nach dem „Tatort“ gesprochen.

von Horst Stellmacher (sm)

Festlegen gilt nicht! Die wunderbare Anna Schudt (49) ist mal die skurrile Dortmund- „Tatort“-Ermittlerin Marita Bönisch, mal die verzweifelte Komikerin Gaby Köster, mal auch die Metzgersfrau, die Anfang der 70er bekennt, abgetrieben zu haben (in „Aufbruch in die Freiheit“ von 2018).

Und nun erleben wir die Düsseldorferin sechs Folgen lang im Kreißsaal mitten im harten, blutigen, schweißtreibenden und doch schönen Hebammen-Alltag: „Push“ (ab sofort in der ZDF-Mediathek, ab 10. März 2024 bei ZDF neo, 20.15 Uhr).

Anna Schudt: Von der „Tatort“-Kommissarin zur Hebamme

Manchmal haben wir den Eindruck, „Push“ sei „direkt vor Ort“ gedreht worden, mitten im Kreißsaal bei normalem Betrieb – so nahe geht das. Wird es aber wohl nicht gewesen sein ...

Alles zum Thema Tatort

Anna Schudt: Nein, war es natürlich nicht. Obwohl es wirklich so aussah, haben wir nicht auf einer Geburtsstation, sondern im Studio gedreht. Die Babys waren Puppen und die jungen Mütter junge Schauspielerinnen. Und doch haben wir uns nach jedem Drehtag so gefühlt, als wäre es Realität, so viel Blut, Schweiß und Tränen sind geflossen. Das war schon unglaublich. Wenn wir nach Hause gingen, waren wir so glücklich und erschöpft, als hätten wir wirklich eine Geburt erlebt – vor allem natürlich die Frauen, die die Kinder bekommen haben.

Haben Sie während der Dreharbeiten Neues über den Beruf der Hebamme gelernt?

Anna Schudt: So viel Neues war das nicht. Ich bin ja schon dreimal Mutter geworden, habe mich seit den Vorbereitungen für mein erstes Kind vor beinahe 30 Jahren sehr für den Beruf und das, was damit zusammenhängt, interessiert. Mir war damals sehr schnell klar, dass Hebammen einen harten Job erledigen müssen. Ich habe schon damals gehofft und tue es immer noch, dass sie eines Tages stressbefreiter arbeiten, das Schöne an Ihrem Beruf mehr genießen können.

Hatten Sie mal den Wunsch, Hebamme zu werden?

Anna Schudt: Es ist ein Super-Beruf, und je älter ich werde, desto besser finde ich ihn. Gebärende brauchen immer jemanden an ihrer Seite, der weiß, wie man ihren Zustand begleitet, der Angst nimmt und Zuversicht gibt, der zuhört und im richtigen Moment intuitiv handelt. Ich wäre nach meinem ersten Kind sofort Hebamme geworden und würde es auch jetzt noch machen, wenn ich nicht sowieso den besten Beruf der Welt für mich hätte. Und daran möchte ich nichts ändern.

Wenn Sie ein Projekt bekommen, das so voller Inbrunst, Liebe und Kraft steckt wie „Push“ – sprechen Sie dann mit Ihrer Familie darüber, oder sind es einsame Entscheidungen für oder gegen einen Film?

Anna Schudt: Natürlich haben wir darüber gesprochen, denn der Film wurde in Berlin gedreht, ich musste zwei Monate weg von der Familie aus Düsseldorf. Aber das sind die technischen Details. Die innere Entscheidung, ob ich etwas machen will, treffe ich für mich allein. Wenn ich was nicht machen will, mache ich es nicht. Aber wenn ich was unbedingt machen möchte, dann entscheide ich das, und dann überlegen wir, wie es gehen könnte. Alles, was drumherum ist, müssen wir gemeinsam entscheiden. Das ist der Sinn unserer Familien-Gemeinschaft – dass wir abwägen: Geht das, ist das für unsere Familie möglich, tragen wir das alle mit?

Anna Schudt und Moritz Führmann 2023 in Köln

Seit 2010 glücklich verheiratet: das Schauspieler-Duo Anna Schudt und Kollege Moritz Führmann, hier 2023 im Rahmen der Kölner Jurysitzung zum International Emmy Award.

Sie werden am 23. März, einen Tag vor der Premiere von Folge drei, 50 Jahre alt. Ist 50 für Sie eine besondere Lebenszahl?

Anna Schudt: Mir ist die Zahl egal. Ich mache mir keine Gedanken über Dinge, die ich nicht ändern kann. Ich werde 50 – es ist halt so. Natürlich finde ich es spannend, was jetzt auf mich zukommt. Aber ich fand auch schon mit 30 spannend, was wohl kommt, und fühlte mich schon ziemlich alt. Beim 40. ging es mir ähnlich.

Und jetzt?

Anna Schudt: Mit 50 finde ich, dass ich jetzt doch sehr alt werde (lacht) – gleichzeitig bin ich sehr dankbar, dass ich 50 werden darf, dass ich hier sein kann. Es ist toll, dass ich mir was erarbeitet habe, was ich jetzt genießen kann. Ich bin gesundheitlich fit. Ich muss keine Kinder mehr bekommen und mir eine Familie aufbauen. Ich habe schon ganz viel gemacht, und das kann ich jetzt genießen. Das finde ich herrlich.

Anna Schudt über ihre zehn Jahre beim Dortmunder „Tatort“

Sie haben auch beruflich so vieles erreicht – Sie haben fast alles gespielt, was man in Ihrem Alter spielen kann …

Anna Schudt: Das Gegenteil stimmt: Natürlich habe ich viel gespielt, aber es gibt auch noch wahnsinnig viel zu entdecken. Es gibt noch so viel zu tun.

Was war bisher Film Ihres Lebens?

Anna Schudt: Keiner! Der Film meines Lebens wird immer noch kommen – egal, wann Sie fragen.

Eintagsfliegen im TV

"Tatort": Sie ermittelten nur ein einziges Mal

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Von 2012 bis 2022 waren Sie als etwas schräge Kommissarin Martina Bönisch im Dortmunder „Tatort“ im Einsatz. Welche Bedeutung hatte die Kommissarin für Ihre Karriere?

Anna Schudt: Sie war wichtig, hat mir neben zehn tollen Jahren und tollen Kollegen eine große öffentliche Aufmerksamkeit beschert. Wenn man „Tatort“-Kommissarin ist oder war, ist man in Deutschland angekommen, das führt dazu, dass man auch andere Rollen angeboten bekommt. Und ich habe Jörg Hartmann kennengelernt, mit dem mich seitdem eine sehr enge Kollegialität verbindet.

Aufgehört haben Sie mit „Tatort“ 2022. Wie oft werden Sie gefragt, warum Sie das gemacht haben?

Anna Schudt: Ständig. Eigentlich jeden Tag mehrere Male.

Nervt, oder?

Anna Schudt: Nein, es ist schön. Es ist wunderbar, dass die Leute nach zwei Jahren immer noch dran denken, dass das gut war, was wir da gemacht haben.

Anna Schudt: Ein Emmy für ihre Rolle als Gaby Köster

Eine andere große Rolle war die der Gaby Köster in ihrem Lebensfilm „Ein Schnupfen hätte auch gereicht“. Sie haben dafür als Düsseldorferin Kölsch gelernt. Haben Sie das noch drauf?

(Kleine Pause – und dann antwortet Anna Schudt als unverwechselbare Gaby): Ich weiß nicht. Vielleicht ist ein bisschen weniger geworden. Aber ich glaube, es geht noch. (Und wieder als Anna): Ich habe mich damals bemüht, und es hat gehalten. Der Film hat es auch verdient – der Emmy danach war ein Highlight und wichtig für die Karriere.

Gaby Köster und Schauspielerin Anna Schudt (als Gaby Köster) sitzen am 17. Oktober 2016 in Hürth während einer Drehpause auf einer Couch.

Anna Schudt (rechts) und Gaby Köster 2016 während einer Drehpause zu „Ein Schnupfen hätte auch gereicht“.

Sie haben drei Kinder – sind die von Ihrem Schauspielerinnen-Virus und dem Schauspieler-Virus ihres Vaters angesteckt?

Anna Schudt: Nee, meine Kleinen sind ja noch klein, elf und zwölf, und haben noch nichts mit Kino und Theater am Hut. Das ist gut so.

Wir kennen Schauspielerfamilien, da sind die Kinder mit elf und zwölf auch schon kleine Promis …

Anna Schudt: Ja, gibt es. Aber nee, bei uns nicht.

Das heißt: Wenn die Kinder wollen, Sie aber nicht, dann passiert da nix?

Anna Schudt: Ja. Kinder sollten erst in den Beruf einsteigen, wenn sie merken, dass es nicht um sie geht. Mit elf oder zwölf, in der Phase, in der sich der Charakter bildet, sollte man sie nicht in diese Welt lassen. Das ist schädlich. Als Kind weißt du nicht, dass die Leute etwas wollen – und dich nur deswegen anders behandeln als andere. Es ist wichtig, dass man dann seinen klaren Kopf behält. Manche Kinder können das – doch ich halte es trotzdem für extrem gefährlich. Ich möchte das nicht! Sie sollen erst mal in Ruhe ihren Charakter bilden.

Anna Schudt: Schon früh auf der Schauspiel-Spur

Anna Schudt (geboren am 23. März 1974 in Konstanz) ist Tochter eines Biochemikers und einer Körpertherapeutin. Sie verließ das Gymnasium nach der elften Klasse, begann als 17-Jährige ihre Ausbildung an der Otto-Falckenberg-Schule München. Mit 19 war sie dann festes Ensemblemitglied der Münchner Kammerspiele. Dann u. a. Engagements an der Berliner Schaubühne, am Bayerischen Staatsschauspiel. 2010 spielte sie „Anna Karenina“ am Düsseldorfer Schauspielhaus.

Von 2012 bis 2022 im Dortmund-„Tatort“ dabei. 2018 TV-Film „Ein Schnupfen hätte auch gereicht“ (über das Leben der Komikerin Gaby Köster, gewann dafür den International Emmy Award). Anna Schudt ist seit 2010 mit dem Schauspieler Moritz Führmann (46) verheiratet, mit dem sie zwei Söhne hat. Sie hat einen weiteren Sohn aus einer früheren Beziehung mit Jens-Daniel Herzog (60), Intendant am Staatstheater Nürnberg. Die Familie lebt mit den drei Söhnen in Düsseldorf.