„Ist das ein Kriegsverbrechen?“: Als es um die gegenwärtige Lage im Gazastreifen ging, stellte Markus Lanz seinem Gast Jürgen Hardt eine eindeutige Frage. Weil der CDU-Politiker jedoch standhaft einer klaren Aussage auswich, wurde der ZDF-Moderator zunehmend wütend.
„Nein, Stopp!“Lanz richtig wütend – CDU-Politiker in Erklärungsnot
Nutzt Israel Nahrungsmittel-Knappheit als politisches Druckmittel im Kampf gegen die Terrororganisation Hamas? Jedenfalls wirft das neben zahlreichen Politikern auch die Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ Israel vor.
Die NGO bezichtigte das Land der Schaffung einer „absichtlichen humanitären Katastrophe“ und erklärte: „Wir beobachten in Echtzeit die Schaffung von Bedingungen für eine Vernichtung palästinensischen Lebens in Gaza“. Grund genug für Markus Lanz, in seiner Sendung am Mittwochabend (14. Mai) zu fragen, ob Deutschland „weiterhin Waffen an Israel liefern“ sollte.
Aussage von CDU-Politiker eine Steilvorlage für Markus Lanz
CDU-Politiker Jürgen Hardt erklärte zunächst selbstbewusst: „Alle Waffen, die Israel zu seiner Verteidigung zur Sicherung seiner Existenz braucht, sollten wir liefern.“
Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion ergänzte, dass die Hamas „eine Bedrohung dieser Sicherheit“ sei und „wenn man sich dagegen verteidigt, braucht man dafür Waffen“. Die Meinung wollte Markus Lanz offenbar nicht teilen. Er erinnerte Hardt an die humanitäre Notlage in Gaza und fragte: „Die Bilder aktuell - das ist für Sie alles Selbstverteidigung?“

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CDU-Politiker Jürgen Hardt geriet im ZDF-Polittalk „Markus Lanz“ zunehmend in Erklärungsnot. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)
Hardt wirkte plötzlich nachdenklich und gab zu: „Ich kann die israelische Strategie im Blick auf Gaza nicht nachvollziehen. (...) Eine dauerhafte Besetzung des Gazastreifens wäre klar völkerrechtswidrig.“ Für den CDU-Mann sei klar: „Wer die Macht hat, wer die Herrschaft hat, muss für die Versorgung der Zivilbevölkerung sorgen.“
Eine Steilvorlage für Lanz, der erneut nachhakte: „Wie nennen wir das, was da stattfindet?“ Statt sich auf Israels Handeln zu fokussieren, versuchte Hardt, abzulenken: „Die humanitäre Lage im Gazastreifen würde sich ja schlagartig verändern, wenn die Hamas ihren Kampf gegen Israel einstellen würde.“
Markus Lanz will von Jürgen Hardt wissen: „Ist das ein Kriegsverbrechen?“
Dennoch merkte Jürgen Hardt kleinlaut an: „Ich würde mir wünschen, dass Israel die Hilfslieferungen in die Gebiete wieder aufnimmt.“
Markus Lanz nahm dies zum Anlass, den CDU-Politiker aus der Reserve zu locken. Er fragte: „Ist das ein Kriegsverbrechen?“ Hardt reagierte schwammig: „Das ist eine der grauenhaftesten humanitären Katastrophen, die wir gegenwärtig erleben.“ Lanz konterte fassungslos: „Nein! Stopp. Das klingt, als sei das ein Naturereignis. Ich frage nochmal ganz konkret: Ist das ein Kriegsverbrechen?“

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In der Mittwochsausgabe von „Markus Lanz“ diskutierte der Gastgeber (links) mit seinen Gästen unter anderem über die gegenwärtige Lage im Gazastreifen. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)
Jürgen Hardt geriet daraufhin in Erklärungsnot und sagte, dass Israels Methoden laut eigener Aussage „unvermeidlich“ seien „angesichts der Tatsache, dass die Hamas sich unter Zivilisten (...) verschanzt und sich durch menschliche Schutzschilde entsprechend schützt“. Ein Argument, das Lanz nicht zu akzeptieren schien. Im Gegenteil: „Ich frage Sie nochmal: Ist das ein Kriegsverbrechen?“ Jürgen Hardt geriet weiter ins Straucheln: „Es wäre ein Kriegsverbrechen, wenn man durch Vorenthaltung von Hilfsgütern eine Zivilbevölkerung nachhaltig schädigt.“
Der ZDF-Moderator ließ weiter nicht locker und hakte nach: „Das passiert da gerade - oder wollen wir das bestreiten?“ Der CDU-Politiker ließ sich jedoch nicht beirren: „Die israelische Regierung sagt, wenn wir die Hilfsgüter reingeben, kommt sie nur der Hamas zugute. (...) Diese These muss erstmal widerlegt werden von uns.“ Nahostexperte Daniel Gerlach zeigte sich irritiert und mahnte: „Nein! (...) Diejenigen, die sie aufstellen, müssen sie beweisen!“
Sanitäter klagt bei Lanz an: Hunger wird im Gazastreifen „als Waffe eingesetzt“
Für Daniel Gerlach war klar: „Was hier sich abzeichnet, ist ein Rachefeldzug, der keinerlei Rücksicht nimmt auf die Zivilbevölkerung.“ Diese Meinung teilte auch Rettungssanitäter Thorsten Schroer. Er war bereits viermal in Gaza im Einsatz und beschrieb die katastrophalen Zustände vor Ort. „Die Kollektivbestrafung von 2,1 Millionen Einwohnern von Gaza ist einfach nicht völkerrechtskonform“, verdeutlichte Schroer. Er merkte an, dass Hunger mittlerweile „als Waffe eingesetzt“ werde, da seit dem 2. März keinerlei Lieferungen mehr nach Gaza zugelassen werden: „Wir reden wirklich von Basisprodukten. Und das (...) lässt sich nicht mit Selbstverteidigung erklären.“
Mit Blick auf die deutsche Politik forderte der Sanitäter deshalb: „Die Zeit für reines Anmahnen ist vorbei! (...) Das Existenzrecht Israels ist deutsche Staatsräson - das unterstütze ich. Aber das, was jetzt gerade in Gaza passiert, ist keine Selbstverteidigung mehr. Und da muss mehr Druck aufgebaut werden!“ Journalistin Anna Lehmann nickte energisch und fügte hinzu, dass sie erwarte, dass Deutschland „die Waffenlieferungen einstellt“, denn: „Das hätte eine enorme symbolische Bedeutung.“
Folglich forderte die Journalistin: „Dieser Krieg wird doch zunehmend zum Selbstzweck für die Radikalen auf beiden Seiten. Und genau deshalb (...) müsste Deutschland viel mehr mit anderen Kräften (...) innerhalb der arabischen Welt aber auch innerhalb Israels kooperieren und gucken: Wie kommt man denn tatsächlich zu einem Friedensschluss?“ (tsch)