„Wollen die Leute nicht hören“Bei Markus Lanz: Streeck mit deutlicher Corona-Prognose

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Virologe Hendrik Streeck bemängelte bei Markus Lanz das Fehlen einer langfristigen Strategie gegen das Coronavirus.

von Béla Csányi (bc)

Köln – Die Corona-Zahlen steigen, auch die Maßnahmen werden in vielen Teilen Deutschlands wieder spürbar verschärft. Bei Markus Lanz ging es am Donnerstagabend vor allem um die Frage, wie gut die Bundesrepublik die Pandemie derzeit im Griff hat.

Während Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (46) eine klare Haltung zu aktuellen und vergangenen Corona-Maßnahmen zeigte, ging Hendrik Streeck (43) deutlich kritischer mit einzelnen Aspekten der Krisenarbeit ins Gericht. Mit Blick auf die derzeitige Lage warnte der Bonner Top-Virologe vor einer trügerischen Sicherheit.

Hendrik Streeck sagt bei Markus Lanz ansteigende Inzidenzzahlen voraus

Dass in Berlin am Donnerstag die Corona-Ampel wegen steigender Zahlen auf „Rot“ gesprungen ist, sei ein Szenario, „was wir in den meisten Großstädten in Deutschland relativ bald haben werden“. Er könne sich gut vorstellen, dass in immer mehr Städten bei den Inzidenzzahlen schon in Kürze der untere Schwellenwert von 35 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner überschritten werde

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Grundsätzlich sei das noch nicht beunruhigend, versicherte Streeck: „Das Problem ist eher, dass die Infektionszahlen zurzeit nur bedingt aussagekräftig sind.“ Deutschland befinde sich in einer Situation, in der die Lage noch „relativ entspannt“ sei. Nur fünf Prozent der Infizierten brauche eine medizinische Betreuung, der vielfach gefürchtete Zusammenbruch des Gesundheitssystems ist angesichts dieser Zahlen nur ein fernes Szenario. Doch von Beruhigung könne in absehbarer Zeit keine Rede sein.

Markus Lanz: Hendrik Streeck bemängelt kurzfristige Strategie in Corona-Krise

Publizist Michel Friedmann warnt ebenfalls vor Nachlässigkeit: „So gesehen ist das alles keine Fata Morgana. Man muss nur ein paar Hundert Kilometer in Europa herumfahren und merkt, es gibt Länder und Gesellschaften, bei denen ist das Szenario nicht mehr theoretisch, sondern praktisch.“ Man habe die Pandemie medizinisch bislang gut durchgestanden, müsse aber auch auf Negativ-Szenarien vorbereitet sein.

Streeck bemängelt dennoch, dass rund um Covid-19 oft zu kurzfristig gedacht werde. „Wo wollen wir eigentlich hin?“, wirft er ein. Der Hoffnung auf einen Impfstoff könne er wenig abgewinnen, schließlich sei das „Virus da und wird auch für immer bei uns sein. Auch wenn wir einen Impfstoff haben“.

Manuela Schwesig verteidigt Corona-Maßnahmen bei Markus Lanz

Politikerin Manuela Schwesig sieht die Politik dennoch auf dem richtigen Weg. „Ich würde heute alles genauso wieder entscheiden“ betont die SPD-Politikerin. Sie erklärt zudem, dass derart strenge Regeln wie noch im Frühjahr inzwischen nicht mehr nötig seien. Heute sei deutlich besser erkennbar, wo sich eine Person angesteckt habe und wie sich deren Kontakte nachverfolgen lassen. Dadurch sei ein deutlicher Fortschritt gelungen, weil nun lokal reagiert werden könne.

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Manuela Schwesig verteidigte bei Markus Lanz die Corona-Maßnahmen im Frühling und hält auch den derzeitigen Kurs für richtig.

Soziologe Prof. Harald Welzer entgegnete dennoch, dass die unterschiedlichen Regelungen bei vielen Menschen für Verunsicherung sorgen, besonders wenn auf engem Raum verschiedene Maßnahmen greifen würden: „Das mag gut gedacht sein, aber das finde ich hochproblematisch.“ Es sei deutlich zielführender, an einheitlichen Regelungen zu arbeiten.

Streeck hob außerdem ein weiteres Problem hervor: Die Gefahr weiterer Rückschläge. Man laufe immer wieder kleinen Hoffnungen auf Verbesserung hinterher, anstatt die aktuelle Lage als Teil des künftigen Alltags zu akzeptieren. Auch wenn die Leute es von ihm nicht hören wollten: „Die AHA-Regeln und die Masken werden noch sehr lange Teil des Alltags bleiben“, befürchtet der Virologe.